Textdaten
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Autor: Theodor Griesinger
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Titel: Sclavenhandel in Amerika
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 23, 24, S. 337-339, 351-354
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1858
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[337]
Sclavenhandel in Amerika.
Nr. 1.
Die Strafe auf Negerhandel und deren Folgen. – Wer handelt mit Sklaven? – Palmöl und Elfenbein. – Capitalumsatz. – Kosten und Ertrag einer Sclavenschmuggelfahrt. – Die Perle der Antillen und wie dort Sclaven hereingepascht werden.


Es ist eine durch statistische Nachrichten erhärtete Thatsache, daß in den Gegenden, wo blos Zucker, Kaffee, Reis und Baumwolle erzeugt wird, die mit dieser Arbeit beschäftigten Neger ein verhältnißmäßig nur kurzes Dasein genießen, denn die Arbeit ist sehr hart und anstrengend und das Klima außerordentlich ungesund. So sterben in jenen Himmelsstrichen immer mehr Nigger, als geboren werden. Dies ist besonders auf der Insel Cuba der Fall, wo die Sclaven übermäßig zur Arbeit angehalten werden. Allein auch in den zu den nordamerikanischen Freistaaten gehörigen Staaten Louisiana, Mississippi, Georgia, Florida und Alabama ist die Sterblichkeit außerordentlich groß und daher überwiegt auch hier die Zahl der Gestorbenen die Zahl der Geborenen bei weitem. Wenn deshalb diese Staaten in ihrer Zucker- und Baumwollenproduction nicht gehemmt sein wollen, wenn am Ende die ganze Negerbevölkerung nicht auf ein Minimum beschränkt werden oder gar aussterben soll, so müssen Sclaven importirt, es müssen frische Truppen in’s Feld gestellt werden, welche die abgegangenen ersetzen. Woher soll man nun aber diese Ergänzungsarmee bekommen?

Der natürlichste Weg ist der, sie von da zu holen, wo man die ersten Neger geholt hat, nämlich von Afrika. Allein England hat es nach vielen Unterhandlungen und Mühen dahin gebracht, daß alle sclavenhaltenden Staaten (Amerika, Spanien und Brasilien) einen Vertrag mit ihm abschlossen, nach welchem der Sklavenhandel mit Afrika gänzlich sistirt sein soll. Es hat es so weit gebracht, daß verschiedene Staaten – worunter auch Amerika – übereinkamen, Kriegsschiffe an der Küste von Afrika kreuzen zu lassen, um den Sklavenhandel mit Gewalt zu verhindern und denselben für die Zukunft zur Unmöglichkeit zu machen. Es hat es sogar so weit gebracht, daß der Sklavenhandel, der Export von Schwarzen aus Afrika, eben so gestraft werden soll, wie Seeraub und Piraterie, d. h. mit dem Tode durch den Strang. Sollte man nun nicht meinen, das System der Sclaverei müßte, wenn diese Verträge richtig eingehalten werden, nach und nach einen Stoß erleiden, von dem es sich nicht mehr erholen könne? Sollte man nicht überzeugt sein, daß das Sclaveninstitut nach und nach ganz aufhören müsse, wenn die vorhandenen Sclaven aussterben und keine neuen an ihre Stelle gebracht werden können? Gewiß sollte man so denken und gewiß war es auch die Absicht Englands, durch jene Verträge diesen Zweck im Laufe der Jahre zu verwirklichen. Es wollte offenbar die Sclaverei ganz aufhören machen, ohne daß diese deshalb in den sclavenhaltenden Staaten durch ein besonderes Gesetz aufgehoben zu werden brauchte. Allein die Absicht ist nicht erreicht worden und die Sklavenhalter auf Cuba und in der Union haben sich trotz dieser Verträge zu helfen gewußt.

Es geschah dies und geschieht dies noch auf zweierlei Weise. Einmal durch Umgehung jener Verträge, dadurch, daß man mit Sclavenzufuhren aus Afrika Schleichhandel treibt, das andere Mal dadurch, daß man im Lande selbst eine Art künstlicher Ueberproduction erzeugt, indem man sogenannte Niggerzüchtereien anlegt, gerade so, wie man an anderen Orten Schweine- und Pferdezüchtereien angelegt hat.

Betrachten wir uns zuerst den Niggerschmuggelhandel mit Afrika.

In früheren Zeiten, am Ende des vorigen Jahrhunderts, als der Negerhandel noch offen betrieben wurde, war er fast ganz in den Händen der Engländer. Allerdings betheiligten sich auch Franzosen und Spanier dabei, allein die Engländer überflügelten Alle sowohl durch ihren größeren Unternehmungsgeist, als auch durch die Schnelligkeit ihrer Schiffe. Seit dieser Handel als Seeraub mit dem Tode bestraft wird, läuft kein Sclavenschiff mehr aus einem europäischen Hafen aus. Wohl würde es in der alten Welt vielleicht auch jetzt noch manchen Schiffscapitain geben, der sich nichts daraus machte, einmal auf den Schwarzwildpretfang auszufahren, und noch weniger würde sich vielleicht ein reicher Kaufherr in Hamburg oder London geniren, seine Gelder im Niggerhandel anzulegen, wenn’s nur irgend anginge. Allein in den europäischen Häfen ist die Aufsicht über die Schiffe, die Controle derselben so groß und genau, daß eine Täuschung der Behörden fast zur Unmöglichkeit geworden ist. So hat sich dieser Handel ganz nach Amerika und hier wiederum hauptsächlich auf die nordamerikanischen Freistaaten zurückgezogen, von wo aus er aber immer noch ziemlich schwunghaft betrieben wird. [338] Zwecke erfunden haben, nämlich sogenannte Clipper. Diese Schiffe sind allerdings nicht so sicher, als die andern Segelschiffe, aber sie segeln um so schneller, und auf die letztere Eigenschaft kommt bei einem Sclavenschiffe das Meiste an. Das Geld zu ihrer Erbauung oder zu ihrem Ankauf liefern ohne alle Ausnahme Amerikaner, – Kaufleute von Newyork und Boston oder sonstigen Seestädten, nicht selten auch Großhändler, die ein Haus in Havanna haben. Diese Kaufleute haben durchweg eine angesehene, Credit genießende, in ehrenwerthem Klange stehende Firma, die Chefs der Firmen gehören vielleicht, sogar sehr wahrscheinlich, der frömmsten puritanischen Methodistensecte an, sie sind ohne allen Zweifel Mitglieder derjenigen politischen Partei, welche nach der Emancipation aller Schwarzen strebt und Gut und Blut für die Aufhebung der Sclaverei zu opfern schwört, sie haben vielleicht erst vor Kurzem bei einer großen öffentlichen Versammlung eine donnernde Abolitionistenrede gehalten; aber – mit Vergnügen geben sie ihr Geld her zum Ankauf und zur Ausrüstung eines Sclavenschiffes; denn im Handel kennt der Amerikaner weder Religion noch Politik und gegen einen guten Profit riskirt er immer eine doppelte Portion Frömmigkeit.

