Schwere, Elektricität und Magnetismus/§. 63.

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§. 63.
Die Arbeit in dem besonderen Falle des §. 60.


 Wir kehren zu der Untersuchung der §§. 57, 58, und 59 zurück unter der besonderen Voraussetzung des §. 60, dass nemlich die elektromotorischen Kräfte nur in der unendlich dünnen Grenzschicht an der Berührungsstelle von zwei heterogenen Bestandtheilen des Leiters auftreten. Unter dieser Voraussetzung geht die Gleichung (7) des §. 59 in folgende über:


(1)


Hier ist ein Raumelement im Innern des Leiters, und die Integration ist über den ganzen von dem Leiter ausgefüllten Raum zu erstrecken. Nun haben wir aber die identischen Gleichungen:





Danach lässt die Gleichung (1) sich transformiren. Wir erhalten:


(2)


In dieser Gleichung erstreckt sich das erste Integral auf den ganzen von dem Leiter erfüllten Raum, das zweite auf seine gesammte Oberfläche, d. h. auf die isolirte freie Oberfläche und auf die Hüllen der Unstetigkeitsflächen. Diese Unstetigkeitsflächen sind hier die Flächen, in denen je zwei heterogene Leiterbestandtheile an einander stossen. Mit ist die auf dem Flächenelement nach dem Innern des Leiters gezogene Normale bezeichnet.

 Für den Beharrungszustand, den wir voraussetzen, ist im Innern des Leiters an jeder Stelle:


(3)


|[240]und an jeder Stelle der isolirten freien Oberfläche:


(4)


Folglich bleibt auf der rechten Seite der Gleichung (2) nur noch das Oberflächen-Integral, erstreckt über beide Seiten jeder Unstetigkeitsfläche, übrig:


(5)


Wir nehmen in irgend einer Unstetigkeitsfläche ein Flächenelement , errichten in einem Punkte desselben die Normale nach beiden Seiten und zählen auf ihr von dem Fusspunkte aus den Abstand positiv nach der einen, negativ nach der anderen Seite. Dann ist auf der Seite der positiven Normale und auf der Seite der negativen Normale . Folglich lässt sich statt der Gleichung (5) auch schreiben:


(6)


Hier ist die Integration über jede Unstetigkeitsfläche nur einmal zu erstrecken. Nehmen wir aber Rücksicht auf die Gleichung (3) des §. 57, so ergibt sich sofort:



und danach erhält man statt (6) einfacher:


(7)


Auch hier ist die Integration über jede Unstetigkeitsfläche nur einmal zu erstrecken. Setzen wir nun speciell voraus, dass in allen Punkten einer und derselben Unstetigkeitsfläche die Resultirende der elektromotorischen Kräfte constant und normal zur Fläche gerichtet sei, so ist für jede einzelne dieser Flächen die Spannungsdifferenz



|[241]es ist ferner für irgend eine Unstetigkeitsfläche



wobei die Stromintensität in der Richtung der wachsenden vorstellt, also die Elektricitätsmenge ist, welche in dem Zeitelement durch die Unstetigkeitsfläche in der angegebenen Richtung hindurchgeht. Hiernach vereinfacht sich die Gleichung (7) zu der folgenden:


(8)


in welcher das Zeichen bedeuten soll, dass das Product für jede Unstetigkeitsfläche gebildet, und dass die sämmtlichen Producte summirt werden sollen.

 Wir legen durch den Leiter zwei Schnittflächen und , welche aus demselben ein vollständig begrenztes Stück herausschneiden. Die Fläche , soll einfach zusammenhängend sein. Ihre
Fig. 35.
Begrenzung soll aus einer einzigen in sich zurücklaufenden und sich selbst nicht durchschneidenden Linie bestehen, die zugleich in der freien Oberfläche des Leiters liegt. Dasselbe soll für gelten (Fig. 35). Ferner sollen und Niveauflächen der Potentialfunction sein, d. h. die Potentialfunction soll in allen Punkten von denselben constanten Werth und in allen Punkten von denselben constanten Werth haben. Es handelt sich darum, für das zwischen und liegende Stück des Leiters zu berechnen. Hier ist das Integral (1) über eben dieses Stück des Leiters zu erstrecken, und in gleicher Weise das Raum-Integral in (2). Das Oberflächen-Integral in (2) ist dagegen auszudehnen über die isolirte freie Oberfläche zwischen den Begrenzungslinien von und , ferner über und und über die Umhüllungen der in dem Leiterstück etwa vorhandenen Unstetigkeitsflächen. Das Raum-Integral in (2) ist wieder gleich Null. Ebenso das über die isolirte freie Oberfläche erstreckte Oberflächen-

|[242]Integral. Für die Umhüllungen der Unstetigkeitsflächen gelten die in den Gleichungen (5), (6), (7), (8) enthaltenen Transformationen. Von den Unstetigkeitsflächen rührt also für das zu berechnende Integral (1) ein Beitrag



her, in welchem die Summirung sich nur auf die in dem Leiterstück vorhandenen Unstetigkeitsflächen bezieht. Es bleiben noch die über und auszudehnenden Oberflächen-Integrale übrig. Diese können, da und constant sind, geschrieben werden:



Dabei ist die Richtung der positiven so gelegt, dass sie von in das Leiterstück hineinführt, von dagegen aus demselben heraus. Nun ist



die Elektricitätsmenge, welche in dem Zeitelement durch die Fläche in das Leitersystem einströmt, dagegen



die Elektricitätsmenge, welche in demselben Zeitelement durch austritt. Beide Mengen sind einander gleich. Wir erhalten also:


(9)


Hier bezieht sich die Summirung auf die Producte für alle innerhalb des Leiterstückes befindlichen Unstetigkeitsflächen.*)[1]



  1. *) Ueber den Inhalt der §§.57, 58, 59, 60, 63 vergleiche man: Kirchhoff, über die Anwendbarkeit der Formeln für die Intensitäten der galvanischen Ströme in einem Systeme linearer Leiter auf Systeme, die zum Theil aus nicht linearen Leitern bestehen. Poggendorff, Annalen. Bd. 75. S. 189.