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Prinzip des Gegensatzes arbeitende Apperzeptionsweise zurück. Man darf darin nicht, wie es meist geschieht, eine Wesenheit der Dinge erblicken, sondern muss die primitive Arbeitsmethode erkennen, die ein Ding, eine Kraft, ein Erlebnis an deren arrangiertem Gegensatz misst.

Je weiter die Analyse fortschreitet, desto deutlicher wird eines der Gegensatzpaare, deren Urform wir als Minderwertigkeitsgefühl und Erhöhung des Persönlichkeitsgefühls festgestellt haben. Es entspricht nur den primitiven Versuchen des Kindes, sich in der Welt zu orientieren und sich so zu sichern, wenn greifbarere Gegensatzpaare erfasst werden. Unter diesen habe ich folgende zwei regelmässig gefunden: 1. oben - unten; 2. männlich - weiblich. — Man findet dann immer Gruppierungen von Erinnerungen, Regungen und Handlungen, die im Sinne des Patienten, nicht immer im Sinne der Allgemeinheit nach dem Typus geordnet sind: minderwertig ≂ unten ≂ weiblich; mächtig ≂ oben ≂ männlich. Diese Gruppierung ist wichtig, denn sie ermöglicht, weil sie beliebig gefälscht und protegiert werden kann, die Verzerrung des Weltbildes, wodurch es dem Neurotiker immer möglich ist, durch Arrangement, durch Unterstreichung und Willkürlichkeiten, seinen Standpunkt als den eines zurückgesetzten Menschen festzuhalten. Es liegt in der Natur der Dinge, dass ihm dabei seine konstitutionelle Minderwertigkeit zu Hilfe kommt, und ebenso die stetig zunehmende Aggression seiner Umgebung, die durch nervöses Betragen des Patienten fortwährend aufgestachelt wird.

Zuweilen fehlt dem Neurotiker das volle Bewusstsein seiner vermeintlichen oder wirklichen Niederlage. Man findet dann immer, dass sein Stolz, sein Persönlichkeitsgefühl deren Anerkennung verweigert. Er handelt nichtsdestoweniger so, als ob er die neue Zurücksetzung zur Kenntnis genommen hätte, und das Rätsel eines nervösen Anfalles löst sich oft erst nach der Einsicht in diese Tatsache. Für die Heilung ist mit der Heraushebung solcher „verdrängter“ Empfindungen aus dem Unbewussten nicht viel getan, oder nur dann, wenn dabei der Zusammenhang mit dem kindlichen Mechanismus der Anfallsbereitschaft dem Patienten zugänglich wird. Zuweilen erfolgt sogar eine scheinbare Verschlimmerung, die dahin zu verstehen ist, dass der Patient seine Bereitschaften gegen den Arzt richtet, weil dieser sein Persönlichkeitsgefühl verletzt hat.

Eine wichtige Frage ist noch zu beantworten. Worauf bezieht der Neurotiker sein Minderwertigkeitsgefühl? Da der Patient nur bei Organminderwertigkeiten, die sich aufdringlich in die Krankheitsbereitschaft stellen, eine Beziehungsmöglichkeit herstellen kann, ist er stets auf dem Wege der Vermutung, Er wird die Ursache seiner Minderwertigkeit nicht etwa in Störungen der Drüsensekretion suchen, sondern wird in allgemeiner Weise seine Schwächlichkeit, seinen kleinen Wuchs, Verbildungen, Kleinheit oder Anomalien der Genitalien, Mangel an vollkommener Männlichkeit, sein weibliches Geschlecht, weibliche Züge körperlicher oder psychischer Art, seine Eltern, die Heredität, zuweilen auch nur Lieblosigkeit, schlechte Erziehung, Mangel in der Kindheit etc., beschuldigen. Und seine Neurose, das heisst in unserem Sinne: Die Verschärfung seiner Bereitschaften auf analogischer, kindlicher Grundlage, seine symbolisch gewordenen Gedanken, Empfindungs- und Erfolgsbereitschaften als Ausdrucksmittel werden in Aktion treten, sobald der

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Alfred Adler: Über den nervösen Charakter. J.F. Bergmann, Wiesbaden 1912, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AdlerNervoes1912.djvu/27&oldid=- (Version vom 31.7.2018)