Natürlich ganz offen wird der Handel nicht getrieben, die Kaufmannsfirma wird nicht genannt, das Schiff wird in einem Hafen clarirt, der mit dem Sklavenhandel nichts zu thun haben kann, die Ladung, welche das Schiff eingenommen, ist eine ganz unschuldige; denn die zum Niggerhandel brauchbaren Waaren, die zum Transport von so viel hundert Sclaven nöthigen Wasserfässer, die für die kleine Mannschaft unverhältnißmäßig große Menge von Mundvorräthen, die Handschellen, Ketten und dergleichen sind im untersten Schiffsräume verborgen und mit anderen Waaren überdeckt, bis man sie auf hoher See ohne Gefahr auf’s Deck schaffen kann. Allein trotz dieser Heimlichkeit ist der ganze Handel das, was man ein öffentliches Geheimniß nennt, und jedes auch nur wenig mit den Verhältnissen vertraute Haus weiß, wohin es sich zu wenden hat, wenn es über ein Sklavenschiff Auskunft haben oder ein dazu taugliches Schiff selbst ankaufen will. Die Makler, die in diesem Artikel Geschäfte machen, sind Jedermann bekannt; die Handlungshäuser, welche zu solchen Geschäften Geld hergeben, sind ohne alle Schwierigkeiten zu finden, und die Capitaine, Supercargos und Matrosen, die man nöthig hat, haben ihre eigenen Abstandsquartiere, wo man sie zu jeder Zeit auftreiben kann. Das Geschäft ist ein ganz so regelmäßiges, wie jedes andere Rhedergeschäft, nur ist das Aushängeschild kein offenes. Man gesteht vielleicht ohne Scheu, daß man nach und von der Küste von Afrika Handel treibe, aber man gibt sich den Anschein, als ob man „in Palmöl und Elfenbein mache.“ Elfenbein und Palmöl werden auch von der afrikanischen Küste geholt; deswegen sind diese zwei Artikel die beste Bemäntelung des Sklavenhandels.

Man hat berechnet, daß im Durchschnitt jährlich 45 bis 50 Schiffe aus den Häfen des östlichen Amerika auf den Sklavenhandel auslaufen; eben so viel vielleicht aus dem Hafen von Havanna, aber auch hier blos amerikanische, keine spanischen Schiffe. Jedes Schiff hat eine Mannschaft von 15 bis 30 Matrosen, und die Bemannung der ganzen Sclavenflotte besteht aus etwa zweitausend Mann, ohne die Officiere. Die Schiffe sind von verschiedener Größe, meist von 100 bis 500 Tonnen Gehalt und ohne Unterschied schnelle Segler. Sie fassen 150 bis 600 Neger, da man auf eine Tonne Gehalt etwa 1 1/3 Neger rechnet. In neuester Zeit hat man sogar Dampfschiffe zum Sklavenhandel angekauft, welche allerdings den Vorzug haben, daß sie schneller fahren, als die Segelschiffe, und deswegen den Kreuzern an der afrikanischen Küste leichter zu entgehen vermögen. Können sie doch vermöge ihrer Dampfkraft auch bei contrairem Winde ihre Richtung beibehalten und ihre zwölf Meilen in der Stunde zurücklegen. Allein sie sind dennoch nicht so beliebt, als die Clipperschiffe, weil sie wegen ihres Tiefganges nicht in jede Bucht der afrikanischen Küste einlaufen können und weil ihre Ausrüstung und ihr Ankauf mehr Geld kostet. Auch ist die Abfahrt eines Dampfers immer von größerem Aufsehen begleitet und der Zweck seiner Fahrt, sowie die Zeit des Abganges können nicht eben so leicht bemäntelt werden, als bei einem Segelschiffe. Dieser letztere Punkt ist noch entscheidender, als der Geldpunkt, denn an Capitalien fehlt es nicht. Beträgt doch das Geld, das alljährlich im Sclavenhandel angelegt wird, über vier Millionen Dollars, mehr als zehn Millionen Gulden, nicht ganz sechs Millionen preußische Thaler! – Alles dies sind statistische Notizen, die öffentlich in den Zeitungen nachgewiesen werden, ohne daß irgend Jemand besonders daran Anstoß nimmt. Im Gegentheil, Viele finden den ganzen Handel natürlich und in der Ordnung, weil sie die Sclaverei für naturgemäß halten. Man hat also größtentheils von Seiten der öffentlichen Meinung gegen den Handel an sich nichts einzuwenden, sondern schüttelt blos mit dem Kopfe, wo sich einer über dem verbotenen Schmuggel hat ertappen lassen.

Und doch hat es nie einen schmählicheren Handel gegeben, als diesen, vielleicht aber auch nie einen profitableren! Die Neger werden an der Küste Afrika’s entweder von Zwischenhändlern, oder auch von den ersten Inhabern erworben. Es gibt nämlich eine Menge Staaten und Stätchen an dieser Küste, in welchen Sclaven zu haben sind, da dieser Verkauf fast das einzige Einkommen der dortigen Fürsten ist. Früher in alten Zeiten wurden die Kriegsgefangenen aufgefressen, nunmehr werden sie verkauft! Der Ankaufspreis schwankt zwischen 15 und 20 Dollars, besteht aber meist nicht in baarem Gelde, sondern in Flinten, die keinen Werth haben, in Spiegeln und sonstigem Flitterkram, der immer unsinnig hoch über seinen wahren Werth angesetzt ist. Der Unterhalt der Neger auf dem Schiff ist ein sehr kärglicher und besteht meist nur aus Bohnensuppe mit etwas Pökelfleisch. Die neu erworbenen Sclaven werden gefesselt und so nah auf einander aufgestapelt, daß sie sich kaum rühren können, Ohnehin ist das Zwischendeck, in welches sie gesperrt werden, so niedrig, daß dieselben nicht nur nicht stehen, sondern kaum sitzen und liegen können. Einem Neger wird nur der Raum von sechs Fuß Länge und drei Fuß Breite gestattet. Diese entsetzliche Zusammenspeicherung einiger hundert Menschen in einem niederen dumpfigen Raume, in welchem kaum der vierte Theil mit Anspruch auf Gesundheit existiren könnte, erzeugt nothwendig Krankheiten aller Art, und man darf daher als sichere Norm annehmen, daß ein Dritttheil der zu importirenden Sclaven auf der Fahrt zu Grunde geht. Oft beträgt der Verlust die Hälfte; ist er aber nur ein Viertheil oder gar noch weniger, so ist die Fahrt eine außerordentlich günstige. Allein trotz dieser großen Verluste ist der Profit immer noch ein ungeheurer, – ein solcher, daß es uns nicht mehr wundern kann, wenn die frommen und scheinheiligen Puritaner Neuenglands demselben nicht zu widerstehen vermochten!

