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Allgewalt, vor welcher Staat und Obrigkeit alle Selbständigkeit verloren und deren Ursprung fast manichäisch aus einem bösen Prinzip hergeleitet wurde. Dem gegenüber hat nun Luther mit hoher Klarheit und wunderbarem Tact die Selbständigkeit und Sonderung beider Gewalten nach Ursprung, Lebensgebiet und Ziel behauptet, nirgends schöner als in der merkwürdigen Schrift: „von weltlicher Obrigkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei“ (Walch X, 426 ff.). Hier wird der Obrigkeit alles Recht auf das Ewige und Himmlische abgesprochen und volle Toleranz gepredigt: „Ketzerei ist ein geistlich Ding, das kann man mit keinem Eisen hauen, mit keinem Feuer verbrennen, mit keinem Wasser ertränken; es ist hier ein ander Streit und Handel denn mit dem Schwert. Gottes Wort soll hie streiten“ etc. Andererseits lehren nun aber die Reformatoren, Luther wie Melanchthon, einen Beruf der Obrigkeit für die Kirche, neben der Selbständigkeit und Geschiedenheit beider Gewalten doch wieder die Aufgabe einer gegenseitigen innigen Durchdringung. Aber die innere Vermittlung von beidem weisen sie nicht auf, wie es von der rein natürlichen, wenn auch gottgeordneten Basis des obrigkeitlichen Amtes zu einem ebenso gottgeordneten Beruf für den Aufbau der Kirche komme. Unvermittelt wird dann auch der weltliche Stand der Fürsten zu einem kirchlichen Stand, das weltliche Territorium zu einem kirchlichen Lebensgebiete; die wahrhaft schriftgemäße Lehre von Ursprung und Aufgabe der Obrigkeit wird mit der theokratischen Auffassung vermengt, ihre Selbständigkeit verschwindet wiederum vor einem rein dienenden Verhältniß, in welches sie zur Kirche und zur theokratischen Idee tritt; in Folge davon kommt dann auch über der reellen Gewissensfreiheit, für welche die Reformatoren so gewaltig streiten, die formelle, obwohl Luther gerade ihr in jener Schrift das Wort geredet hat, nicht zu ihrem Recht. Gleichwohl wird man sagen können, daß in den Ausführungen der Reformatoren, namentlich Melanchthon’s, wenn die rechten Mittelglieder dazu genommen werden, die Elemente einer richtigen Construktion der Idee des christlichen Staates gegeben sind. Der Staat ist nicht blos pacis et ventris causa da; er verfolgt höhere, sittliche Zwecke. Diese kann er aber ohne die Kirche