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mag, daß die Räthe jenes Gerichtshofes es nicht sehr übel nehmen, wenn die Parteien durch Bestechung ihre Gunst zu gewinnen suchen. Freilich wäre es gerathen, um einem derartigen Verdachte vorzubeugen, wenn man Schamgefühl genug besäße, es den Parteien gegenüber als ein Geheimniß zu behandeln, wer im Plenum der Referent uber ihren Proceß ist.

§. 22. Fortsetzung. Vollstreckung der Urtheile.

Die Vollstreckung der von den höchsten Gerichten gefällten Urtheilssprüche geschieht in folgender Weise. Zuerst wird dem Verurtheilten unter Androhung einer Strafe von so und so viel Mark reinen Goldes, die theils dem Fiscus, theils der obsiegenden Partei anheim fallen, aufgegeben, sich dem Spruche zu fügen. Macht er Schwierigkeiten, so wird die Strafe auferlegt; fährt er auch dann fort, die Drohung nicht zu beachten, so wird er in die Acht gethan und mit Waffengewalt zum Gehorsam gezwungen. Ist der Verurtheilte Unterthan eines Reichsstandes, so beauftragt man letzteren mit der Vollstreckung des Urtheils; ist er aber selbst reichsunmittelbar, so wird der Kreisoberste oder einer oder der andere von den Ständen des Kreises, dem er angehört, mit der Urtheilsvollstreckung betraut. Wenn ein Kreis zu schwach ist, um den Verurtheilten zu bezwingen, so werden zwei oder drei beauftragt. Im Allgemeinen aber sind derartige Executionen selten, und es ist für Deutschlands Wohl, wie für die ständische Libertät vortheilhafter, wenn Streitigkeiten von großer Bedeutung durch Schiedsrichter beigelegt werden.

§. 23. Die Reichstage.

In Sachen endlich, welche das ganze Reich betreffen, darf der Kaiser nicht allein entscheiden, sondern die Angelegenheit muß auf dem Reichstage, d. h. der Versammlung aller Stände, vorgetragen und dort entschieden werden (Capitulation Leopolds 39, zu Ende). Da dieser Punkt von den deutschen Schriftstellern ziemlich eingehend behandelt zu werden pflegt, so kann ich mich auf das Hauptsächlichste beschränken. Die Berufung des Reichstages steht zwar allein dem Kaiser zu, doch hat er darüber, sowie über Ort und Zeit des Zusammentretens durch Schreiben oder Gesandte die Zustimmung der Kurfürsten einzuholen (Capitulation Leopolds 27). Auch können die Kurfürsten den Kaiser zur Berufung auffordern, wenn der Nutzen des Reiches es zu erfordern scheint. Weil aber die Reichstage mit vielen Kosten für die Stände verbunden sind, so bestimmt der angeführte Artikel der Capitulation Leopolds ausdrücklich, daß der Kaiser nicht durch allzuhäufige unnöthige Reichstage die Stände beschweren solle. Während des Interregnums berufen die Reichsvicare, während einer Abwesenheit des Kaisers der römische König, wenn einer vorhanden ist, den Reichstag. Die Berufung geschieht aber nicht durch einen öffentlichen, allgemeinen Erlaß, sondern durch Schreiben oder gedruckte Briefe an die einzelnen Stände, in Ausdrücken, die mehr eine höfliche Einladung, als eine gebieterische Aufforderung enthalten. Die Berufung geht dem Zusammentritt des Reichstages um sechs Monate voran, damit die Stände über die vorzubringenden Angelegenheiten sich berathen können.

Empfohlene Zitierweise:
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/91&oldid=- (Version vom 1.8.2018)