Berechnen wir einmal die Kosten einer solchen Sclaveneinfuhr- Schmuggelfahrt, Nehmen wir dazu das Dampfboot Pajano del Oceano, das vor noch nicht langer Zeit von einer Gesellschaft von Kaufleuten, die sich zum Sclavenhandel associirt haben, angekauft wurde. Das Schiff ist in Boston gebaut. Es hieß früher Oceanbird, der „Seevogel,“ und machte seiner Zeit manche Fahrt nach Havanna. Die frommen Kaufherrn, die es um die Summe von 150,000 Dollars ankauften, tauften es ins Spanische um, weil sie in Havanna eine Commandite hatten. Rechnen wir nun weiter. Der Capitän, der natürlich nicht blos ein erfahrener Seemann, sondern auch insbesondere ein mit der Küste Afrika’s vertrauter Seefahrer sein muß, ein Mann, von dem vorauszusetzen ist, daß er Kopf und Auge auf dem rechten Flecke hat und mit toller Verwegenheit eine totale Verachtung aller bestehenden Gesetze verbindet, – denn wenn er gefangen wird, so steht Todesstrafe auf seinem Gewerbe, – der Capitän rechnet für seinen Antheil 20,000 Dollars, die ihm unter allen Umständen ausbezahlt werden müssen. Das Schiffsvolk mit den Unterofficieren kostet 30,000 Dollars, denn Matrosen, die sich zu einem solchen Unternehmen hergeben, müssen gut bezahlt werden, und selten bekommt der Geringste unter 500 Dollars für die Fahrt. Der „Seevogel“ ist übrigens so groß, daß er 2500 Sclaven fassen kann, denn es hatten ja früher fünfhundert Passagiere auf ihm Platz, und in den Raum, welchen ein gewöhnlicher Passagier einnimmt, bringt man bequem fünf Neger. Der Ankauf dieser Schwarzen mit ihrer Verproviantirung sammt den übrigen Kosten der Ausrüstung, als Kohlen, Wasserfässer, Rum u. s. w. soll 40,000 Dollars betragen, was ziemlich hoch gerechnet ist. Dazu kommen dann noch die Gratifikationen, die man an die Beamten der Küste zu zahlen hat, an welchen die Neger gelandet werden sollen, denn nur ums Geld ist die Gerechtigkeit blind. Diese sollen 50,000 Dollars betragen, zwanzig Dollars für den Kopf, was der gewöhnliche Preis ist. Für unvorhergesehene Ausgaben rechnen wir weitere 10,000 Dollars. Dies macht summa summarum: 300,000 Dollars. Diese 300,000 Dollars waren also nöthig, um den Seevogel auszurüsten, und dafür 2500 Stück Sclaven in Empfang zu nehmen. Von diesen 2500 Schwarzen werden fünfhundert während der Fahrt zu Grunde gegangen [339] sein. Wir werden wohl nicht mehr rechnen dürfen, weil das Schiff als Dampfer die Reise in ungewöhnlich kurzer Zeit zurücklegen konnte. Es bleiben also 2000 Neger zum Verkaufe. Der Preis für das Stück ist im Durchschnitt zum Mindesten 750 Dollars, eher mehr als weniger. Die ganze Erlössumme beträgt also 1,500,000 Dollars. Ziehen wir nun hiervon das Anlagecapital ab, so blieben als Reinprofit immerhin noch 1,200,000 Dollars, wenn (woran nicht zu zweifeln Alles glücklich ablief. Ist um solchen Preis nicht schon Etwas zu wagen? Im Durchschnitt berechnet man, daß die 4 Millionen Dollars, welche jährlich von Nordamerikanern im Sclavenhandel angelegt werden, die hübsche Summe von 11 Millionen eintragen, und schon mancher Kaufmann ist, nachdem er ein paar Jahre Sklavenhandel getrieben, so immens reich geworden, daß er das Geschäft als Millionär aufgeben konnte. Hat Einer aber einmal in Amerika des Geldes genug erworben, so fragt kein Mensch danach, wie er es erworben hat; der Mann steht im Gegentheil im höchsten Ansehen, weil er so viel erworben hat! Läßt er sich sodann etwa noch herbei, einen Theil dieses Blutgeldes, nur wenige tausend Thaler, davon, zu einer milden Stiftung, oder noch besser zu einem Kirchenbau oder dergleichen zu verwenden, so steigt sein Ansehen so sehr, daß er ohne allen Zweifel unter die Heiligen versetzt würde, wenn er nicht zufälligerweise Akatholik wäre.

