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Wenn sie an ihre Kindheit zurück denkt, so findet sie sie beglückt, weil sie sie inmitten von Büchern und Blumen verbringen durfte. Und selbst im Gefängnis, kurz vor ihrem Tode, konnte der Anblick einiger Blumen, die ihr Kerkergitter verdeckten, sie die Ungerechtigkeit der Menschen vergessen machen, und ihre Bücher trösteten sie auch dort in ihren Leiden. Sie war so wissbegierig, dass sie selbst den Koran studiert hätte, wenn sich ihr dazu eine Gelegenheit geboten hätte.

Die Künstler, die im Elternhaus der kleinen Manon verkehrten, beschäftigten sich gerne mit dem schönen, muntern Kinde und erzählten ihm manch schönes Märchen.

Mit sieben Jahren schickte man sie jeden Sonntag in die Pfarrschule, um sie zur Konfirmation vorbereiten zu lassen. Ein Bruder ihrer Mutter war Geistlicher und unterrichtete sie in der Sonntagsschule. Er war von der Leichtigkeit ihrer Auffassung und ihrer Lernbegierde so begeistert, dass er auf den Gedanken verfiel, sie im Lateinischen zu unterrichten. Das kleine Mädchen war entzückt, es war ein Fest für sie, einen neuen Lehrgegenstand gefunden zu haben. Sie hatte daheim die verschiedensten Lehrer für Kalligraphie, Geographie, Musik und Tanz. Ihr Vater erteilte ihr Unterricht im Zeichnen. Aber all das war ihr nicht genug. Sie stand um 5 Uhr früh auf, als noch alle im Hause schliefen, sie schlüpfte leise, nur mit einem Jäckchen bekleidet, ohne daran zu denken Strümpfe und Schuhe anzulegen, zu einem Tisch im Winkel des Zimmers ihrer Mutter, worauf ihre Arbeiten lagen, und begann abzuschreiben, ihre Uebungsbeispiele mit derartigem Eifer zu wiederholen, dass sie riesige Fortschritte machte. Die Lehrer wurden ihr alle gewogen und gaben ihr aus Vergnügen längere Lektionen; dieses Interesse erhöhte noch den Eifer der kleinen Manon. Alle schienen sich geschmeichelt zu fühlen, das begabte Kind unterrichten zu dürfen und dieses selbst war ihnen andererseits sehr dankbar, unterrichtet zu werden. Es gab keinen Lehrer, der nicht nach