Seite:Adolf von Stählin - Das landesherrliche Kirchenregiment.pdf/25

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ist nun einmal so, daß wenn man sich von den Fürsten schützen lassen wollte, diesen auch ein bestimmender und leitender Einfluß auf die Kirche gewährt werden mußte. Höfling, der überhaupt unübertrefflich klar über diese Dinge längst geurtheilt hat, hat ganz Recht, wenn er sagt: „Aus demselben Grunde des Rechtes christlicher Obrigkeit, aus welchem die protest. Reichsstände das jus reformandi und das jus advocatiae ausübten, mußte man ihnen natürlich auch ein Recht supremae inspectionis einräumen, und zwar so, daß man ihnen nach der Konsequenz des evangelischen Prinzips dabei das Recht des eigenen Urtheils auch über die kirchliche Natur und Zweckmäßigkeit kirchlicher Dinge, das Recht des Handelns nach eigener kirchlicher Ueberzeugung im Verwerfen und Verhindern sowohl als im eigenen Veranlassen nicht absprechen konnte“ (a. a. O. S. 159). Aber das ist gewiß, daß die fürstliche Kirchengewalt nur in dem Maße ein Recht in der Kirche hat, als sie dieser, von ihrem eigenen Lebensprinzip aus, das ein Prinzip des Glaubens und Bekennens ist, also auf Grund und zum Zweck ihres Bekenntnisses dient, und sie die Kirche nicht ausnützt zur Verfolgung rein weltlicher und politischer Ziele; das steht uns ferner fest, daß das mit jener gegebene Landeskirchenthum nur insoweit berechtigt ist, als es nicht ausartet in ein polizeiliches Zwangsinstitut, sondern selbst auf einem vom Christenthum getragenen Volkswesen ruht. Damit ist schon gesagt, daß die bei uns zu Recht bestehende Kirchenverfassung auch eine prinzipielle Seite hat, sich auch prinzipiell muß rechtfertigen lassen, freilich wieder nicht in dem Sinne, als könnte sie aus abstracten Prinzipien, seien sie nun staatlicher oder kirchlicher Natur, hergeleitet werden, sondern weil sie mit dem Prinzipe der Kirche selbst muß vereinbar sein. Eine Verfassung, die diesem Prinzipe widerspricht, verdient nicht zu existiren. Haben die Reformatoren sich von der Macht der Zeitverhältnisse überholen lassen und sind sie ihren sonstigen Grundsätzen für das Gebiet der Verfassung untreu geworden, so verdienen sie Tadel. Wirklich hat man dieß behauptet; man hat etwa gesagt, die Reformatoren seien unbedenklich auf das System des Territorialismus als Thatsache eingegangen, dieses System widerspreche aber ihren sonstigen Prinzipien.