Wegen des Absatzes der Waare darf ein Sclavenhändler nie in Verlegenheit sein. Dieser Artikel ist immer gesucht und sogar so gesucht, daß man die Nachfrage darnach nie ganz befriedigen kann. Man darf nie wie bei andern Waaren in Furcht sein, die Concurrenz möchte die Preise herabdrücken; im Gegentheil, die Preise steigern sich mit jedem Jahr, je mehr die Zuckerplantagen sich ausdehnen. Die Hauptabsatzquelle ist Cuba, die Perle der Antillen, wie sie gewöhnlich genannt wird. Sie steht allerdings unter spanischer Herrschaft (nicht unter nordamerikanischer); aber nur um so leichter ist es eben deswegen, die Sclavenwaare dort zu landen. Denn die Generalcapitäne, d. i. die Gouverneure von Cuba, nebst der sämmtlichen übrigen Beamtenwelt, drücken gegen eine bestimmte Summe Geldes recht gern ein Auge, oder vielmehr beide Augen zu. Der Generalcapitän besitzt vielleicht so viel Schicklichkeitssinn, die Bestechungssumme nicht selbst in eigener Person in Empfang zu nehmen, um so sicherer aber thut’s sein Secretär, sein geheimes Factotum, und dem Handel wird demnach keinerlei wirkliches Hinderniß in den Weg gelegt. Alles, was dagegen geschieht, ist nur zum Schein, nur um die Wachsamkeit der Engländer zu täuschen. Darin liegt auch der Grund, warum noch jeder Generalcapitän von Cuba nach wenigen Jahren ein reicher Mann geworden ist! Die Hauptlandungsplätze auf Cuba sind übrigens nicht Havanna, die Hauptstadt der Insel und deren erster Seehafen, denn hier liegen immer fremde (englische und französische) Kriegs-Schiffe, – sondern ein Paar entferntere Buchten: Sierra Morena und Sagua la Grande. Hier können Kriegsschiffe, die immer einen ziemlichen Tiefgang haben, nicht landen. – Das Handlungshaus, dem das Sklavenschiff gehört, hat natürlich seinen Agenten am Lande. Dieser steht mit den hauptsächlichsten Landsclavenhändlern der Insel in genauester Verbindung, Dem sich nähernden Schiffe wird durch Feuer und Raketen ein Zeichen gegeben, wann es sich ungefährdet in die Bucht wagen darf. Die Neger werden im Augenblick der Landung ausgeschifft. Der Händler ist parat und zahlt baar aus, oder in guten Wechseln. Eine Stunde darauf sind die Schwarzen schon ins Innere transportirt und auf ein paar großen Plantagen untergebracht, denn die Plantagen-Besitzer stehen alle mit den Händlern im Bunde, weil ihnen daran liegen muß, immer neue, frische Waare zu bekommen. Er hält dann ein englischer Kreuzer auch Wind davon, daß ein Sklavenschiff gelandet sei, so bleibt ihm nichts, als das Nachsehen, denn die Neger sind verschwunden und können nicht mehr aufgefunden werden. In unglaublich kurzer Zeit haben sich für Alle, junge wie alte, männliche wie weibliche, stabile Herren gefunden. Das Bedürfniß nach kräftigem Menschenfleisch ist auf jeder Plantage groß und die Händler haben immer schon vor der Ankunft eines Schiffes Auftrag zum Ankauf von so und so viel Rekruten.

Uebrigens ist nicht blos Cuba der Zielpunkt des Sclavenschmugglers. In die Union oder vielmehr die südlichen Staaten derselben werden ebenso gut afrikanische Neger importirt, und man berechnet die jährliche Einfuhr dahin von Afrika aus auf mehr denn 15,000 Stück. Die Hauptstapelplätze sind Florida, das wegen der Nähe der gegenüber liegenden Insel Cuba besonders gut geeignet ist (denn es gehört nur eine Fahrt von wenigen Tagen dazu, um Sclaven aus einem Hafen von Cuba herüberzubringen), und Louisiana, d. i. jener Theil der Küste, welcher westlich von Neworleans an dem Ausfluß der Sabina sich hindehnt. Auch die Mündung des Pearlflusses im Staate Mississippi wird von Sclavenschiffen oft besucht, und nicht selten zeigen dies die Zeitungen ganz offen und ungenirt an. Früher, vor 1845, als Texas noch nicht zu den Vereinigten Staaten gehörte, wurde der Handel noch viel schwunghafter betrieben, da die Bucht an der Grenzscheide von Texas und Louisiana besonders einladend zur Einfahrt für Sclavenschiffe lag. Damals brachte der Import fast gar keine Gefahr, da die Schmuggler in dem unabhängigen Texas stets eine sichere Zuflucht fanden. Aber auch jetzt noch sieht die Sache ernster und gefährlicher aus, als sie wirklich ist; denn wenn anders die Plantagenbesitzer mit den Händlern einverstanden sind und daran ist fast nie zu zweifeln, weil die „frische" Waare wohlfeiler gegeben werden kann, als die im Lande gezogene), so ist an eine Abfassung, eine Einfangung eines Sclavenschiffes mit seinem Inhalt kaum zu denken. Dem Auslande gegenüber behaupten allerdings die Nordamerikaner, daß der Handel mit importirten Sclaven gänzlich aufgehört habe, allein es bedarf blos einer kurzen Reise in die südlichen Staaten und nur einiger Beobachtungsgabe, um die Unwahrheit dieser Behauptung sogleich einzusehen; denn man heißt im Süden ganz allgemein die frisch importirte Waare: „Guineanigger“ zum Unterschied von der im Inlande gezogenen, und in Mississippi, Alabama, Louisiana u. s. w. ist fast keine Plantage, wo nicht wenigstens einige Guineanigger anzutreffen wären. Die Bewohner des „rothen Flusses" wissen vielleicht hiervon noch mehr zu erzählen!

[351]
Nr. 2.
Die Maßregeln gegen Sclavenschiffe. – Manupulation auf hoher See. – Dreihundert Sclaven an der Ankerkette versenkt. – Niggerzüchterei und Pferdezüchterei. – Die Sclavenmärkre. – Eine Sclaven-Auction. – Preise. – Spanische und französische Herren.

Wie kommt es nun aber, daß dieser Handel doch noch besteht, während doch die Regierung der Vereinigten Staaten sich verpflichtet hat, denselben mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln zu unterdrücken? Konnte England in seinen Staaten und Colonien dies thun, warum Nordamerika nicht? Die Antwort ist einfach: einmal geschah es nicht, weil die Mittel der Vereinigten Staaten nicht ausreichten, die betreffenden Gesetze durchzuführen, und das andere Mal, weil die betreffenden Beamten sie nicht durchführen wollten. Die Küste der Staaten, wo Sclavenschiffe willkommen sind, ist eine außerordentlich ausgedehnte, und es würde eine mehr als fünf Mal so große Seemacht dazu gehören, als die Union besitzt, um allen Schmuggel zu unterdrücken. Soll man der paar Sclaven wegen das viele Geld ausgeben? Soll man wegen des Bischen Schmuggels das ganze Regierungssystem, welches eine so kleine Militair- und Seemacht, als nur irgend möglich ist, verlangt, um dem Präsidenten nicht zu viel Gewalt in die Hände zu geben, – umändern und ummodeln? Gott bewahre! Die bisherigen Bestimmungen müssen ausreichen. Können sie es etwa nicht? Hat man nicht in den letzten Jahren etwa fünfzig Schiffe weggenommen, die auf den Sclavenhandel auslaufen wollten? Allerdings, und immer sind sie in dem Seehafen, von dem sie abfahren wollten, gecapert worden; allein mehr als der zwanzigfachen Anzahl gelang es, ungehindert zu entkommen, und – einmal aus dem Hafen, einmal auf hoher See, ist es schwer, sogar fast unmöglich, des Schiffes noch habhaft zu werden! Allerdings hat die Unionsregierung in jedem Seehafen einen Beamten, der diesen gesetzlosen Handel zu unterdrücken die Pflicht hat. Es hat sogar dieser Beamte, der United States-Marshal, die ausgedehnteste Macht, jedes verdächtige Schiff wegzunehmen und den Capitain nebst Mannschaft vor Gericht zu stellen, wo sich dann bald zeigt, ob das Schiff zum Sclavenhandel ausgerüstet war oder nicht. Der Marschall hat sogar ein – echt amerikanisches – Anspornmittel, dies zu thun, denn das Schiff, wenn überwiesen, wird für gute Prise erklärt und sein Verkauf trägt den Officianten nicht wenig Geld ein. Allein wie oft drückt der Marschall die Augen zu, wenn man ihm ein goldenes Pflaster darüber legt! Wie oft wird ihm von seinen von der Gegenpartei erkauften Spionen das Geheimniß eines Sclavenschiffes erst verrathen, wenn dieses längst den Hafen verlassen hat! Wie selten wird es nur überhaupt den Behörden bekannt, daß ein Sclavenschiff ausgerüstet wird! Und wird ja einmal ein Fang gemacht, wird ein Schiff confiscirt, ist damit der Ausrüster des Schiffes, der Capitain desselben auch entdeckt? Gott bewahre; das Schiff führte falsche Papiere und der wahre Capitain mit den echten Papieren war noch nicht an Bord, als das Schiff vom Marschall weggenommen wurde. –

