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Hans Scholl, Alexander Schmorell: Flugblätter der Weissen Rose I

Hindert eine Staatsverfassung, dass alle Kräfte, die im Menschen liegen, sich entwickeln; hindert sie die Fortschreitung des Geistes, so ist sie verwerflich und schädlich, sie mag übrigens noch so durchdacht und in ihrer Art noch so vollkommen sein. Ihre Dauerhaftigkeit selbst gereicht ihr alsdann vielmehr zum Vorwurf, als zum Ruhme - sie ist dann nur ein verlängertes Uebel; je länger sie Bestand hat, umso schädlicher ist sie.

… Auf Unkosten aller sittlichen Gefühle wurde das politische Verdienst errungen und die Fähigkeit dazu ausgebildet. In Sparta gab es keine eheliche Liebe, keine Mutterliebe, keine kindliche Liebe, keine Freundschaft - es gab nichts als Bürger, nichts als bürgerliche Tugend.

… Ein Staatsgesetz machte den Spartanern die Unmenschlichkeit gegen ihre Sklaven zur Pflicht; in diesen unglücklichen Schlachtopfern wurde die Menschheit beschimpft und misshandelt. In dem spartanischen Gesetzbuche selbst wurde der gefährliche Grundsatz gepredigt, Menschen als Mittel und nicht als Zwecke zu betrachten - dadurch wurden die Grundfesten des Naturrechts und der Sittlichkeit gesetzmässig eingerissen.

… Welch schöneres Schauspiel gibt der rauhe Krieger Cajus Marcius in seinem Lager vor Rom, der Rache und Sieg aufopfert, weil er die Tränen der Mutter nicht fliessen sehen kann!"

"… Der Staat (des Lykurgus) könnte nur unter der einzigen Bedingung fortdauern, wenn der Geist des Volks stillstünde; er konnte sich also nur dadurch erhalten, dass er den höchsten und einzigen Zweck eines Staates verfehlte."


 Aus Goethe "Des Epimenides Erwachen", zweiter Aufzug, vierter Auftritt:

 Genien
 
Doch was dem Abgrund kühn entstiegen,
Kann durch ein ehernes Geschick
Den halben Weltkreis übersiegen,
Zum Abgrund muss es doch zurück.
Schon droht ein ungeheures Bangen,
Vergebens wird er widerstehn!
Und alle, die noch an ihn hangen,
Sie müssen mit zu Grunde gehn

 Hoffnung

Nun begegn' ich meinen Braven,
Die sich in der Nacht versammelt
Um zu schweigen, nicht zu schlafen,
Und das schöne Wort der Freiheit
Wird gelispelt und gestammelt,
Bis in ungewohnter Neuheit
Wir an unsrer Tempel Stufen
Wieder neu entzückt es rufen:
 (Mit Ueberzeugung laut:)
Freiheit!
 (gemässigter:)
 Freiheit!
 (von allen Seiten und Enden Echo:)
 Freiheit!

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Empfohlene Zitierweise:
Hans Scholl, Alexander Schmorell: Flugblätter der Weissen Rose I. München 1942, Rückseite. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:1._Flugblatt_der_Wei%C3%9Fen_Rose._Seite_2.webp&oldid=- (Version vom 5.1.2025)