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mir während der Behandlung mitteilte, ergab sich unter anderem, dass sie mit ihrer ganzen Umgebung in Unfrieden lebte, dass sie den Mann vollkommen beherrschte, dass sie die Kleinstadt hasste und einer Freundin gegenüber sexuell und psychisch den Mann spielte. Ihre Furcht vor Kindersegen war ungeheuer, der Sexualverkehr unerträglich, weil ihr der Mann zu schwer erschien. Als letzterer sie einmal während der Kur besuchte, träumte sie Tags vorher Folgendes:

„Mir war, als ob das ganze Zimmer in Feuer gehüllt wäre.“

Sie gab spontan an, dass dies ein typischer Traum sei, der fast regelmässig zur Zeit der Periode wiederkehrte. Diesmal war noch lange Zeit bis zu ihrem Termin. Der Traum liess sich deutlich als Versuch erkennen, eine weibliche Situation, — die Menstruation — zum männlichen Protest, — Verweigerung des Sexualverkehrs — zu verwenden. Ein tieferes Eindringen, das sicherlich kindliche Enuresis aufgedeckt hätte (Feuer — Myom, siehe „Studie“, Anhang), war durch die Unterbrechung der Behandlung verhindert. Ich bekam noch einen Brief, der Versicherungen enthielt, Patientin wolle nunmehr mit ihrer Umgebung in meinem Sinne Frieden schliessen. Ich meine, dass ihr dies noch recht schwer gefallen sein mag. —

Trotz, Wildheit, Ungeberdigkeit können in gleicher Art dem Beweise dienen, den Patientinnen suchen, um ihre geringe Eignung für die weibliche Rolle darzutun. Die Vorbereitungen beginnen schon in früher Kindheit und führen allmählich zu physischen und psychischen Gewandtheiten in Geberde, physiognomischem Ausdruck, Affektbereitschaft und Mimik, während der Charakter sich nach der ideellen Leitlinie psychisch ausgestaltet und vorbauend, vorausfühlend die Stellungnahme des Patienten einleitet. In vielen Fällen findet man diese Züge geradlinig ausgesprochen, und sie dienen direkt zur Darstellung des männlichen Protestes. Oder es erfolgt der Formenwandel der leitenden Fiktion, sei es wegen auftauchender Widersprüche in der Leitlinie, im Falle einer wirklichen oder drohenden Niederlage, sei es, — was sich gewöhnlich damit deckt, durch einen als unüberwindlich gewerteten Widerstand der Realität. Unter Arrangement der sichernden Angst oder des sichernden Schuldgefühls oder sichernder gegenteiliger Züge (Dissoziation der Autoren) erfolgt dann die Abbiegung auf den neurotischen Umweg. Aber die Bereitschaften bleiben bestehen. Nur dass die neurotische Vorsicht die Abbiegung unter den Sicherungen der Angst, des Schuldgefühles, des Anfalles einleitet, wenn der Patient mit der ursprünglich hergestellten Affektbereitschaft (der Wut, des Jähzorns, der Aggression) antworten sollte. Häufig findet man tendenziös gruppierte Erinnerungen an Masslosigkeiten, Gedanken und Erinnerungen, Vorspiegelungen, als sei man grenzenlos begehrlich, sinnlich, dämonisch, verbrecherisch, zuweilen auch offensichtlich arrangierte Unbesonnenheiten und Unfälle, die als Memento der Vorsicht die Wege weisen. Oder der Abbruch der geradlinigen männlichen Aggression geschieht immer wieder knapp vor der Entscheidung, wodurch sich viele neurotische Liebesbeziehungen auszeichnen oder erklären. Auch in perverser Richtung kann bei diesen die Abbiegung unter dem Einfluss der Sicherungstendenz erfolgen, oder die Richtungslinie führt bis in den Schutz des Vaters, der Mutter, Gottes, des Alkoholismus oder einer Idee. Versuche mit weiblichen Mitteln nach Oben zu kommen, wenigstens alle Frauen zu übertreffen, führen zu übertriebener Reinlichkeit, zur „Putzkrankheit“,

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Alfred Adler: Über den nervösen Charakter. J.F. Bergmann, Wiesbaden 1912, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AdlerNervoes1912.djvu/141&oldid=- (Version vom 31.7.2018)