Der echte Capitain besteigt sein Schiff immer erst außerhalb des Hafens, wo die Jurisdiction des Marschalls aufhört, und folgt dem Clipper in einem unschuldigen Fischernachen von Weitem, bis er weiß, daß er sicher ist. Darum hat man auch gar kein Beispiel, daß ein Sclavenhändler (Rheder oder Capitain) je dieses Handels wegen gestraft worden wäre. Ja sogar die Matrosen, die man in den gecaperten Schiffen fand, sind noch immer oder wenigstens fast immer frei ausgegangen, weil sie nicht überwiesen werden konnten, wohl auch, weil man sie nicht überweisen wollte. Geld ist eine Macht in Amerika! So ist also nichts gecapert, als das Schiff, und – was macht das? Eine glückliche Fahrt bringt so viel ein, daß zwei oder drei Schiffe verloren gehen können, und gewöhnlich geht unter vierzig Schiffen nur eins verloren! Gehört doch der Fang eines solchen Schiffes (wie oben schon angedeutet) auf hoher See oder an den Küsten von Afrika oder beim Anlanden in Cuba oder an den südlichen Staaten des amerikanischen Continents zu den größten Seltenheiten. Die Schiffe sind gute Segler, die Capitaine sind verwegene Seeleute, so entkommen sie den Kreuzern meistens. Ueberdies darf ein englischer Kreuzer kein Schiff untersuchen, das unter amerikanischer Flagge (und eben so umgekehrt) segelt. So hissen denn die amerikanischen Sclavenschiffe die amerikanische Flagge auf, wenn sie einem Engländer begegnen, und die englische, wenn sie von einem amerikanischen Kreuzer verfolgt [352] werden. Zwar führen auch die Kreuzer oft falsche Flaggen, bis sie nahe genug an dem Sclavenschiffe sind, daß dasselbe ihnen nicht mehr entgehen kann, und ziehen dann erst ihre nationale Flagge auf. Allein die Sclavenschiffe lassen sich durch ein solches Manöver nur selten täuschen, sie kennen die Kriegsschiffe schon an der Bauart, ob’s englische oder amerikanische sind. Ueberdies, wenn alle Stränge reißen, so versenken sie lieber alle ihre Sclaven in’s Meer, ehe sie sich auf hoher See als Sclavenschiffe capern lassen, denn dann ginge es um den Kopf. Man hat daher mehr als ein Beispiel, daß dreihundert und mehr Sclaven an der Ankerkette in’s Meer versenkt wurden, ehe der Kreuzer den Sclavenhändler bekommen konnte, und – wie kann dann der Sclavenhandel erwiesen werden, wenn das Corpus delicti fehlt? Sind die Sclavenhändler aber erst an der heimischen Küste und haben ihre Sclaven gelandet, dann ist vollends eine Abfassung und Entdeckung unmöglich, denn dann verlassen die meisten Capitaine ihr Schiff und verbrennen es, damit alle und jede Spur ihres Handels vertilgt ist. Nur Wenige wagen es, Tabak und Cigarren in Cuba einzunehmen und damit als „ehrliche Kauffartheischiffe“ nach Newyork oder Boston zu fahren. Sie fürchten die Untersuchung ihrer Schiffspapiere und ziehen es vor, das Schiff zu vertilgen. Es trägt sich ja aus!

Trotz allem Dem bleibt der Sclavenhandel zu See, der Import derselben unmittelbar aus Afrika immer ein gefährlicher Handel. Nur die verwegensten Gesellen lassen sich mit demselben ein, fast immer nur solche, die ebenso gut bereit wären, das Piratenhandwerk zu ergreifen. Es ist ein Mischmasch aus aller Herren Länder, diese Handvoll Matrosen, die sich zum Sclavenhandel gebrauchen lassen, Portugiesen wie Schweden, Deutsche wie Spanier, Engländer wie Dänen, Amerikaner wie Europäer, ja sogar Weiße wie Schwarze! Es ist eine erhärtete Thatsache, Nigger selbst geben sich dazu her, Nigger einzufangen; aber jeder dieser Bursche hat vielleicht einen Mord auf dem Gewissen, jeder ist eines weiteren Mordes fähig. Darum wagen es nicht Viele, sich mit ihnen einzulassen, und eben darum ist die Zufuhr aus Afrika nicht hinreichend, um den Bedarf an Sclaven für die südlichen Staaten Nordamerika’s zu decken. Man mußte daher an andere Auskunftsmittel denken, und hat in neuester Zeit den Versuch damit gemacht, sogenannte „freie“ Neger als „Tagelöhner“ aus Afrika zu importiren. Zu diesem Zwecke organisirte sich vor Kurzem in Louisiana eine Compagnie, welcher die Legislatur jenes Staates die Erlaubniß ertheilte, vor der Hand zur Probe 2500 solcher „freiwilligen“ Tagelöhner mit einer „unwiderruflichen Dienstzeit von fünfzehn Jahren“ herbeizuschaffen; allein – die Probe dürfte schlecht ausfallen, denn die Bundesregierung muß diese Art von Handel nothwendig für Sclavenhandel erklären, da der Ausdruck „freiwillige Tagelöhner“ offenbar nur ein nomineller ist, und die „Miethe“ dieser Leute in nichts anderem besteht, als in deren Ankauf von den afrikanischen Händlern. So erweist sich auch dieses Mittel nur als ein Palliativmittel, und die Amerikaner greifen daher immer wieder zu ihrem Hauptmittel: „der Sclaven- und Niggerzüchterei.“

