gefährlich werden könnte. Sollte ein derartiger Versuch gemacht werden, so müßte bei Zeiten für Abwehr gesorgt und mit denjenigen Mächten ein Bündniß geschlossen werden, welche gleichfalls dabei interessirt sind,[1] eine übermäßige Machterweiterung gewisser Reiche zu verhindern.
Uebrigens[2] wird es, so lange Deutschland sich auf eine defensive Politik beschränkt, nicht unumgänglich nöthig sein, ein stehendes Reichsheer, besonders ein sehr zahlreiches, zu unterhalten; doch muß bei Zeiten das Kontingent eines jeden Staates für den Fall der Noth festgesetzt werden. Wie aber auch in Friedenszeiten eine Truppenmacht mit sehr mäßigen Kosten unterhalten werden kann, die dann im Kriege leicht zu einem Heere vergrößert werden kann, das kann Deutschland an dem Beispiele seines Nachbarlandes Schweden lernen.
Alle[3] diese Maßregeln und alle übrigen, welche etwa das Wohl Deutschlands sonst erfordern könnte, wären nun leicht durchzuführen und praktisch zu machen, wenn nur die Regierungen den Nutzen einer guten Gesinnung einsehen wollten. Da nun aber die Meisten als den Hauptgrund der deutschen Uneinigkeit die Religionsverschiedenheit ansehen, so wird es, glaube ich, dem Plane meines Werkes nicht fern liegen, wenn ich in wenigen Worten wiedergebe, was einmal in meiner Gegenwart von verständigen Männern über diesen Gegenstand besprochen worden ist. Denn ich selbst bin einmal in theologischen Dingen nicht so bewandert, daß ich aus eigener Hand darüber ein Urtheil zu fällen vermöchte, und andererseits glaube ich auch, es wird eine geringere Sünde sein, wenn ich die Meinung Anderer darüber vorbringe, als wenn ich meine eigene darlege, zumal ich selbst mich dem Urtheil der heiligen katholischen Mutterkirche in aller Demuth unterwerfe.
Bei Gelegenheit eines Besuches, den ich einmal zu Köln dem ehrwürdigen und erlauchten apostolischen Nuncius abstattete, um ihm, wie viele andere, meine Ergebenheit zu bezeugen, bemerkte ich im Laufe des Gespräches, ich könne es nicht verstehen, weshalb in Deutschland die Religion der Anlaß zu so vielen Streitigkeiten sei, da doch in den vereinigten Niederlanden, welche ich kurz vorher besucht hatte, dies nicht der Fall sei, sondern Jedem freistehe zu glauben und nicht zu glauben, was er wolle. Denn dort geht Jeder seinen Geschäften nach, ohne sich um den Glauben seines Nachbarn zu bekümmern.
Darauf erwiderte mir nun ein angesehener Mann, der sich lange Zeit an verschiedenen Höfen bewegt hatte, mit Erlaubniß des Nuncius, das
- ↑ Statt der folgenden Worte schreibt die Ed. posth.: „die Bildung eines Allen gefährlichen übermächtigen Reiches zu hindern.“
- ↑ Statt des folgenden Satzes heißt es in der Ed. posth.: „Und je nach den Verhältnissen der Armeen der Nachbarstaaten hat auch Deutschland sich bei Zeiten zu rüsten, um nicht erst nach einem feindlichen Einfall und nach der Verwüstung seiner Länder zu einer Aushebung schreiten zu müssen.“
- ↑ Dieser ganze Paragraph und alle folgenden fehlen in der Ed. posth., welche mit einer kurzen Aufforderung zur Einigkeit unter den verschiedenen Confessionen schließt.
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/127&oldid=- (Version vom 1.8.2018)