Seite:Über die Verfassung des deutschen Reiches.djvu/132

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

gemessen ist die Erhöhung der Zahl der Sacramente, desto öfter bedürfen so die Laien priesterlichen Beistandes; wie gewinnreich schon der Umstand, daß, weil die Ehe ein Sacrament ist, alle Ehesachen vor die geistlichen Tribunale gezogen werden, denn ohne dies Dogma könnte man glauben, daß eher die Verheiratheten über Aufgabe und Natur der Ehe ein richtiges Urtheil hätten. Sodann die Macht der guten Werke, an sich ein trefflicher Sporn für die ehrgeizige Frömmigkeit, wie trefflich paßt sie zu dem ganzen theologischen System - da ja die Geistlichkeit allein bestimmt, was ein gutes Werk sei. Ja, ich glaube, auch die Erfindung des Fegefeuers hat keinen anderen Zweck, als die noch mit einer Abgabe zu belegen, die sonst der Tod von allen menschlichen Lasten befreit. Die Anrufung der Heiligen ferner ist nicht nur ein herrliches Mittel, den Glanz der Kirche zu erhöhen, sondern wie groß muß nicht das Ansehen der Geistlichen sein, wenn es in ihrer Hand liegt, Würden und Ehrenstellen am himmlischen Hofe zu vergeben. Es wäre überflüssig, bei so verständigen Zuhörern noch mehr anzuführen, wer die Verhältnisse genauer kennen zu lernen Muße hat, wird einsehen, daß auch alle übrigen Dogmen denselben Zweck verfolgen. Endlich das ganze Gebäude unserer Hierarchie, wie kunstvoll ist es zusammengefügt, wie eng und fest sind alle Theile mit einander verbunden. Wahrlich, man kann sagen, nie, seit Schöpfung der Welt hat es eine Körperschaft gegeben, die besser geordnet gewesen wäre oder auf festerem Grunde geruht hätte. Denn einmal ist in ihr die correcteste monarchische Verfassung streng durchgeführt: das Haupt der Kirche hat als unfehlbarer Stellvertreter Gottes eine der göttlichen gleiche Autorität, ohne einen höheren Richter verfügt er nach Willkür über die Schlüssel zum Himmel und zur Hölle, wenn auch der Glaube, den man in früheren und besseren Jahrhunderten hegte, daß er als Richter aller Könige die Macht habe, dieselben vom Throne zu stoßen oder zu demselben zu berufen, durch den Spott der Gründer der neuen Lehren jetzt doch sehr erschüttert ist. Weil nun die Hoheit des Papstthums ganz auf dem Glauben an seine Heiligkeit beruht, wird diese Würde nur durch Wahl verliehen, so daß, während eine königliche Dynastie oft entarten kann, hier immer dem würdigsten, der über jugendliche Leidenschaften erhaben ist, der päpstliche Stuhl offen steht. Zugleich wird so verhütet, daß ein Papst mehr für das Wohl seiner Familie, als für das der Kirche besorgt ist; wie denn so auch aus demselben Grunde allen Geistlichen Ehelosigkeit vorgeschrieben ist, damit sie sich nie von weltlichen oder privaten Interessen leiten lassen. Und die unter dem Papste stehende Geistlichkeit, wie zahlreich und wie vielfach gegliedert ist sie, - auf daß deren um so mehr sind, die über das Wohl der Kirche wachen und nach den Geistern der Laien die Angel auswerfen. Einen Gehorsam, wie ihn sie ihrem Oberherrn leisten, darf kein weltlicher Fürst erwarten, und fehlt es gleich unter ihnen nicht an Eifersüchteleien, so weiß doch der Papst jedem Schaden weise vorzubeugen, der daraus der Kirche erwachsen könnte. So verhütet er alle Nachtheile, die aus der Ungunst der alten Orden gegen die Gesellschaft Jesu hervorgehen könnten, durch welche erstere einen großen Theil ihres alten Ansehens verloren zu haben glauben. Denn als die einfache Frömmigkeit der alten Mönche nicht mehr auszureichen schien, die Zügellosigkeit der neueren Zeiten in Schranken zu halten, da bildete sich zum größten Glücke für die Kirche jene hochheilige Verbindung, welche alle mit dem Verluste

Empfohlene Zitierweise:
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/132&oldid=- (Version vom 1.8.2018)