„Niggerzüchterei?“ – Unsinn, Wahnsinn! – Und doch existirt dieser Wahnsinn in der Wirklichkeit! – Der Leser begebe sich gefälligst in die Staaten Virginia, Maryland, Nordcarolina und Kentucky, und er wird sogleich von dem Factum der „Züchterei“ überzeugt sein. Die genannten vier Staaten haben zu Bebauung ihrer Felder bei weitem nicht so viel Neger nothwendig, als die südlicher gelegenen, und dennoch halten sie deren, wenn nicht mehr, doch gleich viel. Sie halten sie aber nicht wegen ihrer Nothwendigkeit zum Feldbau, sondern wegen ihrer – Nachkommenschaft! Dies ist im Augenblicke ersichtlich, wenn man ihre Plantagen besucht, denn sie pflanzen nur ganz wenig Baumwolle, sondern vielmehr Tabak, Mais und fast alle Erzeugnisse der gemäßigten Zone. Sie könnten die Sclaven daher leicht ganz entbehren, und würden weit wohlfeiler und besser zurecht kommen mit weißen Arbeitern, wenn es ihnen blos um die Bebauung ihrer Felder zu thun wäre. Dem ist aber nicht so, sondern es ist ihnen hauptsächlich um die Nachkommenschaft ihrer Sclaven zu thun, und – hierfür eignen sich die genannten vier Staaten hauptsächlich. Das Klima ist hier sehr gesund, wenigstens weit gesünder, als weiter südlich, und eignet sich besonders gut für die Nigger. Die Art der Arbeit, die diese hier verrichten müssen, bringt es mit sich, daß sie sich nicht allzusehr anzustrengen brauchen, denn je mehr der Pflanzer von Virginien und Kentucky Bauer und Landmann wird, um so mehr nähert sich der Zustand seines Sclaven dem Zustand des freien weißen Knechtes oder Tagelöhners. Dazu kommt noch, daß die Nahrung eine weit kräftigere und gesündere ist, als weiter unten in Georgia und Florida, weil der Virginier u. s. w. sein Fleisch, seine Kartoffeln, seine Frucht, seine Milch nicht zu kaufen braucht, sondern selbst erzeugt, und daher nicht sparsam damit umgeht. Somit kann es nicht fehlen, daß die Negerheirathen in den genannten vier Staaten schon von Natur aus sich weit productiver erweisen, als in den übrigen Sclavenländern. Außerdem aber trägt der virginische und kentucky’sche Pflanzer alles Mögliche dazu bei, daß diese Productivität eine nachhaltige werde. Nicht blos sieht er auf gute Nahrung, große Reinlichkeit, mit einem Worte auf Alles, was die Gesundheit, das Wohlsein des Körpers befördert und erhält, sondern er sorgt auch dafür, daß die jungen Mädchen und Bursche unter seinen Negern zur rechten Zeit das Band der Ehe eingehen, wenn man überhaupt das Zusammenleben dieser Menschenclasse eine Ehe nennen kann. Negerinnen, die viel Kinder gebären, werden bevorzugt und besonders gut gehalten, damit sie Andern zur Aufmunterung dienen. Sie werden nie verkauft, sondern bleiben auf der Plantage ihr Leben lang, während die Unfruchtbaren sicher sein dürfen, so schnell als möglich fortgeschafft zu werden, weil sie dem Pflanzer nutzlos sind. Die Kinder, namentlich die Neugeborenen, werden gut abgewartet. Bei dem geringsten Anzeichen von Krankheit wird der Arzt zu Rathe gezogen. Auf diese Art und durch noch andere Mittel, deren specielle Aufführung mir erlassen bleiben möge, weil die Sprache keine decenten Worte dafür hat, wird es möglich, daß in Virginia allein jährlich über 30,000 Sclaven mehr geboren werden, als sterben. Diese 30,000 werden exportirt und verkauft. Eben so machen es Maryland, Kentucky und Nord-Carolina. Diese vier Staaten zusammen führen jährlich gegen 100,000 Sclaven mit einem Gesammtwerth von mehr als 100 Millionen Dollars aus. Somit kann der Ausfall des Südens (verursacht durch Klima und harte Arbeit) von diesen vier Staaten fast gänzlich gedeckt werden. Der Leser wird nun einen Begriff davon haben, was wir unter Niggerzüchterei verstanden wissen wollen. Er muß sich die Sache etwa gerade so denken, als wie eine Pferdezüchterei in Mecklenburg. Wie dort die Rosse gehegt und gepflegt werden, so in Virginien die Schwarzen. Wie dort der reiche Bauer oder der Edelmann sein Haupteinkommen vom Verkauf seiner herangezogenen Füllen erhält, so der halbsüdliche Pflanzer vom Verkaufe seiner überzähligen Sclaven!

Die Art und Weise des Verkaufs geschieht auch auf ähnliche Art, wie bei den Mecklenburger Pferden; denn wie der Pferdehändler die großen Pferdemärkte besucht, um seine Waare an den Mann zu bringen, so bezieht auch der Sclavenhändler die großen Sclavenmärkte, um seine lebende Waare so theuer als möglich zu verwerthen.

