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Körpers in der angegebenen Weise verändert werden müsse und daß die Gleichungen der Elektrodynamik[1] die von Hrn. Lorentz und ihm angegebene Form erhalten müssen.

Beide Verfasser geben nun auch die Bewegungsgleichungen für ein in der angegebenen Weise deformiertes Elektron an, die sich von den Abrahamschen Gleichungen sehr wesentlich unterscheiden. Eine Anwendung der Gleichungen auf meine bisherigen Messungen durch Hrn. Lorentz führte zu dem überraschenden Resultat, daß meine Beobachtungen durch sie mit derselben Genauigkeit darstellbar seien, wie durch die Abrahamschen Gleichungen für das starre Elektron.

Es zeigte sich jedoch, daß die Geschwindigkeitswerte, die man den einzelnen von mir gemessenen Kurvenpunkten beilegen mußte, um zu einem Anschluß an die Lorentzsche Formel zu gelangen, um 5–7 Proz. kleiner waren, als sie sich nach der Abrahamschen Formel ergaben. Damit war zugleich ein Weg gegeben, zwischen beiden Theorien zu entscheiden:

Wenn es gelang, die den einzelnen Kurvenpunkten (vgl. w. u.) zugehörigen Geschwindigkeiten unabhängig von der zugrunde gelegten Theorie über das Elektron, direkt aus den Konstanten der Versuchsanordnung – im folgenden als „Apparatkonstanten“ bezeichnet – zu bestimmen, und diese Werte mit denen zu vergleichen, die sich nach der einen oder anderen Theorie aus der Gestalt der photographierten Kurve – aus den „Kurvenkonstanten“ – ergaben, dann konnte der größere oder geringere Grad der Übereinstimmung zwischen den beiden Wertsystemen als Kriterium für die Richtigkeit einer der beiden Theorien dienen. Natürlich schien es von vornherein nicht ausgeschlossen, daß vielleicht auch keine von beiden Theorien genügend genaue Übereinstimmung ergab, oder daß auch noch andere Grundannahmen zu einem befriedigenden Ergebnis führen konnten.

Durch Hrn. Abraham[2] wurde darauf hingewiesen, daß die Lorentzsche Deformation des Elektrons eine Arbeit erfordere, so daß man, um nicht mit dem Energiegesetz in Widerspruch zu geraten, eine „innere potentielle Energie“ des


  1. Vorausgesetzt, daß für relativ ruhende Körper die Maxwellschen Gleichungen als gültig angesehen werden.
  2. M. Abraham, Theorie der Elektriz. II, Kap. 3. Leipzig 1905.
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Walter Kaufmann: Über die Konstitution des Elektrons. Johann Ambrosius Barth, Leipzig 1906, Seite 493. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Konstitution_des_Elektrons_(1906).djvu/7&oldid=- (Version vom 20.8.2021)