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so gibt z. B. auch Ranke zu, daß man bei der Visitation mit großer Mäßigung verfuhr, und unzweifelhaft zeigen sich hier wenigstens die Anfänge der Toleranz. Was wäre in Deutschland aber wohl aus der evangelischen Kirche geworden, wenn Luther mit einem modernen Freiwilligkeitsprinzip an ihre Begründung gegangen wäre? Seinem Glaubensprinzip blieb Luther auch hier getreu für sein eigenes Handeln wie für die Entwicklung der Kirche. Luther’n konnte es nicht entgehen, daß auf dem Wege, den er im Einklang mit der politisch nationalen Entwicklung Deutschlands für die Kirche einschlug, auch die Gefahr der Entfesselung kirchenwidriger Mächte lag. Daß er ihn gleichwohl einschlug, um so viel auf ihn ankam dem deutschen Volke in seiner Gesammtheit den Segen des Evangeliums zuzuführen, war eine Sache des Glaubens, des Glaubens an die überwindende Macht des Evangeliums.

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 Daß die von Harnack übrigens nicht getheilte Annahme eines Prinzipwechsels von Seiten Luther’s nicht die richtige ist, geht auch klar daraus hervor, daß die Reformatoren eine ordnende und leitende Stellung der Obrigkeit der Kirche gegenüber selbst prinzipiell vertheidigten. Wir glauben aber, daß das, was Harnack S. 11 hierüber sagt, nicht ganz richtig ist: „Namentlich verwechselte die spätere Doctrin immer unbedenklicher Kirche und Volk und machte den Fürstenstand zu einem Stand in der Kirche, während er doch nur wegen seiner hervorragenden Stellung im christlichen Volk praecipuum membrum ecclesiae ist. Ebenso verwechselte man das Wächteramt der Obrigkeit eines christlichen Volks auch über die erste Tafel und wider die groben äußern Uebertretungen derselben, mit der Regierung der Kirche und ihren ganz anders gearteten Aufgaben diesen Geboten gegenüber. Und endlich, als das landesherrliche Kirchenregiment tatsächlich und rechtlich zu Bestand gekommen war, hielt man nicht mehr die rechtliche Gewalt dieses Regiments, die allerdings den Fürsten zukam, und die Ausübung des Amts der Kirchenregierung auseinander, welches letztere ihnen nicht zukam.“ Offenbar ist hier der Unterschied zwischen reformatorischer und nachreformatorischer Lehre über das richtige Maß gesteigert. Auch den Reformatoren war der fürstliche Stand gewissermassen ein Stand