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es wiegt dies Zeugnis um so schwerer, als die Löhe’sche Bewegung von Anfang an ganz besonders auch gegen den Summepiscopat in der Hand eines katholischen Fürsten gerichtet war. Unter dem 9. September 1852 schrieb der König an Harleß: „Herr Oberhofprediger Dr. Harleß! Ich habe durch Signat vom heutigen ihre Berufung als Präsident Meines Oberkonsistoriums angeordnet. Es freut Mich, Sie für Bayern gewonnen zu haben, einen Mann, den Ich als Kronprinz mit vielem Leidwesen von Uns habe scheiden sehen. Ich hoffe, dass es Mir gelingen wird, mit und durch Sie das Ware Wol des rechtgläubigen Protestantismus zu schützen gegen die radikalen kirchlichen Bestrebungen, der Ich mit wohlwollenden Gesinnungen bin Ihr wohlgewogener Max.“

 Harleß’ Ernennung zum Präsidenten des Oberkonsistoriums war für ganz Bayern ein überraschendes Ereignis; die seitherigen Präsidenten waren nur Juristen gewesen. In der höheren Beamtenwelt zumal erweckte diese Abweichung von einer wie man glaubte unverbrüchlichen Regel nicht geringes Aufsehen. Da die Verfassung nur sagt, dass der Präsident dem protestantischen Glaubensbekenntnisse anzugehören habe, so war die Berufung eines Theologen gesetzlich nicht ausgeschlossen.

 Der drohende Riss wurde wirklich abgewendet. Wie Harleß dies gelang, darüber sind heute noch unrichtige Meinungen verbreitet. Harleß hat durchaus nicht ein geradezu Neues geschaffen, er hat eine lutherische Kirche nicht erst hergestellt. Es entspricht nicht der geschichtlichen Sachlage, wenn erst neuerdings behauptet wurde, Harleß sei es beschieden gewesen, „die auf dem Papier stehende luther. Landeskirche im wesentlichen zu einer wirklichen zu erneuern (Das Leben Bachmanns S. 2)“. Dies war überhaupt eine Unmöglichkeit. Die Landeskirche ist nicht erst damals „in bekenntnismäßige Banen geleitet worden“, sondern ihre ganze bisherige Geschichte zeugte von dem allseitigen Streben der berufenen Faktoren, im Gegensatz zu vorhandenen Abnormitäten dem kirchlichen Bekenntnis mehr und mehr Raum zu schaffen. Harleß Werk war die Frucht der ganzen vorausgegangenen kirchlichen Entwicklung. Es erscheint notwendig, in Harleß’ Lebensbild den sichern Nachweis hiefür zu geben. Heinrich Ranke erzält uns in seinen

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Adolf von Stählin: Löhe, Thomasius, Harleß. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1887, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_L%C3%B6he,_Thomasius,_Harle%C3%9F.pdf/117&oldid=- (Version vom 31.7.2018)