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Oft ist der Stolz des Patienten so gross, dass er selbst seiner Eifersucht nicht gewahr wird. Gemäss unserer Anschauung ergibt sich als Lösung dieser psychischen Konstellation, dass der männliche Protest neben anderen Wirkungen auch die Verdrängung der Eifersucht herbeiführt, um das Persönlichkeitsgefühl nicht sinken zu lassen. Die Konsequenz dieser Verdrängung ist gering, höchstens dass Patient in unklare Situationen gerät. Im allgemeinen aber handelt er so, als ob er eifersüchtig wäre, und dies oft mit solcher Deutlichkeit, dass es jeder weiss, nur der Patient es nicht wahrnimmt. Zuweilen allerdings maskiert sich diese Eifersucht mit Depression, Kopfschmerz, Flucht in die Einsamkeit etc. —

Ich will noch den Traum eines Patienten folgen lassen, der wegen Depression und Gesellschaftsangst in meine Behandlung kam, weil er in der vom Patienten vorgenommenen teilweisen Deutung viele der eben beschriebenen Punkte aus dem Wettlauf eines Neurotikers mit seinem älteren Bruder aufweist.

„Es war mir, als ob ich mit meinem Bruder Josef eine Wette abgeschlossen hätte, früher an einem bestimmten, im Traume nicht gekennzeichneten Orte zu sein als er.„

„Ich sah mich nun plötzlich in einem dreiräderigen kleinen Automobil auf der Landstrasse, und bemühte mich, mittelst einer kleinen, schlüsselähnlichen Handhabe, die ich nur zwischen Daumen und Zeigefinger nehmen konnte, das Auto so gut als möglich zu lenken. Ich fuhr sehr unsicher und fühlte mich unbehaglich. Auch auf Seitenwege kam ich, auf denen ich nicht weiter konnte. Die Leute, denen ich begegnete, staunten und lachten. Ich sah mich veranlasst, das Auto auf den Rücken zu nehmen und wieder auf die Landstrasse zurückzukehren. Dort fuhr ich in derselben Weise weiter.“ —

„Plötzlich sah ich mich mit meinem dreiräderigen Vehikel in einem Zimmer eines Wirtshauses, das mir wohl bekannt war und auf einem nahen Berge meines Heimatsortes liegt. Mein Auto schob ich jetzt in eine Ecke und bekümmerte mich nicht mehr um dasselbe. — In demselben Lokal war mein Bruder schon vor mir angekommen; ausserdem sass dort eine mir gut bekannte, stark verschuldete Familie, bestehend aus Herrn und Frau M. und deren beiden Töchtern. Ich und mein Bruder bekümmerten uns nicht um sie. Da kam Herr M. an unseren Tisch, sprach mit uns, und schliesslich begaben wir uns mit ihm an den Tisch der Familie, was mir aber nicht angenehm war.“

„Der Gedanke einer Wette ist in meinen Gesprächen mit meinem Bruder aufgetaucht. Er gab mir den Rat, mich nicht frühzeitig an jenes leichtsinnige Mädchen zu binden, das ich heiraten wollte, und erzählte mir aus seinem Leben, welch schlimme Folgen dies für einen aufstrebenden Mann haben kann. Ich sah dies ein und versprach, in seinem Sinne handeln zu wollen. Er nahm solche Versprechungen immer sehr ungläubig auf. Dies reizte mich zu einer Wette. In früheren Jahren, als ich noch nichts von dem wusste, was er tief in seinem Innern mit sich trug, da erschien er mir als ein Vorbild, und ich wetteiferte, in bezug auf Charakter, Denkungsart, Auftreten so zu werden wie er. Jetzt sehe ich, dass ich in Vielem nicht so sein darf wie er, um nicht auf ebensolche Wege zu kommen.“

„Mit einem Auto kann man sein Ziel früher erreichen als zu Fusss. Dieses Auto jedoch stellt offenbar das Weib dar, an das ich mich gekettet

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Alfred Adler: Über den nervösen Charakter. J.F. Bergmann, Wiesbaden 1912, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AdlerNervoes1912.djvu/171&oldid=- (Version vom 31.7.2018)