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in die Ehe unmöglich macht. Die Überzeugung, dass Patientin nur gezwungen zum Arzt gekommen war, eine Heilung gar nicht anstrebte, vielmehr bloss den Beweis der Unheilbarkeit verlangte, ergab sich demnach von selbst. Einer ihrer Träume zeigt vieles aus dieser Konstellation. Er lautete:

„Es kommt ein Arzt zu mir, der mir sagt, ich möge, wenn mir Gedanken über das Sterben kommen, springen und singen. Dann würden die Gedanken verschwinden. Dann wird ein Kind (zögernd) — ein grösseres — gebracht. Es hat Schmerzen und weint. Es bekommt eine Medizin, damit es sich beruhigt und einschläft.“

Der Arzt im Traume hat sie einmal behandelt, als sie als Kind an Scharlach erkrankt war. Im Traume spricht er in Worten, die sie während ihrer gegenwärtigen Erkrankung von ihren Angehörigen und von Ärzten immer wieder gehört hat. Er gibt ihr Ratschläge wie einem Kinde, die alle nichts nützen. Diese Gedanken zielen auf mich und drücken die Erwartung aus, auch meine Mittel würden nichts nützen. Selbstverständlich ist dieser Traum in einer Nacht geträumt, in der sie geschlafen hat, — zum ersten Male nach einer längeren Periode der Schlaflosigkeit. Da Patientin darin einen teilweisen Erfolg der Behandlung sieht, reagiert sie mit stärkerer Aggression: auch meine Mittel taugen nichts. Denn: - - -. Die zweite Szene ist die Umschreibung einer Geburt. Die zögernde Hervorhebung der „Grösse“ des Kindes zeigt, wo die Gedanken der Träumerin weilen: bei einem kleinen Kind, bei einem Neugeborenen. Der Ausdruck: ein Kind wird gebracht (ergänze: zur Welt) ist der Vorstellung vom Gebären entnommen und deckt diese in der skizzenhaften Darstellung des Traums. Das Pulver, welches das Kind bekommt, ist das Schlafpulver der Patientin aus einer früheren Behandlung, ein Hinweis, dass auch die Schmerzen zur Patientin, das heisst zum Gebären gehören. Mit anderen Worten drückt hier die Patientin aus: ich kann nicht schlafen, weil ich an das Gebären mit seinen Schmerzen denke. Gebären, Schmerzen, Sterben, darin sieht sie ihr sicheres Schicksal, deshalb denkt sie an das Sterben, um nicht gebären zu müssen.

Die übertriebene Sicherung gegen das Gebären ist ein Formen- und Intensitätswandel ihrer männlichen Fiktion. Sie betritt, um sich vor der weiblichen Rolle zu sichern, den neurotischen Umweg, fixiert unter antizipierender Tendenz den Gedanken an das Gebären und Sterben als Memento und will lieber ein Kind sein, ein Pulver bekommen, als psychotherapeutisch geheilt zu werden. Denn ihre Heilung bedeutet die Einordnung in die weibliche Rolle. Nun wendet sich der Kampf in verschärfter Tendenz gegen den Arzt, der die Schlaflosigkeit heilen will. Sie muss ihm überlegen bleiben, muss ihn Unsinn reden lassen, und ihm diktieren, dass er sie so behandle, wie sie als Kind, — mit einem Medikament, — behandelt wurde. Die Zwangsneurose stellt ihre sichernde Privatphilosophie von der Eitelkeit alles Seins vor.

Man gewinnt bei unserer Art der Neurosenpsychologie immer den Eindruck, dass die neurotische Geberde, die eben in Sicht kommt, präzise auf das Finale, auf den fiktiven Endzweck gerichtet ist, etwa wie wenn man auf einem Film des Kinematographen eine der mittleren Aufnahmen untersucht. Die Aufgabe besteht nun darin, diese Geberde, eben die Symptome, Bereitschaften und Charakterzüge zu erkennen und ihr Ziel begreifen zu lernen. In jeder neurotischen Attitude liegt der

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Alfred Adler: Über den nervösen Charakter. J.F. Bergmann, Wiesbaden 1912, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AdlerNervoes1912.djvu/162&oldid=- (Version vom 31.7.2018)