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gebracht werden. Von der Motivirung will ich nicht reden; aber nicht one Hinblick auf dieselbe muss ich sagen, wenn man ein Haus oder eine Kirche reinigen will, so muss man nicht allen Unrat, der noch darinnen ist. herausfaren und damit die Wände bestreichen, dass es jeder sieht und sagt: „„so sieht dieses Haus, diese Kirche aus““. So reinigt man nicht die Kirche, man verunehrt nur die Kirche vor Freund und Feind. Auf der anderen Seite aber erregen solche Anträge, zu denen man überall die Unterschriften sammelt, in Köpfen und Herzen derer, die nicht einmal im Stande sind, die Verhältnisse zu kennen, beständige Unruhe, Unzufriedenheit und Ungewissheit über das, was man wirklich schon hat, das aber fürt zu nichts Gutem“. Er glaube die Meinung aller Wolgesinnten getroffen zu haben, dass jetzt die Zeiten der Sturm- und Drang-Petitionen vorüber sei. Die Versammlung stimmte dem zu. Das Kirchenregiment erwiderte diese Kundgebung damit, dass es keinen der neun Punkte berücksichtigte, wol aber der verhältnismäßig großen Diaspora bis herein in die Gegenwart stets neue Sorgfalt zuwendete. Ein besonderer Segen ruhte auf mehreren dieser neugegründeten Gemeinden, vor allem der größten unter ihnen, der evangelischen Gemeinde in München, an Reichtum geistiger und geistlicher Kräfte mit den bedeutendsten großstädtischen Gemeinden Deutschlands wetteifernd, deren ältestes, im Dezember 1799 angefangenes Kirchenbuch die Inschrift trägt: „Kirchenbuch der evangelisch-lutherischen Hofgemeinde zu München“, und die, was Lehre und Gottesdienst betrifft, ihren lutherischen Charakter nach allen Richtungen bis zu der vollständigen lutherischen Abendmalsliturgie kundgibt. Löhe selbst wurde im Verlaufe der Zeit in diesem Stück milder und hat diese größere Milde in charakteristischster Weise kundgegeben, als er nach mehr als einem Jarzehnt eine Diakonissenzweiganstalt in München gründete. Auf der Generalsynode vom Jare 1881 hat auch von Zezschwitz für eine mildere Praxis innerhalb der Diasporagemeinden sich ausgesprochen. Die alte Voraussetzung der strengsten Praxis, wornach selbst ein Paul Gerhardt sich äußerte: „ich kann die Calvinisten qua tales nicht für Christen halten“, wird im 19. Jarhundert doch wol niemand mehr teilen. Beachtenswert ist

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Adolf von Stählin: Löhe, Thomasius, Harleß. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1887, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_L%C3%B6he,_Thomasius,_Harle%C3%9F.pdf/138&oldid=- (Version vom 31.7.2018)