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wenn man auch nicht mit allen Schritten desselben einverstanden war.

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 Es war eine traurige, schwere Zeit, für niemand schwerer als für Harleß. Über keinen Kirchenmann ist in diesem Jarhundert eine gleich erschütternde Erfarung gekommen. Im April 1845 hatte Harleß in einem Briefe an den damaligen Kronprinzen geklagt, dass er zum Schibbolet der protestantischen Volksleidenschaft geworden sei, er war dies wider geworden, nur im entgegengesetzten Sinn; damals wurde er gepriesen als Anwalt protestantischer Volksinteressen, jetzt verurteilt als Hort kirchlicher und politischer Reaktion. Nach oben und unten war Harleß’ Lage eine unsäglich schwierige. Und doch trugen in dieser schweren Krisis die feste Organisation, die guten Kräfte der Landeskirche den Sieg davon, es kam schlechterdings nicht zu einem System-, auch nicht zu einem Personalwechsel. Der König äußerte sich in einem Handschreiben gegen Harleß in edler und gerechter Weise, die Statsregierimg traf das Richtige in Erwiderung der Nürnberger Adresse. Zu einem leisen Rückzug war das Kirchenregiment allerdings genötigt, er geschah aber in würdiger Weise mit Festhalten aller wesentlichen Errungenschaften. Die wider getrennten Generalsynoden vom Jare 1857 erteilten Harleß ein glänzendes Vertrauensvotum. Noch mitten in der Bewegung wurden für Übung echt evangelischer Kirchenzucht geeignete Normen festgesetzt. Man gab die Sache nicht auf, man gewönte sich aber an ein mehr geistliches, mehr evangelisches, auf die wirklichen Verhältnisse gestütztes kirchenpädagogisches, die Gemeinden selbst zu freier Entscheidung aufforderndes Verfaren. Schon in seiner Ansprache an die Gemeinden vom 8. November 1856 hat Harleß die richtigen Grundsätze zum Ausdruck gebracht. Der banale Vorwurf hierarchischen Geistes trifft Harleß nicht. In der trefflichen Abhandlung „Kirche und Kirchenthum“ sagt er, dass gewisse Einrichtungen als Ordnungsmittel nur so lange und so weit gelten können, als sie sich als mitdienende Trägerinnen der alleinigen Gnadenherrschaft Christi in Wort und Sakrament erweisen; wo nicht, so wird abermals wie auf den vorreformatorischen Irrwegen aus dem Volk des Evangeliums ein Volk des Gesetzes“

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Adolf von Stählin: Löhe, Thomasius, Harleß. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1887, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_L%C3%B6he,_Thomasius,_Harle%C3%9F.pdf/143&oldid=- (Version vom 31.7.2018)