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aus seiner Unsicherheit heraus, in die ihn seine konstitutionelle Minderwertigkeit gestürzt hatte, so musste er wie nach einem Plan, auf einen fixen Punkt zu, seine Vorbereitungen fürs Leben treffen. Das starke Hervortreten der Leitlinie zum Vaterideal ist bereits ein neurotischer Zug, denn in ihm können wir die ganze Not dieses Kindes begreifen, das aus seiner Unsicherheit herauswill. Die Sicherungstendenz der Neurose führt so den Patienten aus dem Bereich seiner eigenen Kräfte und zwingt ihn auf einen Weg, der aus der Wirklichkeit herausführt: 1. weil er seine Fiktion, dem Vater zu gleichen oder ihn zu übertreffen, zu seiner Aufgabe macht und nun gezwungen ist, sein Erleben der Welt unter ihrem Zwang zu formen, zu gruppieren und zu beeinflussen; 2. weil es nie gelingen kann, eine derartige abstrakte Fiktion in der Wirklichkeit durchzusetzen, ausser in der Psychose. Es kommt so in die Psyche des Kindes ein intensiv suchender, messender, abwägender Zug, von dem ich noch einiges hervorheben muss.

Was nach meiner Erfahrung das zu scharf gefasste Leitbild des Vaters bei neurotischen Kindern zuerst verschuldet, zeigt sich, wie ich in meinen Arbeiten gezeigt habe, beim Suchen nach der Geschlechtsrolle. Das neurotisch disponierte Kind, oder wie ich sagen kann, das Kind, das unter dem Druck eines Minderwertigkeitsgefühls steht, will ein Mann werden, — sobald die Neurose ausbricht, ein Mann sein. In beiden Fällen kann es sich nur um ein Gebaren handeln, als ob es ein Mann wäre oder werden sollte. Die verstärkte Sicherungstendenz zwingt auch in diesem Falle die Haltung des angehenden Nervösen in den Bann der Fiktion, sodass zum Teil auch bewusste Simulation zustande kommen kann, und z. B. ein Mädchen, um seinem Minderwertigkeitsgefühl zu entgehen, anfänglich in bewusster Nachahmung männliche Gesten des Vaters entlehnt. Es liegt kein Grund vor, anzunehmen, dass sie dazu in den Vater verliebt sein muss. Die Höherschätzung des männlichen Prinzips genügt dabei, kann allerdings zuweilen von dem Mädchen sowie von der Umgebung als Verliebtheit empfunden werden, wenn die Vorbereitung für die Zukunft in spielerischer Weise eine Hindeutung auf Liebe oder Ehe verlangt. In unserem Falle setzte sich die Leitlinie zum kompensierenden Persönlichkeitsideal im Wandel ihrer Form und ihres Inhalts in ein ehrgeiziges Streben um, den Vater an Reichtum, Ansehen und — damit im Zusammenhang — an Männlichkeit zu übertreffen. Das Suchen nach der eigenen Geschlechtsrolle setzte intensiv und in typischer Weise, als sexuelle Neugier ein, wobei der Patient im Gefühle seiner Minderwertigkeit die Kleinheit seiner kindlichen Genitalien gegenüber der Grösse der väterlichen als eine herbe Zurücksetzung, als Mangel an Männlichkeit empfand. Sein Ehrgeiz, der ihm ermöglichen sollte, von der Stufe der Minderwertigkeit aufzusteigen, zwang ihn zur Steigerung seines Schamgefühls, damit man nicht bei einer Entblössung seine kleinen Genitalien sehen sollte. Dazu kam noch, dass er jüdischer Abkunft war. Er hatte von der Zirkumzision manches gehört und hegte die Vorstellung, dass man ihn auch bei dieser Operation verkürzt habe. Sein männlicher Protest trieb ihn zur Entwertung der Frau, als ob er auf diese Weise seine Überlegenheit erweisen müsste, und er kam mit seiner Mutter in das denkbar schlechteste Verhältnis. Aber auch dem Vater gegenüber, dessen Vorliebe für ihn er durch diplomatische Anpassung nährte, hegte er

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Alfred Adler: Über den nervösen Charakter. J.F. Bergmann, Wiesbaden 1912, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AdlerNervoes1912.djvu/74&oldid=- (Version vom 31.7.2018)