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ähnlichen Fällen findet man den Glauben an die Macht des Phallus ganz wie in den antiken Religionskulten als männliches Machtbewusstsein konstruiert, und auf diese Art das Persönlichkeitgefühl gesichert. Auch narzissistische Züge sind regelmässig beigemengt, so dass in diesen Fällen die Attitude der Sieghaftigkeit, begleitet von Koketterie, von Unfähigkeit an eine Absage zu glauben, dem Beobachter besonders ins Auge fällt. — Bei schamlosen Mädchen tritt dieser Zug als ungewöhnlich noch deutlicher hervor. In Worten, in der Kleidung, im Betragen, zuweilen nur in Kleinigkeiten, zuweilen zotenhaft oder in Form der Koprologie demonstrieren sie ihre schlechte Einfügung, ihre Unzufriedenheit mit der weiblichen Rolle. Die Operationsbasis ergibt sich für beide Geschlechter dann in der Weise, dass jedes vom anderen die Anerkennung oder eine übertriebene Folgsamkeit verlangt. In der Analyse solcher neurotischer Mädchen, zuweilen nur in ihren Träumen und Symptomen findet man die kindliche Erwartung einer Verwandlung ins männliche Geschlecht, sonst durchgängig als versuchten Ersatz den Willen zur Macht, den Wunsch, oben zu sein. Treffen zwei Personen dieser Art zusammen, so ergibt sich nicht selten, dass die verstärkte männliche Leitlinie des einen nach Art eines Wunders, eines Talismans auf die weibliche Person vorläufig wirkt, weil auch in ihrem Leitziel der Wunderglaube an die Männlichkeit und an ihre Zauberkraft enthalten ist. So wird oft beiden die Erfüllung eines Schicksals, das zufällig scheint, durch die inhärente Kraft ihrer Persönlichkeitsidee aber gegeben ist. — Öfters findet man schamloses Gebaren bei nervösen Mädchen als Antizipation ihrer fiktiven Erwartung; sie benehmen sich so, als ob sie ein Knabe, ein Mann wären, zeigen sich nackt oder erleben in nervösen Symptomen, Träumen und Phantasien ihre männliche Wiederkunft. Vielfach beobachtet man bei solchen Patientinnen den Versuch, die Zaubermacht des Phallus unter Formenwandlung der Fiktion anderen Körperteilen, z. B. den eigenen Händen, Füssen, Brüsten zuzuteilen, die so ins Männliche gerückt als Fetische in besondere Gunst genommen werden und eine narzissistische Verehrung geniessen, wie oft auch das Genitale oder der ganze Körper. Dieser Fetischismus überträgt sich fast regelmässig auf die Kleidungsstücke und macht einen grossen Teil der Zauberkraft der Mode aus, von der wir demnach annehmen müssen, dass sie wie der Fetischismus selbst als Ersatz einer verloren geglaubten, immer wieder zu suchenden Männlichkeit mit ihrer grösseren Einflusssphäre anzusehen ist.

Ebenso wie die Schamlosigkeit ist die prinzipielle neurotische Untreue mancher kranken Patientinnen nach dem übertriebenen, apperzipierten männlichen Ebenbild gemacht. Sie deutet uns einen der Wege an, die durch das männliche Endziel erzwungen werden, ist wie viele der neurotischen Charakterzüge oft nur ideell, Stimmungs- oder Weltanschauungssache (Marczinowsky), oder reicht nur bis zu jener Grenze, wo die Realität der weiblichen Rolle beginnt. Viel häufiger findet man als Sicherung in der Furcht vor dem Manne die Tugend der Treue. Phantasien von Untreue, zuweilen bis zu halluzinatorischer Stärke oder in Träumen ergeben sich manchmal bei starker wirklicher oder angenommener Unterdrückung durch den Mann, in der Weise von Rachegedanken, oder um grössere Sicherungen in der eigenen Sphäre, auch durch Heranziehung und stärkere Unterwerfung des Mannes durchzuführen. Prostitutionsphantasien deuten in diesen Fällen die neurotische,


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Alfred Adler: Über den nervösen Charakter. J.F. Bergmann, Wiesbaden 1912, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AdlerNervoes1912.djvu/174&oldid=- (Version vom 31.7.2018)