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was die Begriffe Staatskirche, Volkskirche und Freikirche in sich tragen, mit Abzug des Schlimmen und Einseitigen, was ihnen anhaftet, für eine bestimmte Kirchengestalt vereinigen, von der Staatskirche die feste Auctorität, von der Volkskirche die Weitschaft der Richtung und des Blickes, von der Freikirche die Freiheit entlehnen könnten. Aber das geht nicht so leicht, wenn auch der Herr Verfasser in seinem Ideal dieß fast voraussetzen zu wollen scheint.

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 Wie wir zu einer freien lutherischen Volkskirche gelangen können, hat uns nun der Herr Verfasser überdieß nicht gesagt, und doch scheint uns dieß von ganz besonderer Wichtigkeit zu sein. Es handelte sich doch bei seinen Vorschlägen um wesentliche Aenderungen des protestantischen Kirchenrechts gerade nach der Seite, nach welcher dieses auch Staatsrecht geworden ist, um Abthun des Summepiskopats etc. Dieß könnte nun aber weder die Kirche noch das Staatsoberhaupt für sich thun, es müßte diese Frage auch vor die Kammern gebracht werden. Wollten letztere darauf eingehen, so würde es gewiß in keinem für die Kirche allzu freundlichen Sinne geschehen, man würde die Sache von der die Geister gegenwärtig beherrschenden, wenn auch sehr unklaren Idee einer Trennung von Kirche und Staat aus zu behandeln und seine eigenen Absichten in und an der Kirche durchzusetzen suchen; da hätte die Kirche wahrlich nichts gewonnen, sondern der Kampf mit widerkirchlichen Strebungen würde erst recht entbrennen. Würde die Volksvertretung nicht darauf eingehen, so müßte die Kirche, da sie die Sache ja von Anfang nur als Gewissenssache behandeln konnte, auf dem von ihr betretenen Wege fortfahren und selbst das Band lösen, das sie als ein zu drückendes und ihrer wahren Lebensaufgabe hinderliches glaubte erkennen zu müssen. Sie müßte dann aber auch selbstverständlich bei diesem Gewissensacte auf alle Vortheile verzichten, welche ihr die Verbindung mit dem Staate gewährt. Doch die Hauptfrage ist die, wie kann die Kirche selbst zu dem ihr zugemutheten Schritte gelangen? Sie könnte ihn nur durch ihre legitime Vertretung, durch die Synoden thun. Wie sollte aber unter unsern Verhältnissen eine Synode zu einem solchen Schritt Antrieb und Freudigkeit erhalten? Wer will denn unter uns – wir denken