Seite:Abhandlung des Daseyns der Gespenster.djvu/098

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus

das Gespenst verschwunden ist. Folgenden Tags zeigt er den ganzen Verlauf der Sache dem Rath an, und bath den Ort aufzugraben. Man grabet, und findet einige toden Beiner, die mit Ketten gefässelt waren. Sie wurden auf gemeine Kösten begraben; und von selber Stunde ward das Haus frei und wohnbar.

So glanzend und so stark den Geisterfreunden dieser Beweis scheinet, so schwach und so dunkel machen ihn die Worte, welche Plinius dieser Geschichte anhanget, wie ich es bekommen, saget er: so erzähle ich es. Diese Worte, welche nur eine gemeine Sache anzeigen, lassen die Geister-Vertheidiger beflissentlich weg, damit man nicht merken solle, daß Plinius selbst für die Wahrheit derselben nicht will Borge seyn. Ich glaube nicht, daß man zu Entkräftung dieser Geschichte und dieses Beweises mehrer sagen darf, als was Plinius schon gesagt habe, und durch dieses habe sagen wollen. Ich will aber zum Ueberfluß noch einige Anmerkungen derselben beisetzen, welche den aus dieser Geschichte aufgeführten Beweis vollkommen zu Boden schlagen werden. Ich habe oben schon angemerket, daß ich auch aus dieser Ursache die Geschichte des Brutus in Zweifel ziehe, weil Brutus so frei ohne Schrecken und Furcht mit seinem erscheinenden Gespenste gesprochen hat. Aus eben dieser Ursache scheinet mir auch das herzhafte Betragen des Weltweisen unwahrhaftig zu seyn. Er schreibet, er siehet das fürchterliche Gespenst. Er fährt fort ohne sich hindern zu lassen. Er folget demselben nach. Er ruffet keinen von seinen Dienern etc. Wem soll die Herzhaftigkeit nicht unglaubbar vorkommen? Ich bitte jeden von meinen Lesern sich in seinen Gedanken an die Stelle dieses Weltweisen zu setzen, und sich selbst zu fragen: ob er bei diesen Umständen so viel Muth bei sich finden würde.

Empfohlene Zitierweise:
Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus. , Augsburg 1768, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Abhandlung_des_Daseyns_der_Gespenster.djvu/098&oldid=- (Version vom 12.12.2020)