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ihre Trägheit und Feigheit sich der Freiheit so sehr unwürdig gemacht haben, daß noch heute kein Verständiger begreifen kann, warum die Sachsen sich diese Burg Thüringens nicht haben unterthan machen wollen. Die Holländer aber haben es genug bereut, daß sie den Bürgern von Münster gegen ihren Bischof keine Hilfe geleistet haben,[1] zumal es für sie, die ihre Freiheit einem Aufstande gegen ihren Fürsten verdanken, doch nahe genug lag, ein ähnliches Unternehmen anderer zu unterstützen.

§. 14. Die Reichsritterschaft.

Die Ritterschaft in Deutschland zerfällt in zwei Klassen, von denen die eine reichsunmittelbar ist, die andere unter den Landesfürsten steht. Die zur ersten Klasse gehören, nennen sich freie Reichsritter und zusammen die unmittelbare freie Reichsritterschaft. Sie theilen sich nach den Ländern, in denen ihre Güter liegen, in schwäbische, fränkische und rheinische Ritter, von denen jede Abtheilung wieder in mehrere kleinere zerfällt. Sie wählen aus ihrem Stande Ritter-Hauptleute und Ritter-Räthe,[2] welche ihre gemeinsamen Interessen wahrnahmen, und halten auch in wichtigeren Fällen Rittertage ab. Auf dem Reichstage haben sie aber keinen Sitz, was sie selbst als einen Vortheil betrachten, da sie so von den Reichslasten frei bleiben. Es würde ihnen ja auch wenig nützen, der einer so großen Zahl von Stimmen eine oder zwei für sich zu haben.[3] Im übrigen haben sie fast dieselben Rechte und Freiheiten wie die anderen Stände, so daß ihnen außer der Macht nichts fehlt, um Fürsten zu sein. Reiche Einkünfte ziehen sie aus den Kanonikaten und kirchlichen Pfründen, durch welche sie leicht zur Fürstenwürde gelangen. Und daß, wer so gestiegen ist, für seine Familie sorgen kann, das zeigt ja das Beispiel des heiligen Vaters selbst. Uebrigens muß es auch sehr angenehm sein, reiche Einkünfte zu beziehen, ohne irgend welche Mühe dafür zu haben. Denn den Gottesdienst lassen sie durch Vicare versehen, da sie sich selbst vor jeder Heiserkeit in Acht nehmen, außer vor der, welche durch Weinrausch entsteht. Und der Unbequemlichkeit des Cölibats helfen leicht käufliche Frauenzimmer ab; ich wenigstens habe noch Niemanden gesehen, der sich dem Himmel zu Liebe castrirt hätte. Keusch und enthaltsam zu leben gilt ja für einen Edelmann für ebenso schimpflich, wie keine Freude an Hunden und Pferden zu haben.

  1. Das ist nicht ganz richtig. Allerdings haben die Generalstaaten die Stadt Münster ganz offen unterstützt, deren Agent Aitzema im Haag nicht ohne Einfluß war. Sie gaben 25,000 Gulden zu 4 % mit dem Versprechen, monatlich ebenso viel zu schicken. Aber nichtsdestoweniger mußte die Stadt, als der Kaiser, Frankreich und Brandenburg intervenirten, 1661 capituliren. Droysen, Pr. Pol. III, 3, 94. 95.
  2. P. braucht die Ausdrücke directores und assessores. Aber die im Text gebrauchten sind die officiellen Titel.
  3. Nichtsdestoweniger haben die Ritter zu wiederholten Malen das Recht, sich auf den Reichstagen vertreten zu lassen, in Anspruch genommen. Kulpis, S. 594, führt eine gegen diese Prätensionen gerichtete Schrift an unter dem Titel: Verschiedene Considerationes, derentwegen der löbl. Reichs-Ritterschafft in Schwaben / Franken und am Rhein-Strom Votum und Sessio auf Reichs- und Crayß-Tägen nicht zu verstatten.
Empfohlene Zitierweise:
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/52&oldid=- (Version vom 26.8.2018)