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und Städte den Anfang gemacht hatten, die gute Gelegenheit, aus dem Kirchengute den Reichsfiscus zu bereichern, unbenutzt gelassen hat. Denn die Fürsten hätten ihm sicher einen Theil der Beute zugestanden, und das Volk hing den neuen Predigern sehr an.

Was ferner die sogenannte calvinistische Religion betrifft, so unterscheidet selbe sich von der eben besprochenen nur darin, daß sie alle katholischen Bräuche mit der Wurzel ausrotten und die neuen Dogmen schärfer, als von den Lutheranern geschieht, ausbilden will. Beides aber ist dem Sinne der Menge wenig angemessen. Denn ein Gottesdienst, der nur aus einer Predigt und einigen Gesangversen besteht, wirkt fast erkältend; und wo es für ein Verdienst gilt, in Dingen der Religion seine Wißbegierde zu zeigen, da entsteht nothwendig grade in den verschrobensten Köpfen am ersten der Versuch, Neues zu lehren, verbunden mit einer unbezwinglichen Hartnäckigkeit im Festhalten an der einmal gewonnenen Ueberzeugung. Sind doch manche zu solchen Albernheiten gekommen, es für sündhaft zu erklären, wenn man sein Haar sorgfältig pflegt oder lang wachsen läßt. Uebrigens haben alle Einsichtigen längst bemerkt, daß diese Confession ihrer Natur nach die Entwickelung der Verfassung im demokratischen Sinne begünstigt. Denn wenn einmal dem Volke in Sachen der Religion und Moral eine Stimme eingeräumt ist, so erscheint es unbillig, dem Fürsten allein alle bürgerliche Gewalt und alle politischen Rechte zuzugestehen.

Beide neuen Lehren sind nun über einen großen Theil Deutschlands verbreitet, aber grade ihr gegenseitiger Zwiespalt ist ihren gemeinsamen Gegnern sehr zu statten gekommen. Dieser Zwiespalt aber, wie erwähnt, hat nur in der Halsstarrigkeit der Theologen seinen Grund, welche ihrem Rufe zu schaden glauben, wenn sie denen, die einfacher oder gemäßigter in ihren Lehren sind, auch nur im geringsten nachgeben. Denn andere praktische Gründe trennen diese Confessionen nicht, da der Kampf mit der römischen Kirche in beider Interesse liegt. Wenn nun aber die Priester nicht dahin gebracht werden können, ihren Eigensinn aus Rücksicht auf das gemeine Wohl zu brechen, so hätten wenigstens die Fürsten für die allmähliche Ausgleichung der Differenzen sorgen müssen, freilich nicht mit Mitteln der Gewalt, die einen derartigen Zwiespalt nur verschärfen können, sondern auf dem Wege der Güte und durch Unterhandlungen. Denn wenn die Fürsten bei der Ernennung der Beamten nicht mehr auf konfessionelle Parteifärbung, sondern nur auf Talent und Begabung sehen; wenn beider Confessionen Anhänger vom Staate gleich behandelt werden, wenn den Priestern untersagt wird, die streitigen Punkte auf der Kanzel zu erörtern und über die Gegenpartei loszuziehen, wenn endlich in den öffentlichen Unterrichtsanstalten nur kluge und gemäßigte Männer zu Lehrern ernannt werden, zweifle ich nicht daran, daß in wenigen Jahren alle Streitigkeiten beigelegt sein werden. Aber freilich, um unsere heilige römische Kirche würde man sich ein schlechtes Verdienst erwerben, wollte man jenen Leuten so gesunde Rathschläge geben. -

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Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/130&oldid=- (Version vom 1.8.2018)