Natürlich ist der „Unterderhandverkauf“ ebenfalls in allen südlichen Staaten zu Hause. Wie in Deutschland der Nachbar vom Nachbar eine Kuh kauft, so kauft in Amerika der Nachbar vom Nachbar einen Sclaven. Allein der Ankauf im Großen ist nicht auf diese Art zu bewerkstelligen. Der südliche Pflanzer kann nicht im Lande herumziehen, um auf den einzelnen Plantagen die verkäuflichen Sclaven in Erfahrung zu bringen. Darum gibt’s nicht blos eine eigene Classe Menschen, eine Art Zwischenhändler, die sich mit diesem Handel beschäftigen und ein förmliches Geschäft daraus machen, sondern wir finden auch auf der andern Seite verschiedene Städte, welche sich dieses Handels bemächtigten, Städte, die besonders gut gelegen sind und denen daher natürlich Alles daran liegen muß, den Verkehr des Sclavenhandels in ihre Mauern zu ziehen. In diesen Städten blühen förmliche Sclavenmärkte, welche von den Händlern mit ihrer „Heerde“ oder ihrem „Trupp“ bezogen werden. Früher war ein solcher Hauptmarkt in Washington selbst, dem Sitze der Centralgewalt dieses „freien und glücklichen Landes“, wie der Amerikaner sein Vaterland gewöhnlich nennt. Allein seit 1850 hat doch der Schicklichkeitssinn des Congresses so weit gesiegt, daß dieser öffentliche Scandal endlich beseitigt werden konnte. Von jener Zeit an fanden in Washington keine öffentlichen Märkte, keine öffentlichen Sclavenversteigerungen mehr statt, es müßte denn bei einem Concurse sein, wo natürlich der Sclave eben so gut unter des Auctionators Hammer kommt, wie ein Stück Land, ein Haus, ein Pferd oder ein werthvolles Stück Möbel. Die [353] Hauptmärkte sind jetzt in Richmond in Virginien, in Charlestown, Nashville, Raleigh, Neworleans und andern südlichen Städten. Es sind meist schöne bedeckte Locale, große Säle, in welchen diese Märkte stattfinden, so z. B. in Neworleans im Saale der Börse, in der großen runden Halle der St. Louis-Exchange, die mit ihren luftigen griechischen Säulen an ein Baudenkmal der alten Zeit erinnert. Auch in Richmond ist das Local ein fast prachtvolles, in welchem mehr als 1000 Menschen mit Bequemlichkeit Platz finden. Die Ankäufe können unter der Hand mit dem Sklavenhändler abgeschlossen werden; gewöhnlich aber geschehen sie in öffentlichen Auctionen. Besehen wir uns einmal ein solches Schauspiel, von dem man sich in der alten Welt nur schwer einen Begriff machen kann.

Wir treten in den Saal ein durch das Schenkzimmer, die sogenannte Bar, wo auf einem außerordentlich langen Schenktische Getränke aller Art und auch einzelne Speisen zu haben sind. Während der Verkaufszeit hat die Bar mit fünf oder sechs Kellnern den ganzen Tag vollauf zu thun. Inmitten des Saales, gerade vor uns, befindet sich eine Art Katheder oder Kanzel. Auf dieser steht der Auctionator, ein lebhafter, beweglicher, listig aussehender Mann, dessen Zunge wie ein Rad schnarrt und dessen Kehle die Eigenthümlichkeit hat, nie heiser zu werden. Links von ihm in langer Reihe stehen die weiblichen Sclaven, rechts in noch längerer Flur die männlichen. Die Sclaven sind alle frisch gewaschen, nett und reinlich in Leinwand und Callico gekleidet und haben sämmtlich ein sauberes, zum Theil sogar, besonders was die weiblichen Prachtexemplare betrifft, geputztes Aussehen. Ein Pferd, welches dem Kaufliebhaber vorgeritten wird, ist ebenfalls frisch gestriegelt und hinlänglich gut gefüttert! Es mögen im Ganzen wohl sieben- bis achthundert Sclaven anwesend sein. Die Käufer, meist Männer (doch kann man auch einzelne Damen in vollkommenem Putze sehen), sind im Saale zerstreut. Sie schwatzen, sie plaudern, sie besehen sich die Nigger, sie trinken eins in der Restauration! Sie treten wieder ein, stehen in Gruppen, gehen auf und nieder, lachen, scherzen und sind guter Dinge! Die Nigger stehen schweigsam, aber sie lassen die Köpfe nicht hängen. Ihre großen Augen rollen immerwährend im Kopfe herum und doch sieht es so aus, als ob die Meisten ganz unbekümmert um ihr Schicksal seien. Nur einige Weiber haben ihre Augen auf den Boden gerichtet und einige Männer schauen finster. Sie gedenken vielleicht ihrer Kinder, ihrer Eltern oder sonstiger Verwandten, die sie in ihrer früheren Heimath, auf der Plantage, auf der sie geboren und erzogen wurden, zurückgelassen haben.

Jetzt ruft der Auctionator einen Sclaven mit Namen auf. Es ist wahrscheinlich ein berühmter Name, etwa ein Name aus der römischen Geschichte: ein Cäsar, ein Brutus, ein Cicero, oder ein Name aus der Idyllenwelt: eine Doris, eine Phyllis oder dergleichen. Möglicherweise ist’s auch ein Göttername: ein Jupiter, ein Neptun, eine Juno, eine Venus; denn der Neger liebt prunkhafte Namen. Der aufgerufene Sclave tritt vor; er stellt sich auf eine Art Plattform, welche hart vor dem Katheder des Auctionators errichtet ist. Der erhöhte Raum ist deshalb da, damit man den Sclaven von allen Seiten sehen kann. Nun geht’s an ein Anpreisen der Waare. Alle guten Eigenschaften des Niggers werden von dem Auctionator hervorgehoben, – die schlechten bleiben natürlich verschwiegen. Die Jugend, die Schönheit, die Geschicklichkeit, die Kraft, der Fleiß, die Folgsamkeit, der Verstand, die Treue, – ein ganzes Lexikon von Tugenden! Alles wird hervorgesucht, um den Sclaven so werthvoll als möglich hinzustellen. Der Auctionator vergißt auch nicht einen Umstand, der für den Verkauf günstig wirken könnte. „Es ist ein wahrer Spottpreis, für den dieser „Trajan“ oder jene „Semiramis“ losgeschlagen werden soll!“ – Allein die Kaufliebhaber gehen nicht so blindlings drein. Sie besehen sich ihre Waare, ehe sie ein Angebot machen. Sie wollen vorher prüfen, darum mustern sie! Dem Leser ist es vielleicht noch erinnerlich, es schon gesehen zu haben, wie es die Metzger auf dem Lande machen, wenn sie einen Ochsen, eine Kuh oder auch nur ein Kalb im Handel haben. Gerade dieselben Manipulationen wendet auch der Sclavenankäufer an. Der Sclave weiß es schon, daß er sich eine solche „Musterung“ gefallen lassen muß; er ist an die Sache gewöhnt, weil er’s bei seinen Mitsclaven schon gesehen hat, und es kommt ihm daher auch nicht sonderbar vor, wenn ihm möglicherweise zugemuthet wird, sich seiner Kleider gänzlich zu entledigen, damit man seine etwaigen Körpermängel entdecken könne! Ein solcher Befehl ergeht auf ganz gleiche Weise an einen weiblichen, wie an einen männlichen Sclaven, ohne daß irgend Jemand Anstoß daran nimmt. Sogar die unter den Kaufliebhabern anwesenden Damen geniren sich durchaus nicht, eine solche Musterung mit durchzumachen. Eine bloße „Sache“ kann man schon ohne Schamgefühl in ihrer Nacktheit besehen und mehr als eine „geschlechtslose Sache“ ist ein Sclave in den Augen einer Südländerin nicht. In neuester Zeit ist übrigens auf das Decorum in so fern Rücksicht genommen, als solche „nackte Musterungen“ nunmehr meist in einem besonderen Locale vorgenommen werden.

