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die auch in Ketten ihre Unabhängigkeit zu bewahren weiss, und die ihre heftigsten Feinde irre führt. Sie nahm auch das Zeichnen wieder auf, das sie seit langem nicht geübt hatte.

Die Frauenabteilung im Gefängnis Saint-Pélagie war von langen, sehr engen Gängen durchquert, in welchen die kleinen Zellen mündeten. Dort wohnte Madame Roland unter einem Dache, in derselben Reihe, nur durch dünne Gipswände getrennt, mit Dirnen und Mördern; knapp neben ihr war eine jener Kreaturen untergebracht, die es als Gewerbe betrieben, die Jugend zu verführen und die Unschuld zu verschachern; über ihr ein Weib, das falsche Assignaten angefertigt hatte, und auf der Landstrasse mit ihren Helfershelfern ein Wesen ihres Geschlechtes in Stücke gerissen hatte! Jede der Zellen war mit grossen Schlössern und Riegeln versehen; in der Früh öffnete immer ein Mann und schaute frech hinein, ob man schon aufgestanden war. Die Insassen der Zellen versammelten sich dann in den Gängen, auf den Stiegen, in dem kleinen Hofe, oder in einem feuchten, übelriechenden Saale, einem würdigen Sammelplatz dieses Auswurfs der Menschheit. Man kann sich vorstellen, dass Madame Roland es vorzog, in ihrer Zelle zu verbleiben, aber die Enge, in der alle zusammengepfercht lebten, konnte das Ohr vor den Reden nicht bewahren, die diese Frauen führten, und die auf Ohren, die derartiges noch nie vernommen hatten, um so schrecklicher wirkten. Dazu kam noch, dass die Gefangenen der Männerabteilung im gegenüberliegenden Gebäude an den Fenstern waren und unanständige Reden, von unanständigen Gebärden begleitet, herüber und hinüberflogen. Das war der Aufenthaltsort, der der würdigen Gattin eines Ehrenmannes vorbehalten war. „Wenn dies der Lohn der Tugend auf Erden ist, so staune man doch nicht mehr über meine Geringschätzung des Lebens und der Entschlossenheit, mit welcher ich dem Tode zu begegnen wissen werde. Niemals ist er mir fürchterlich erschienen, aber jetzt finde ich