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Fürsten zu beschränken; endlich weil sie wünschten, Karl von vorn herein darauf hinzuweisen, daß er in Deutschland nicht so herrschen könne, wie er in seinen übrigen Gebieten gewohnt sei. Später hielt man dann an der einmal getroffenen Einrichtung fest, wenn auch keine so zwingenden Gründe vorlagen, schon damit die Nachfolger Karls nicht glauben sollten, sie hätten weiter gehende Befugnisse als er.

§. 2. Das Recht, die Wahlcapitulation zu bestimmen.

Diese Capitulationen sind nun bis jetzt von den Kurfürsten allein,[1] ohne Zuziehung der anderen Stände, dem Kaiser festgesetzt. Doch haben letztere sich bisweilen hierüber beklagt, und im westfälischen Frieden ist bestimmt worden, daß der nächste Reichstag eine immerwährende Wahlcapitulation entwerfen solle, eine Formel,[2] die nach deutschem Style eine Vertagung der Sache für alle Ewigkeit bedeutet. Doch habe ich bei meinem Aufenthalt in Regensburg gehört, man nehme die Sache ernstlich in Betracht, und schon sei eine gewaltige Masse Papier dabei verbraucht. Doch war man dort der Ansicht, die Kurfürsten hätten nichts zu fürchten, da es im Interesse des Kaisers selbst läge, daß die Kurfürsten ihren Vorrang vor den Fürsten behaupteten. Denn man könne leichter auf die geringe Zahl der Kurfürsten, als auf alle Fürsten wirken, da man ja Allen sonst für ihre Nachgiebigkeit zu Gegenleistungen verbunden sein würde. Im Fürstenrathe selbst seien die den Kurfürsten verwandten Familien nicht sehr gegen das Vorrecht der letzteren, und auf die Wünsche der übrigen brauche man keine Rücksicht zu nehmen. Auch sei es nicht Sitte, in Deutschland den hergebrachten Rechtszustand durch Gewaltthätigkeiten oder complottmäßige Verbindung zu stören. Man fügte hinzu, daß, wenn es auch billig sei, in der Capitulation den übrigen Fürsten ebenso wie den Kurfürsten Rechnung zu tragen, sich doch kaum für eine immerwährende Capitulation eine Formel finden dürfte, welche nicht im Laufe der Zeit und unter veränderten politischen Verhältnissen eine Verbesserung nöthig machen würde. Manches sei auch in die alten Capitulationen nur eingeschoben, um augenblicklichen Bedürfnissen zu entsprechen, oder eine Umgehung der anderen Bestimmungen zu verhindern. Weiter würden die Kurfürsten gern bereit sein, auf Wunsch der übrigen Stände auch Bestimmungen zu Gunsten der letzteren in die Capitulation aufzunehmen. Endlich sei es sehr thöricht, wenn man den Kurfürsten einen Vorwurf aus der vorzugsweisen Berücksichtigung ihrer eigenen Interessen machen wollte: denn warum sollten sie allein nicht nach dem Grundsatz aller Menschen: Jeder ist sich selbst der nächste, handeln dürfen.

Uebrigens[3] habe ich von anderer Seite auch andere Gründe für das Hinausschieben der Verhandlungen über die Wahlcapitulation anführen

  1. P. geht hier nicht auf die Frage ein ob alle Kurfürsten an der Festsetzung der Capitulation Theil zu nehmen berechtigt sind, oder ob Böhmen davon ausgeschlossen sei. Diese Frage ist bis zur Admission Böhmens im Kurfürstencolleg oft erörtert, aber nie definitiv entschieden worden, dann verlor sie ihre praktische Bedeutung.
  2. Ed. posth. läßt diesen Zusatz und den folgenden Satz fort.
  3. Dieser ganze Schlußpassus des zweiten Paragraphen ist in der Ed. posth. unterdrückt. Der Grund ist leicht ersichtlich. Vgl. S. 41 Anm. 2.
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Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/72&oldid=- (Version vom 27.3.2019)