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viele Bischöfe nach dem Vorbilde des heiligen Vaters für ihre Verwandten durch kirchliche Pfründen und andere Verleihungen reichlich sorgen. Auf der anderen Seite haben auch die geistlichen Fürsten viele Gründe zur Zwietracht mit den weltlichen, worauf ich weiter unten zurückkomme.

Der zweite Grund der inneren Spaltung der Stände ist die Ungleichheit der Macht. Denn so entsteht nach einem Erbfehler der Menschheit bei den Mächtigeren eine gewisse Geringschätzung der Schwächeren und zugleich der Wunsch, sie zu vergewaltigen, während die kleineren Fürsten eifersüchtig auf jene sind, gerne klagen und in zuweilen unbequemer Weise auf ihre Souveränetät pochen. Der Vorrang der Kurfürsten über die anderen Fürsten ist dann ein neuer Grund zum Zwiespalt, da die Fürsten ihn nur widerstrebend anerkennen und den Kurfürsten manche Vorrechte bestreiten, für welche diese eifrig kämpfen.

§. 9. Fortsetzung.

Außer den schon erwähnten Hindernissen staatlicher Einigung, und gleich als ob diese noch nicht genug wären, ist in Deutschland noch die Religion, sonst das stärkste Bindemittel der Einheit, die Ursache zahlreicher Parteiungen und Zwistigkeiten. Das liegt aber weniger an der Verschiedenheit der religiösen Ansichten selbst und an der Gewohnheit aller Pfaffen, Andersgläubige von der ewigen Seligkeit auszuschließen, als vor allem daran, daß die katholische Geistlichkeit, von den Protestanten eines großen Theiles ihrer Güter beraubt, unablässig darauf bedacht ist, dieselben wiederzugewinnen, die Protestanten dagegen nicht gewillt sind, das einmal Errungene wieder aufzugeben. Außerdem wird vielfach behauptet, daß übergroßer Einfluß der Geistlichkeit überhaupt das Staatsinteresse schädigt, insbesondere dann, wenn Priester und Mönche unter einem außerdeutschen Oberhaupte stehen, das, ohne wahre Theilnahme für Deutschlands Wohlergehen, die höchsten Interessen aller Laien gern dem Nutzen seiner Anhänger opfern würde. Denn es liegt ja auf der Hand, daß die Geistlichkeit einen besonderen Staat im Staate bildet und daß so Deutschland unter zwei Oberhäuptern steht, was Alle, die ihr Vaterland mehr lieben, als die römische Kirche, für das größte Unglück Deutschlands halten.[1]

Höchst schädlich ist ferner die Befugniß der deutschen Stände nicht nur unter einander, sondern auch mit dem Auslande Verträge schließen zu können, die ihnen durch den Frieden von Osnabrück ausdrücklich garantirt ist. So theilen sich die deutschen Fürsten in mehrere Factionen und so werden auswärtige Mächte in den Stand gesetzt, durch Bündnisse mit Deutschen Deutschland niederzuhalten und bei günstiger Gelegenheit ihre Macht auf Kosten der Gesammtheit auszudehnen. Denn dergleichen Bündnisse mit dem Auslande werden nicht nur gegen auswärtige Staaten

  1. Ed. posth. citirt hier eine bezügliche Aeußerung des Papstes Pius. (Vgl. Pandulf. Collenutius rer. Neapol. l. 4. p. m. 185).
Empfohlene Zitierweise:
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/119&oldid=- (Version vom 1.8.2018)