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Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus

manchmal Hirten und Holzschläger ihren Weg dadurch nehmen, welche nicht allein oft bei Nachtzeit in die Irre geführet, sondern auch wohl gar mit derben Maulschellen versehen, oder sonst durch unsichtbare Gewalt übel sind zugerichtet worden. Die Herrschaft hielt daher für rathsam, daß die Knochen wieder in den vorigen Brunnen geworfen, das Schloß aber, welches ohnedem sehr baufällig war, größtentheils niedergerissen, und der Zugang zu demselben vermauret würde. Hierbei ist dieses noch sonderlich zu verwundern gewesen, daß, da man die besten Steine davon hat wegbringen wollen, der Geist mit so heftigen Wüthen und Werfen sich widersetzet hat, daß die Arbeitsleute unverrichteter Sachen haben abziehen müssen. Die ganze Geschichte befindet sich in dem Archiv einer gewißen vornehmen Familie, weil aber so groß Verbrechen nach vielen Jahren den Nachkömmlingen zu einiger Beschimpfung hätte gereichen können, so hat man den Namen derselben mit Stillschweigen übergangen.

Ich bin recht müde von Abschreibung dieser langen Geschichte, von welcher man in Tuln nur so viel weis, daß es eine Sache der Leichtgläubigen seye. Und wer soll glauben, daß GOtt ein beständiges Wunder in dem alt zerfallenen Schlosse wirke, da er der Seele der verdammten Ehebrecherinn alle Montage die Gewalt und die Kräften ertheile, durch ein Getöse und Gepolter sich hören zu lassen, und in einem aus Luft gestalteten Leibe in dem Schlosse herum zu laufen? Man saget freilich, es geschehe öfters, daß zur größerer Peyn und Strafe aus gerechtem Urtheile GOttes einige verdammte Seelen an jenen Orten sich aufhalten, und erscheinen müssen, wo sie ihre sündliche Muthwillen verübet haben. Allein sollten sie sich nicht vielmehr sichtbar demjenigen darstellen, mit dem sie gesündiget haben, zu ihrer und des Mitsünders größter Strafe? Und warum strafet GOtt durch dieses Urtheil

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Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus. , Augsburg 1768, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Abhandlung_des_Daseyns_der_Gespenster.djvu/114&oldid=- (Version vom 14.2.2021)