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„sensibilisiert“, wie ein Vorposten vorgeschoben, und stellt die Fühlung mit der Umgebung, mit der Zukunft her. Die Kenntnis dieser, wie empfindliche Fühler sich weit erstreckenden psychischen Bereitschaften ermöglicht erst das Verständnis für den Kampf des Nervösen mit seinem Schicksal, für seinen gereizten Aggressionstrieb, für seine Unruhe und für seine Ungeduld. Denn diese Fühler tasten alle Erscheinungen der Umgebung ab und prüfen sie unaufhörlich auf ihre Vor- und Nachteile bezüglich des gesetzten Zweckes. Sie schaffen das verschärfte Messen und Vergleichen, wecken mittelst der in ihnen tätigen Aufmerksamkeit Furcht, Hoffnung, Zweifel, Erwartung aller Art und suchen die Psyche vor Überraschungen und vor einer Minderung des Persönlichkeitsgefühls zu sichern. Sie stellen die periphersten motorischen Vorbereitungen vor, immer mobil, immer fertig, einer Herabsetzung der Person vorzubeugen. In ihnen wirken die Kräfte der äusseren und inneren Erfahrung, sie sind mit den Erinnerungsspuren schreckender und tröstender Erlebnisse vollgefüllt und haben das Gedächtnis an sie in Fertigkeiten umgewandelt. Kategorische Imperative zweiten Ranges, dienen sie nicht zu ihrer eigenen Durchsetzung, sondern letzter Linie, um die Persönlichkeit zu heben. Und sie versuchen dies, indem sie es ermöglichen, in der Unruhe und Unsicherheit des Lebens Leitlinien zu finden, das Rechts und Links, das Oben und Unten, das Rechte und Unrechte zu schaffen und zu scheiden. Die verschärften Charakterzüge sind schon deutlich in der neurotischen Disposition vorzufinden, wo sie zu Sonderbarkeiten und Verschrobenheiten Anlass geben. Sie treten noch deutlicher hervor, wenn nach einer stärkeren Herabsetzung oder nach einem auftauchenden Widerspruch im männlichen Protest die Sicherungstendenz weiterschreitet und gleichzeitig Symptome als neue wirksame Kunstgriffe ins Leben ruft. Sie sind vielfach nach Mustern und Beispielen gearbeitet und haben die Aufgabe, den Kampf um das Persönlichkeitsgefühl in jeder neuen Lage einzuleiten und siegreich zu gestalten. In ihrem Wirken ist der Anlass zur Affektsteigerung gelegen und zur Erniedrigung der Reizschwelle gegenüber dem Normalen. Es ist selbstverständlich, dass auch der neurotische Charakter sich aus ursprünglich vorhandenem Material, aus psychischen Regungen und verändernden Erfahrungen der Organfunktionen aufbaut. Neurotisch werden alle diese an die Aussenwelt anknüpfenden psychischen Bereitschaften erst, wenn innere Not die Sicherungstendenz steigert und diese die Charakterzüge wirksamer ausgestaltet und mobilisiert, wenn der fiktive Zweck des Lebens dogmatischer wirkt und damit auch die den Charakterzügen entsprechenden sekundären Leitlinien verstärkt. Dann beginnt die Hypostasierung des Charakters, seine Umwandlung aus einem Mittel zu einem Zweck führt zu seiner Verselbständigung, und eine Art von Vergöttlichung verschafft ihm Unabänderlichkeit und Ewigkeitswert. Der neurotische Charakter ist so unfähig, sich der Wirklichkeit anzupassen, denn er arbeitet auf ein unerfüllbares Ideal hin; er ist ein Produkt und Mittel der vorbauenden Psyche, die seine Leitlinie verstärkt, um sich eines Minderwertigkeitsgefühls zu entledigen, ein Versuch, der infolge innerer Widersprüche oder an den Schranken der Kultur scheitern muss, oder am Rechte der Anderen. Wie die tastende Geste, wie die rückwärts gewandte Pose, wie die körperliche Haltung bei der Aggression, wie die Mimik als Ausdrucksformen und Mittel der Motilität, so dienen

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Alfred Adler: Über den nervösen Charakter. J.F. Bergmann, Wiesbaden 1912, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AdlerNervoes1912.djvu/15&oldid=- (Version vom 31.7.2018)