Seite:Adolf von Stählin - Das landesherrliche Kirchenregiment.pdf/71

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Reiche eingeführt wird; die Kirche selbst darf nach ihr nur als einem letzten Auskunftsweg greifen.

 Aehnlich wie mit der Civilehe steht es mit der Idee der Unabhängigkeit der bürgerlichen und politischen Rechte vom religiösen Bekenntniß. Zehme will in seiner Schrift (Landeskirche und Freikirche S. 27. 29) aus dem Gesetz des Norddeutschen Bundes vom 3. Juli 1869, welches jene verbürgt, die Unmöglichkeit, das landesherrliche Kirchenregiment noch länger zu halten, herleiten; wir glauben mit Unrecht. Es kommt Alles auf die Ausführung dieses Grundsatzes an. Wir halten es für billig, daß der Freireligiöse etwa der Vertretung seiner Commune oder der Israelite der Volksvertretung angehören könne; damit ist der christliche Staat selbst noch nicht gefallen; etwas anderes wäre es, wenn z. B. auch unsere christlichen Gymnasien, wie dieß nun in Baden geschehen soll, ohne weiteres Israeliten und Deutschkatholiken geöffnet würden. Daran wird vor der Hand wohl in Preußen am wenigsten gedacht werden. Würde jenes Prinzip aber in dieser Ausdehnung durchgeführt, so wäre es mit unserer ganzen bisherigen socialen Ordnung geschehen und die christliche Welt wäre in der That namentlich der Gefahr einer „Verjudung“ preisgegeben. Wir glauben immerhin, daß unsere Staatsmänner im Ganzen noch von der Verblendung des Parteidoctrinarismus fern sind, daß das Prinzip der Religionslosigkeit und des Nihilismus die Grundlage eines festen Staatengefüges bilden könne.

 Wir sind jetzt an einem ungeheuren Wendepunkt unserer Geschichte angekommen. Unser Volk hat im Ganzen noch mehr sittliche und religiöse Kraft gezeigt, als ihm oft zugetraut wurde. Manche von der Kirche gestreute Saat ist unter den Schrecken des Krieges aufgegangen. Der greise Heerführer der deutschen Heldenschaaren hat von Anfang bis Ende in einer Weise, wie sie in der Geschichte noch kaum dagewesen, der Gnade Gottes die Ehre gegeben. Es ziemte der Kirche schlecht, wenn sie jetzt nur als Unglücksprophetin auftreten, nur chiliastische Gedanken hegen wollte, wie leider in einzelnen für das Volk berechneten christlichen Blättern geschieht, wenn sie nicht auch mit voller Liebe und Theilnahme