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in der vielsprachigkeit des materials entgegen. Dazu kommt ausserdem die in manchen ländern herrschende sitte die volksmärchen im dialekt zu veröffentlichen, was dem fremden die verwendung derselben natürlich noch mehr erschwert. Aus der unkenntnis der sprache erklärt es sich z. b., dass die westeuropäischen forscher fast regelmässig die finnischen (ca. 20.000) und russischen varianten unbeachtet lassen, die trotzdem sowohl wegen ihrer zahl als ihrer beschaffenheit besonderer berücksichtigung wert sind. Als proben russischer märchen benutzt man eine solche beinahe hundert jahre alte sammlung wie Dietrichs „Russische Volksmärchen“ (Leipzig, 1831) oder Ralstons „Russian folktales“ (London, 1873), und die finnischen märchen, die allerdings grossenteils nur handschriftlich vorliegen, sind überhaupt nicht bekannt. Viel material entgeht auf diese weise dem märchenforscher. Im höchsten grade wünschenswert wäre es, dass der märchenschatz der verschiedenen völker allen forschern als gemeinsamer besitz leicht zugänglich gemacht würde.

Erwähnt sei hier noch eine reichhaltige materialsammlung, von deren existenz man bisher noch nicht viel gewusst hat, nämlich die handschriftlichen sammlungen des jüngst verstorbenen estnischen gelehrten dr. J. Hurt, die ca. 10.000 estnische märchen enthalten. Die sammlungen befinden sich zur zeit in Helsingfors, wo sie vorläufig aufbewahrt werden.

Die zu meiner untersuchung erforderliche literatur habe ich erhalten von der Helsingforser Universitätsbibliothek, von der Kaiserlichen Öffentlichen Bibliothek und der Bibliothek der Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg, der Öffentlichen Rumjantzoffschen und der Universitätsbibliothek zu Moskau und aus prof. Kaarle Krohns privatbibliothek. Auch die handschriftlichen sammlungen der Finnischen Literaturgesellschaft habe ich ausgiebig benutzen können.

Ich beabsichtigte meine untersuchung anfänglich in finnischer sprache zu veröffentlichen und widmete mich dementsprechend der sammlung des materials. Die arbeit war im manuskript schon fast abgeschlossen, als ich mich dafür entschied sie auf deutsch herauszugeben.

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Antti Aarne: Vergleichende Märchenforschungen. Société Finno-ougrienne, Helsingfors 1908, Seite V. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aarne_Vergleichende_M%C3%A4rchenforschungen.djvu/7&oldid=- (Version vom 31.7.2018)