Nun endlich hat Einer draufgeschlagen.

„Zwölfhundert Dollars zum Ersten!“ ruft der Auctionator. „Ein Prachtexemplar von einer Sclavin! Ist ihre fünfzehnhundert Dollars Werth!“ Jetzt schlägt ein Anderer drauf.

„Zwölfhundert und fünfzig!“ schreit der Auctionator. „Sehen Sie den straffen Körper, die volle Brust! Eine wahre Venus! Kann’s unter vierzehnhundert Dollars nicht thun!“

So geht’s fort und fort, bis endlich der Zuschlag kommt. Der erkaufte Sclave wird dem neuen Eigenthümer sofort übergeben und eine Urkunde darüber ausgestellt, welche der Sheriff, der den Verkauf als Magistratsperson überwacht, unterschreibt. Die nicht verkauften „Stücke“ werden in die „Sclavenställe“ zurückgeführt. Diese sind nichts Anderes, als ein langes hölzernes Gebäude in der Nähe der Marktlocale, wo die Sclaven zu Hunderten, übrigens bei guter Verpflegung, aufgestapelt bleiben, bis sie endlich an den Mann gebracht sind oder auf einen andern Markt weiter geführt werden.

Der Preis für einen kräftigen Burschen von 18 bis 24 Jahren oder für eine tadellose Dirne von 16 bis 22 Jahren ist 1500 bis 1600 Dollars. Junge Schlingel von 12 bis 18 oder Mädchen von 10 bis 16 Jahren gelten von sechshundert Thalern an. Aeltere Sclaven in gleichem Verhältnis;. Ueber vierzig Jahr alte, zur Arbeit nicht mehr gut taugliche Exemplare können nicht mehr leicht verkauft werden, und man sieht daher nur wenige bejahrte Sclaven auf den Märkten, es müßten denn solche sein, die wegen einer Erbschaft oder dergleichen à tout prix verkauft werden müssen. – Auffallend ist die oft fast ganz weiße Farbe der Sclaven. Es gibt welche, die sogar einem Europaer nichts nachgeben, wenn dieser etliche Sommer unter der heißen Zone Georgia’s oder Alabama’s gelebt hat. Es sind dies Sprößlinge von Weißen und Halbmulatten, sogenannte Quadronen, die in Europa für ebenbürtig gelten würden. Oft sind’s aber auch wirkliche Weiße, die irgendwo in einer großen Stadt des Nordens als Kinder geraubt wurden, und nun, nachdem man sie bis in’s zwölfte Jahr groß gefüttert, als Sclaven verkauft werden. Kidnapping heißt man diese Art Handel, und derselbe kommt öfter vor, als man glaubt. Auch wirklich „freie“ Neger, die entweder sich selbst längst losgekauft haben, oder von ihren Herren freigelassen waren, kommen oft unter den Hammer, wenn sie sich nicht „documentarisch“ als frei ausweisen können, oder wenn sie Schulden halber verhaftet sind. Mit dem Preise ihres Körpers zahlen sie ihre Gläubiger! – Das Schändlichste aber bei diesem schändlichen Handel ist die oft gewaltsame Trennung zwischen Mann und Weib, Vater und Sohn, Mutter und Tochter. Der Süden erkennt keine „Familie“ unter den Sclaven an. Die Ehe des Niggers ist nur ein geduldetes Zusammenleben, nicht aber ein gesetzliches, geheiligtes Bündniß. Sogar die Kinder gehören nicht den Eltern, sie werden blos der Mutter gelassen, bis sie im Stande sind, ihre Nahrung selbst zu sich zu nehmen. So verkauft also der Sclavenhalter die Mitglieder einer Sclavenfamilie ganz getrennt von einander, den Sohn nach Louisiana, die Mutter nach Carolina, den Vater nach Texas, die Tochter nach Arkansas. Findet einander wieder, wenn ihr könnt! Jetzt ist solche gewaltsame Trennung in den meisten Staaten verboten, kommt aber trotz aller der unmenschlichen Grausamkeit, die darin liegt, noch oft genug vor. Wer soll denn den Pflanzer verklagen, wenn es ihm beliebt, das Gesetz nicht zu beobachten? Etwa der betheiligte Nigger? – Er hat kein Klagrecht. Nur der Weiße hat’s, der sich seiner vielleicht aus Mitleid annimmt.

Die meisten Einkäufe auf den Sclavenmärkten machen die Pflanzer von Louisiana und Mississippi. Dort werden die meisten Nigger „verbraucht.“ Der Neger fürchtet sich auch, an einen solchen Pflanzer verkauft zu werden. Man sieht es der Verzweiflung in seinem Gesichte an, was er fühlt, wenn er dem Eigenthümer einer Zuckerplantage zugeschlagen wird. Es ist, als ob man ihm sein Todesurtheil vorläse!

Noch mehr als das Klima von Louisiana fürchten die Sclaven den Verkauf an einen Plantagenbesitzer französischer oder spanischer [354] Abkunft. Zwar ist ohnehin auf allen ganz südlichen Pflanzungen eine weit härtere Disciplin eingeführt, als auf den mehr „gemäßigt“ gelegenen, weil jene Plantagen viel großer sind, daher mehr Neger erfordern und eben deswegen, um alle Meuterei schon im Keime zu ersticken, eine größere Strenge nothwendig machen; allein dennoch findet auch auf solchen Pflanzungen ein großer Unterschied statt und die Sclaven ziehen die Abkömmlinge der angelsächsischen Race als „Herren“ den Creolen bei weitem vor. Das Non plus ultra der Disciplin haben französische Sclavenaufseher eingeführt. Deswegen hat man schon Beispiele erlebt, daß Sclaven sich nach stattgehabter Auction selbst zu entleiben versuchten, um auf diese Art der langsamen Tortur creolischer Plantagenbesitzer und ihrer französischen Aufseher zu entgehen!

Im Allgemeinen genommen aber geht der Nigger, wenn er verkauft ist, seinem Schicksale mit stoischem Gleichmache oder vielmehr mit thierisch stumpfer Ergebenheit entgegen. Er hat nicht gelernt, sich über sich und seine Zukunft Gedanken zu machen. Die Tage, so lange die Auction dauert, sind ihm die liebsten, denn während dieser Zeit hat er nichts zu arbeiten und bekommt Essen, sogar zu trinken im Vollauf. „Wenn diese Zeit nur ewig währte!“

Th. Grsgr.