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zumuthet, wohl bewußt. Er meint aber, „sie kann ihn jetzt und erst jetzt mit dem besten Gewissen vor Gott und der Welt thun, darum soll sie ihn auch thun“ (S. 35). Sie soll diesen Schritt in Gottes Namen thun, obwohl sie nicht eine Trennung um jeden Preis wollen könne, ähnlich wie unsere Väter die mittelalterliche Kirche verlassen haben um der „Freiheit eines Christenmenschen“ willen (S. 66), wobei wir doch bemerken möchten, daß keine Kirchengewalt gegenwärtig wie damals Pabst und Bischöfe geradezu als Verfolgerin des Evangeliums auftritt. S. 85 sagt dann der Herr Verfasser aber doch wieder, daß für unsere Kirche die gänzliche Loslösung vom Staat keine prinzipielle Nothwendigkeit und kein Postulat des Glaubens sei, und 102 sogar: „sie unterstellt sich willig seinem vollen Oberaufsichtsrecht und rechnet auf seine nach Recht und Gesetz geregelte Advocatie, auf seinen Schutz ihrer Rechte gegen alle Angriffe und Eingriffe von außen.“ Der Herr Verfasser kommt auch auf die rechtlichen Fragen bei Auseinandersetzung mit dem Staate zu sprechen, und meint, der Modus der Verwirklichung werde kein besonders günstiger für die Kirche sein (S. 105), aber die Kirche habe doch nur zu fragen, was ihre Glaubenspflicht ist, nicht welche Opfer kann und wird es kosten (S. 106). Was der Herr Verfasser eigentlich erstrebt, ist die nach dem Prinzip der Wahrheit und Freiheit organisirte, selbständige Volkskirche (S. 150), die wohl in der Art ihres Bestandes territorialistisch begrenzt sein könne, aber nicht in ihrem Wesen territorialistisch bestimmt sein dürfe (S. 97); er verlangt für sie Unabhängigkeit ihrer Organe und Behörden von den obersten Staatsbehörden, andererseits die gehörige Selbstbeschränkung der landesherrlichen Kirchengewalt, wobei jedoch die Majestätsrechte anerkannt werden. Es soll dann auf eine organische Verbindung aller deutschen Landeskirchen, in denen das lutherische Bekenntniß noch zu Recht besteht, hingearbeitet, eine Art lutherische Nationalkirche gegründet werden, besonders mit Hülfe der Landessynoden und theologischen Fakultäten. In der Verfassung dieser Kirche soll sich das gemeindlich-synodale Element mit dem episkopal-consistorialen, unter der womöglich bleibenden Autorität der landesherrlichen Kirchengewalt, verknüpfen.

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