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 Endlich führt Harnack als Zeugniß für die unkirchliche Natur dieses Kirchenthums an, daß es die Rechte der Gemeinden lahm gelegt und diese zu einer geordneten Theilnahme an den Angelegenheiten der Kirche nicht herbeigezogen habe. Der Herr Verfasser sagt hier sehr viel Wahres, dem wir von Herzen beistimmen. Aber was er sagt, bezieht sich gerade weniger auf die Gegenwart, als auf die Vergangenheit. Als den tiefsten Schaden unseres protestantischen Kirchenrechts betrachten wir die frühere Unterlassung einer Organsirung des status oeconomicus und die fast gänzliche Quiescirung desselben. Gerade dieß sucht man aber in der Gegenwart nachzuholen, wenn auch theilweise auf sehr verkehrte Weise. Man kann nun jenen Schaden vollkommen anerkennen, um so mehr als er mit der ganzen Entstehungsgeschichte unserer Kirche zusammenhängt und später von den Theologen jedenfalls nicht weniger als von den Fürsten verschuldet wurde, ohne doch an unserem Kirchenthume überhaupt irre zu werden. Wir sagen zusammenfassend: der Herr Verfasser beweist uns einerseits zu viel, sofern die Spitze seiner Beweisführung Landeskirchenthum und landesherrliche Kirchengewalt überhaupt treffen würde, und andererseits zu wenig, sofern er Zustände mit Unrecht allenthalben voraussetzt, wie sie doch nur theilweise in Deutschland sich finden. Wir verkennen dabei wahrlich nicht die Gefahren, welche der lutherischen Kirche von Seiten der Union drohen, wir wissen ja auch nicht, wie lange bei uns das Bollwerk des Bekenntnisses vorhalten wird gegen die Strömung des Un- und Halbglaubens; wir sagen aber, wo nur irgend eine Landeskirche unverworren ist von der Union und den sichern Bekenntnißgrund unter ihren Füßen hat, da weiche sie nicht, sondern halte was sie hat. Die von der Union unmittelbar bedrohten Provinzialkirchen hätten ja ohnedieß, wie dieß in der Natur der Sache liegt, keinen andern Ausweg als den der Separation, fänden sie es mit ihrem Gewissen unvereinbar, länger unter den gegenwärtigen Verhältnissen kämpfend zu verharren. Offenbar können sie die Initiative und Offensive gegen das Bestehende, gegen Summepiskopat etc. nicht ergreifen. Sollten wir nun um ihretwillen weichen? es würde uns selbst nur schaden und jenen nicht nützen.

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