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auf die gewaltigen Errungenschaften unseres Volkes eingehen wollte. Aber ungemein ernst ist auch die Lage und Aufgabe der Kirche. Das Zauberwort: Nationalkirche, wird jetzt im Anschluß an die politische Einigung mit noch viel volleren Klängen als bisher als Parole ausgegeben werden. Es wird Kampf und Arbeit genug geben. Aber ich glaube, wir können doch auch von den politischen Vorgängen für unsere kirchliche Entwicklung lernen. Unvorhergesehene Ereignisse haben unter Gottes Gnadenfühlung zur Vollendung dessen geführt, was in den Tiefen des Volkslebens und der Volkssehnsucht lange geschlummert. Der ewige Gott kann ja auch die kirchliche Frage über Bitten und Verstehen auf Wegen, die wir nicht ahnen, zum Austrag bringen. Wir haben auf seinen Wink zu achten. Vor aller Voreiligkeit, vor all dem, was unser kirchliches Gewissen und die Treue gegen die uns anvertrauten Glaubensgüter nicht unbedingt fordert, haben wir uns auf dem Gebiete der Verfassung zu hüten. Wir versichern noch einmal zum Schlusse, daß wir die Schäden unserer bisherigen Verfassung gar wohl kennen und fühlen. Gleichwohl glauben wir nicht, daß Zeit und Stunde jetzt schon im Ganzen gekommen, das Nothdach abzubrechen. Wir glauben auch, daß unsere Kirche in ihren bisherigen Verhältnissen noch lange nicht Alles gethan hat, was ihr zu thun obliegt. Ehe sie dieß gethan, hat sie kein gutes Gewissen zum Auszug. Es ist im Grunde genommen doch eine tiefe Übereinstimmung zwischen uns und Harnack, so sehr wir ihm in so vielem Einzelnen nicht folgen konnten. Volkskirchenthum auf fester unentweglicher Bekenntnißgrundlage, das ist sein Ziel, welches er gerade auf den letzten Blättern seines Buchs immer und immer wieder hervorhebt, das ist auch unser Ziel. Wir gehen nur bezüglich der einzuschlagenden Wege, dasselbe festzuhalten, auseinander. Wir möchten erinnern an die Besprechungen auf der ersten lutherischen Conferenz zu Hannover, auf welcher man von allen Seiten, auch von Seiten der selbst wieder geschiedenen Separation sich nicht grundsätzlich gegen das Landeskirchenthum aussprach und allenthalben der Wunsch seiner Erhaltung geäußert wurde. So viel ist seitdem doch nicht anders geworden. Sollte man denn die Hoffnung aufgeben, daß