Schwanengesang
Textvorlagen
Bearbeiten1. Liebesbotschaft
BearbeitenLudwig Rellstab
[471]
Rauschendes Bächlein,
So silbern und hell,
Eilst zur Geliebten
So munter und schnell?
Mein Bote sey Du;
Bringe die Grüße
Des Fernen ihr zu.
All’ ihre Blumen
Die sie so lieblich
Am Busen trägt,
Und ihre Rosen
In purpurner Gluth,
Mit kühlender Fluth.
Wenn sie am Ufer,
In Träume versenkt,
Meiner gedenkend
Tröste die Süße
Mit freundlichem Blick,
Denn der Geliebte
Kehrt bald zurück.
Mit röthlichem Schein,
Wiege das Liebchen
In Schlummer ein.
Rausche sie murmelnd
Flüstre ihr Träume
Der Liebe zu.
2. Kriegers Ahnung
BearbeitenLudwig Rellstab
[472]
In tiefer Ruh liegt um mich her
Der Waffenbrüder Kreis;
Mir ist das Herz so bang und schwer,
Von Sehnsucht mir so heiß.
An ihrem Busen warm!
Wie freundlich schien des Heerdes Gluth,
Lag sie in meinem Arm!
Hier, wo der Flamme düstrer Schein
Hier fühlt die Brust sich ganz allein,
Der Wehmuth Thräne quillt.
Herz! Daß der Trost Dich nicht verläßt!
Es ruft noch manche Schlacht. –
Herzliebste – Gute Nacht!
3. Frühlings-Sehnsucht
BearbeitenLudwig Rellstab
[473]
Säuselnde Lüfte
Wehend so mild,
Blumiger Düfte
Athmend erfüllt!
Wie habt ihr dem pochenden Herzen gethan?
Es möchte Euch folgen auf luftiger Bahn!
Wohin?
Bächlein, so munter
Wallen hinunter
Silbern in’s Thal.
Die schwebende Welle, dort eilt sie dahin!
Tief spiegeln sich Fluren und Himmel darin.
Hinab?
Grüßender Sonne
Spielendes Gold,
Hoffende Wonne
Wie labt mich Dein selig begrüßendes Bild!
Es lächelt am tiefblauen Himmel so mild
Und hat mir das Auge mit Thränen gefüllt! –
Warum?
Wälder und Höh’!
Schimmernd erglänzet
Blüthenschnee!
So dränget sich Alles zum bräutlichen Licht;
Sie haben gefunden was ihnen gebricht:
Und du?
[474] Rastloses Sehnen!
Wünschendes Herz,
Klage und Schmerz?
Auch ich bin mir schwellender Triebe bewußt!
Wer stillet mir endlich die drängende Lust?
Nur Du befreiest den Lenz in der Brust,
4. Ständchen
BearbeitenLudwig Rellstab
[474]
Leise flehen meine Lieder
Durch die Nacht zu Dir;
In den stillen Hain hernieder,
Liebchen, komm’ zu mir!
In des Mondes Licht;
Des Verräthers feindlich Lauschen
Fürchte, Holde, nicht.
Hörst die Nachtigallen schlagen?
Mit der Töne süßen Klagen
Flehen sie für mich.
Sie verstehn des Busens Sehnen,
Kennen Liebesschmerz,
Jedes weiche Herz.
Laß auch Dir das Herz bewegen,
Liebchen, höre mich!
Bebend harr’ ich Dir entgegen!
5. Aufenthalt
BearbeitenLudwig Rellstab
[475]
Rauschender Strom,
Brausender Wald,
Starrender Fels
Mein Aufenthalt.
An Welle reiht,
Fließen die Thränen
Mir ewig erneut.
Hoch in den Kronen
So unaufhörlich
Mein Herze schlägt.
Und wie des Felsen
Uraltes Erz,
Bleibet mein Schmerz.
