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cm, also jedenfalls nicht eine beliebig kleine Grösse, sondern eine untere Grenze.

Die Frage, ob neben der scheinbaren Masse eines Ions auch noch eine wirkliche Masse desselben besteht, ist ausserordentlich wichtig; denn man berührt damit die Frage nach dem Zusammenhang der ponderablen Materie mit dem Äther und der Elektrizität. Ich bin weit entfernt, eine Entscheidung geben zu können; aber ich möchte hier doch einige Fragen anführen, deren Erledigung möglicherweise auch in jener Frage weiter führen kann.

Die erste Frage ist die, ob ein Ion in einem Magnetfelde rotiert. Eigentlich sollte man das erwarten. Denn ist ein Ion vorhanden, und es wird ein magnetisches Feld hervorgerufen, so wird, wie sich leicht aus der Entstehung von Induktionsströmen ableiten lässt, eine Rotation entstehen. Natürlich wird das ebenso der Fall sein, wenn das Ion in ein schon bestehendes magnetisches Feld hineinfliegt. Die Geschwindigkeit dieser Rotation wird von der Grösse der Masse abhängen; wenn nur scheinbare Masse vorhanden ist, und auch nur ein dieser entsprechendes Trägheitsmoment, so wird die Rotationsgeschwindigkeit einen bestimmten Wert haben. Kommt aber ein wirkliches Trägheitsmoment hinzu, so wird die Rotation langsamer werden. Leider habe ich keine Erscheinung finden können, aus der man irgend etwas über diese Rotation schliessen könnte.

Ein zweites Mittel, wodurch man die Frage nach dem Verhältnis zwischen der scheinbaren und wirklichen Masse vielleicht entscheiden könnte, ist folgendes:

Der Wert für die scheinbare Masse steht oben nur in erster Annäherung. Falls die Geschwindigkeit eine solche ist, dass sie mit der Lichtgeschwindigkeit vergleichbar ist, so kommen noch weitere Glieder hinzu. Bei geradliniger Bahn des Ions kann man die Intensität des Feldes und die Grösse der Energie berechnen und daraus auf den Massenfaktor schliessen. Im allgemeinen wird die Bahn durch den Einfluss des Magnetfeldes krummlinig, z. B. kreisförmig werden; es wird dann die Berechnung des Massenfaktors komplizierter, doch lässt sie sich durchführen. Wenn man mit obigen Ausdruck bezeichnet und für das Verhältnis der Geschwindigkeit des Ions zu der des Lichtes setzt, so ergiebt sich in zweiter Annäherung für die scheinbare Masse des Ions bei geradliniger Bewegung:

während bei kreisförmiger Bewegung das Glied mit einen anderen Koeffizienten erhält.

Diese Glieder zweiter Ordnung, könnten nun vielleicht merklich werden, denn die Geschwindigkeit der Kathodenstrahlen steigt bis auf ein Dritteil derjenigen des Lichtes; es wird dann also und . Um zur Entscheidung zu kommen, könnte man an Versuche denken, wie sie Lenard gemacht hat, um den Einfluss elektrischer Kräfte auf die Geschwindigkeit der Kathodenstrahlen zu untersuchen. Er hat gezeigt, dass die magnetische Ablenkbarkeit der Kathodenstrahlen, die ja um so kleiner ist, je grösser die Geschwindigkeit ist, sich ändert, wenn man die Strahlen den Raum zwischen zwei geladenen Kondensatorplatten in Richtung der elektrischen Kraftlinien durchlaufen lässt.

Man könnte nun die magnetische Ablenkbarkeit messen für den Fall des ungeladenen Kondensators, dann für den Fall der Ladung in der einen Richtung und dann für den in der anderen Richtung. Man würde so drei verschiedene Werte der Ablenkbarkeit bekommen, zwischen denen eine einfache Relation bestehen müsste, wenn die Glieder zweiter Ordnung vernachlässigt werden dürften. Misst man jedesmal die für eine bestimmte Ablenkung erforderliche magnetische Feldstärke, so sollten die Quadrate dieser drei Feldstärken eine arithmetische Reihe bilden. Eine Abweichung von dieser Beziehung würde zeigen, dass die Glieder mit nicht vernachlässigt werden dürfen, und dass also jedenfalls die scheinbare Masse sich bemerklich macht. Genaue Bestimmungen könnten über das Verhältnis zwischen der wirklichen und der scheinbaren Masse, resp. über die Frage, ob eine wirkliche Masse vorhanden ist, entscheiden. Es zeigt sich, dass man bei den Lenardschen Versuchen nahe daran war, über die Existenz der Glieder zweiter Ordnung entscheiden zu können.

(Selbstreferat des Vortragenden.)


Diskussion. (Von den Beteiligten durchgesehen.)

W. Wien. Ich habe mich in der letzten Zeit mit ähnlichen Fragen beschäftigt und möchte hervorheben, dass Lenard Kathodenstrahlen mit kleiner Geschwindigkeit beobachtet hat, die unter dem Einfluss ultravioletten Lichtes ausgelöst waren. Er hat da einen kleineren Zahlenwert für das Verhältnis von Masse zu Ladung gefunden, und zwar liegt die Verringerung in demjenigen Sinne, welchen die Theorie verlangt.

Ich habe versucht, über den Lorentzschen Standpunkt insofern noch hinauszugehen, dass ich mir die Frage vorlegte, ob man nicht überhaupt mit der scheinbaren Masse auskäme und die träge Masse weglassen und durch die elektromagnetisch definierte scheinbare Masse ersetzen könnte, um die mechanischen und elektromagnetischen Erscheinungen einheitlich darzustellen. Denn die magnetischen und mechanischen Erscheinungen sind ja bisher nur durch das Energieprinzip verbunden. Ich habe versucht, die Frage so zu stellen, ob man nicht von der Maxwellschen Theorie aus versuchen könnte,

Empfohlene Zitierweise:
Hendrik Antoon Lorentz: Über die scheinbare Masse der Ionen. Leipzig: S. Hirzel, 1900/1, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_scheinbare_Masse_der_Ionen.djvu/2&oldid=- (Version vom 1.8.2018)