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feindliche Gefühle, die besonders dann zutage traten, wenn der Vater seine Überlegenheit forcierte, wozu er eine grosse Neigung hatte. In diesem Wirrwarr der Gefühle suchte er Orientierung und fand sie nur in dem Gedanken, dem Vater überlegen zu werden, männlicher zu werden wie er. Folgerichtig hätte er, wie es häufig in ähnlichen Fällen geschieht, Versuche unternehmen müssen, um sein Genitale zur Vergrösserung, zur Erektion zu bringen. Dieser Weg, der zu sexueller Frühreife und Masturbation führt, wurde bald von ihm verlassen, weil ihn der Vater mehrmals davon abschreckte. So blieben ihm als Ersatz des männlichen Protestes bloss die Versuche, reicher, angesehener, klüger wie der Vater zu werden, und seine Umgebung herabzusetzen.

Sein Vater hatte grosse Hoffnungen auf des Patienten Rednergabe gesetzt, die sich in der Kindheit schon gezeigt hatte, hatte sich auch durch das geringfügige Stottern des Knaben nicht beirren lassen und hoffte, dass er die juristische Laufbahn ergreifen werde. Hier konnte er den Vater an der wundesten Stelle treffen, und so verfiel er in immer heftigeres Stottern, eine neurotische Äusserung der Sicherung gegen die Überlegenheit des Vaters, zu der ihm die Anregung durch einen stotternden Hauslehrer gekommen war. In der Folge bekam dieses Symptom eine Unzahl anderer Verwendungen, beispielsweise die, dass er durch das Stottern immer Zeit gewann, seinen Partner zu beobachten, seine Worte abzuwägen, Forderungen der Familie an ihn abzulehnen, das Mitleid Anderer auszunützen und ebenso das Vorurteil, womit man nur geringe Erwartungen an ihn stellte, die er dann leicht übertraf. Interessant ist, dass ihm sein recht auffälliges Stottern in der Liebeswerbung kein Hindernis war, dass es ihn eher förderte, was von unserem Standpunkte begreiflich erscheint, nach welchem ein weit verbreiteter Typus von Mädchen von der Liebesbedingung nicht lassen kann, der Mann ihrer Wahl müsse unter ihnen stehen, damit sie ihn sicher beherrschen können.

Besonders feindselige Regungen gegen Eltern, Geschwister und Dienstboten beendete er mit der Aufstellung einer neuen Leitlinie, die ihn zum gütigen Menschen machen sollte. Diese neue Entwicklung vollzog sich unter allabendlicher Ablegung einer Selbstbeichte, bei der er sich seine Bösartigkeit vorwarf und Gewissensbisse arrangierte. Sein wachsendes Verständnis hatte ihn so auf einen kulturellen Umweg zur Erhöhung seines Persönlichkeitsgefühls hingewiesen.

Der Mangel einer geradlinigen Aggression zeigte sich auch darin, dass er seinen Ehrgeiz in Gedanken und Phantasien, allerdings auch in guten Fortschritten in der Schule bewies, sodass er die meisten seiner Mitschüler besiegte. Eine zunehmende Neigung zu Sarkasmus und Verhetzung anderer wurde jetzt der einzig sichtbare Ausdruck seiner früher oft gewalttätigen Aggression, die ihm den Spitznamen „Blutegel“ eingetragen hatte. Eine wichtige Rolle spielte seine kämpferische Stellung für das Judentum, die sich in einer um das 12. Lebensjahr auftretenden Zwangshandlung widerspiegelte. Wenn er ein Schwimmbad betrat, so musste er die Genitalien mit den Händen verdecken und sofort den Kopf unter Wasser stecken, wo er ihn so lange hielt, bis er bis 49 gezählt hatte, sodass er oft schwer nach Luft schnappend und erschöpft auftauchte. Die Auflösung ergab als gedanklichen Inhalt die Bestrebung

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Alfred Adler: Über den nervösen Charakter. J.F. Bergmann, Wiesbaden 1912, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AdlerNervoes1912.djvu/75&oldid=- (Version vom 31.7.2018)