Rauschender Strom,
Brausender Wald,
Starrender Fels
6. In der Ferne
BearbeitenLudwig Rellstab
[475]
Wehe dem Fliehenden
Welt hinaus ziehenden! –
Fremde durchmessenden,
Heimath vergessenden,
Freunde verlassenden
Folget kein Segen, ach!
Auf ihren Wegen nach!
[476] Herze, das sehnende,
Sehnsucht, nie endende,
Heimwärts sich wendende!
Busen, der wallende,
Klage, verhallende,
Hoffnungslos sinkender!
Lüfte, ihr säuselnden,
Wellen sanft kräuselnden,
Sonnenstrahl, eilender,
Die mir mit Schmerze, ach!
Dies treue Herze brach –
Grüßt von dem Fliehenden
Welt hinaus ziehenden!
7. Abschied
BearbeitenLudwig Rellstab
[476]
Ade, Du muntre, Du fröhliche Stadt, Ade!
Schon scharret mein Rösslein mit lustigem Fuß;
Jetzt nimm meinen letzten, den scheidenden Gruß.
Du hast mich wohl nimmermehr traurig gesehn,
Ade...
Ade, Ihr Bäume, Ihr Gärten so grün, Ade!
Nun reit’ ich am silbernen Strome entlang,
Weit schallend ertönet mein Abschiedsgesang;
So wird Euch auch keines beim Scheiden beschert.
Ade...
Ade, Ihr freundlichen Mägdelein dort, Ade!
Was schaut Ihr aus blumenumduftetem Haus
Wie sonst, so grüß’ ich und schaue mich um,
Doch nimmermehr wend’ ich mein Rösselein um.
Ade...
[477] Ade, liebe Sonne, so gehst Du zur Ruh’, Ade!
Wie bin ich Euch Sternlein am Himmel so hold;
Durchziehen die Welt wir auch weit und breit,
Ihr gebt überall uns das treue Geleit.
Ade...
Du glänzest so traulich mit dämmerndem Schein
Und ladest so freundlich ins Hüttchen uns ein.
Vorüber, ach, ritt ich so manches mal
Und wär’ es denn heute zum letzten mal?
Ade, Ihr Sterne, verhüllet Euch grau! Ade!
Des Fensterleins trübes, verschimmerndes Licht
Ersetzt Ihr unzähligen Sterne mir nicht;
Darf ich hier nicht weilen, muß hier vorbei,
Ade, Ihr Sterne, verhüllet Euch grau! Ade!
8. [Der Atlas]
BearbeitenHeinrich Heine
[160]
Ich unglücksel’ger Atlas! eine Welt,
Die ganze Welt der Schmerzen, muß ich tragen,
Ich trage Unerträgliches, und brechen
Will mir das Herz im Leibe.
Du wolltest glücklich sein, unendlich glücklich,
Oder unendlich elend, stolzes Herz,
Und jetzo bist du elend.
9. [Ihr Bild]
BearbeitenHeinrich Heine
[160]
Ich stand in dunkeln Träumen,
Und starrte ihr Bildniß an,
Und das geliebte Antlitz
Heimlich zu leben begann.
Ein Lächeln wunderbar,
Und wie von Wehmuthsthränen
Erglänzte ihr Augenpaar.
Auch meine Thränen flossen
Und ach, ich kann es nicht glauben,
Daß ich dich verloren hab’!
10. [Das Fischermädchen]
BearbeitenHeinrich Heine
[161]
Du schönes Fischermädchen,
Treibe den Kahn ans Land;
Komm zu mir und setze dich nieder,
Wir kosen Hand in Hand.
Und fürchte dich nicht zu sehr;
Vertraust du dich doch sorglos
Täglich dem wilden Meer.
Mein Herz gleicht ganz dem Meere,
Und manche schöne Perle
In seiner Tiefe ruht.
