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Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus

Befreiung von dem Vampyr erfolget, und den Beunruhigten Ruhe verschaffet, und also die Einbildung durch eine stärkere Einbildung getheilet wurde, o)[1] Allein diese schreckliche Mishandlungen an den Körpern der Verstorbenen, die die vorigen Zeiten beflecket haben, werden in unsern Tagen nicht mehr gestattet, die

  1. o) Was Einbildung! saget Hr. Thomas Dubius, das ist zum Lachen. Glauben sie nicht, daß es Einbildung sey. Ich war in Ungarn, und meine Ohren sausen allezeit von dem türkischen Alla! Alla! So oft ich an die unglückliche Schlacht bei Panzowa denke. Aber von den Vampyrn hab ich reden wollen, nicht wahr? Nun wohl vier Stund davon, von Panzowa meine ich, wo die Schlacht geschehen. Sehen sie hier die Schramme. Es war ein gefährliche Wunde. Ein türkischer Aga hat mir diesen ewigen Kalender geschenkt. Aber aufs a propo zu kommen. Der Name des Dorfs fällt mir nicht mehr bei, dort sahe ich etliche Executions mit den verfluchten Vampyrn. Man schlug ihnen den Pfahl durch das Herz, und das Blut floß so hell hervor, als selbes aus meiner Blessur geflossen ist. Ich hab von Vampyrn beängstigte Leute gesehen, und sie sahen blasser aus als mein Uniform. Sie müssen zum Erstaunen gemartert werden. Auch etliche gerichtliche Processe hab ich gelesen, auch etliche alte Auctors, die davon handelten, aber keinen neuen nicht, die davon schrieben, ich mag auch keinen lesen: denn

    Ich glaube, was ein Alter schrieb:
    Den Augen schadet vieles Lesen;
    Und das Paar Augen ist mir lieb.

    Erlauben sie mir mein Herr, daß ich ihnen antworten darf, sie können hernach gleichwohl lesen und glauben, was sie wollen. Ich sage ihnen also 1) daß die Begebenheiten mit den Vampyrn, die sich unter dem Pöbel verbreitet, der Glaubwürdigkeit nicht würdig seyen. Noch weniger ist auf die Processe, und Rechtsformalitäten zu halten, bei einer Materie, die in das Fach der Weltweisheit gehöret. Man hat schon geglaubt, daß es Vampyrn gebe, ehe man die Untersuchung angefangen, ob ein Vampyr sey. Ein schönes Beispiel von der Gültigkeit dergleichen Processe könnten ihnen auch die Hexenprocesse geben. Es kann 2) natürlich seyn, daß die verscharrten Körper flüßiges Blut von sich geben. Es sind Gegenden, die den Körper frisch und gesund erhalten, und zu Toulouse in dem Franciscanerkloster ist eine Höhle, wo die Körper nach zweyhundert Jahren in ihrer Vollkommenheit gefunden werden. Durch die Höhe der Sonne, und durch die empfindlichste Hitze bei Tag können die salpetrischen und schweflichten Theil, welche sich in der Erde, den Körper zu erhalten, befinden, erwärmet werden, und die Theile, welche in dem eingescharrten Körper sind, werden zu Gährung gebracht, und daß geronnene Blut lauft nach und nach durch die Kanäle. Die kalte Nächt, und der Luft in Ungarn tragen ebenfalls nicht wenig bei, und wären ihnen ihre Augen nicht zu lieb, so wollte ich ihnen anrathen, hievon des Hrn Gömory Tentamen de indole aeris Hungarici zu lesen, c. 2. §. 20. wurden sie schöne Sachen finden. Es kann 3) die Furcht ausgesogen zu werden, die die Einbildung erreget, und die der Mensch unterhält, selben alle Farbe, und das Leben rauben. Diese Furcht isset, trinket, gehet, handelt, und schläft mit einem solchen Menschen. Die Einbildung ist auch im Schlafe munter, und stellet ihm Gespenster vor, die ein Unding sind, und diese starke Einbildung ist sehr leicht im Stande, dem Menschen nebst der natürlichen Farbe das Leben zu benehmen. Sie verzehrt den Leib, wie die Motten das Gewand, jaget das Blut in das beängstigte Herz, und ruffet den Tode: denn Kircherus und Hellmontius Tractat. de Peste halten dafür, daß von der Einbildung vor der Pest, die Pest bei einigen entstanden seye, und daß oft eine epidemische Krankheit der Einbildung und dem Bilde des erschrockenen Orchäus (oder Werkmeister der Lebensgeister, der alle Verrichtung thut, wie Hellmontius sich ausdrücket) zuzuschreiben seye. Genug! daß bei unsern ausgeheiterten Zeiten die Meinung von dem Daseyn der Vampyrn so abgenützet ist, daß sich jeder Gelehrter mit dieser so sehr als ein Petit Maitre mit einem altfränkischen Bilde schämen wurde, gleichwie ich aber ihnen nicht befehlen kann, was für ein Kleid sie tragen sollen, so kann ich sie auch nicht heissen, was sie glauben sollen, auch nicht verlangen, daß sie lesen sollen, ihre Augen sind ihnen und mir zu lieb.

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Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus. , Augsburg 1768, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Abhandlung_des_Daseyns_der_Gespenster.djvu/124&oldid=- (Version vom 14.2.2021)