11. [Die Stadt]
BearbeitenHeinrich Heine
[161]
Am fernen Horizonte
Erscheint, wie ein Nebelbild,
Die Stadt mit ihren Thürmen,
In Abenddämmrung gehüllt.
Die graue Wasserbahn;
Mit traurigem Takte rudert
Der Schiffer in meinem Kahn.
Die Sonne hebt sich noch einmal
Und zeigt mir jene Stelle,
Wo ich das Liebste verlor.
12. [Am Meer]
BearbeitenHeinrich Heine
[162]
Das Meer erglänzte weit hinaus
Im letzten Abendscheine;
Wir saßen am einsamen Fischerhaus,
Wir saßen stumm und alleine.
Die Möwe flog hin und wieder;
Aus deinen Augen liebevoll
Fielen die Thränen nieder.
Ich sah sie fallen auf deine Hand,
Ich hab’ von deiner weißen Hand
Die Thränen fortgetrunken.
Seit jener Stunde verzehrt sich mein Leib,
Die Seele stirbt vor Sehnen; –
Vergiftet mit ihren Thränen.
13. [Der Doppelgänger]
BearbeitenHeinrich Heine
[162]
Still ist die Nacht, es ruhen die Gassen,
In diesem Hause wohnte mein Schatz;
Sie hat schon längst die Stadt verlassen,
Doch steht noch das Haus auf demselben Platz.
Und ringt die Hände, vor Schmerzensgewalt;
Mir graust es, wenn ich sein Antlitz sehe, –
Der Mond zeigt mir meine eigne Gestalt.
[163] Du Doppeltgänger! du bleicher Geselle!
Das mich gequält auf dieser Stelle,
So manche Nacht, in alter Zeit?
14. Die Taubenpost
BearbeitenJohann Gabriel Seidl
[662]
Ich hab’ eine Brieftaub in meinem Sold,
Die ist gar ergeben und treu,
Sie nimmt mir nie das Ziel zu kurz,
Und fliegt auch nie vorbei.
Auf Kundschaft täglich hinaus,
Vorbei an manchem lieben Ort,
Bis zu der Liebsten Haus.
Dort schaut sie zum Fenster heimlich hinein,
Gibt meine Grüße scherzend ab
Und nimmt die ihren mit.
Kein Briefchen brauch’ ich zu schreiben mehr,
Die Thräne selbst geb’ ich ihr;
Gar eifrig dient sie mir.
Bei Tag, bei Nacht, im Wachen und Traum,
Ihr gilt das alles gleich:
Wenn sie nur wandern, wandern kann,
Sie wird nicht müd’, sie wird nicht matt,
Der Weg ist stets ihr neu;
Sie braucht nicht Lockung, braucht nicht Lohn,
Die Taub’ ist so mir treu!
Versichert des schönsten Gewinns;
Sie heißt – die Sehnsucht! Kennt ihr sie? –
Die Botin treuen Sinns.
Fassung von Franz Schubert
Bearbeiten1te Abtheilung
Bearbeiten1. Liebesbotschaft
BearbeitenLudwig Rellstab
[2] Rauschendes Bächlein,
so silbern und hell,
eilst zur Geliebten
so munter und schnell;
[3] Ach! trautes Bächlein,
mein Bothe sey du,
bringe die Grüsse
des Fernen ihr zu.
All’ ihre Blumen
im Garten gepflegt,
die sie so lieblich
am Busen trägt,
und ihre Rosen
in purpurner Gluth,
[4] Bächlein, erquicke
mit kühlender Fluth,
und ihre Rosen
in purpurner Gluth,
Bächlein, erquicke
mit kühlender Fluth,
Wann sie am Ufer
in Träume versenkt,
[5] meiner gedenkend
das Köpfchen hängt;
tröste die Süsse
mit freundlichem Blick,
denn der Geliebte
kehrt bald zurück,
tröste die Süsse
mit freundlichem Blick,
denn der Geliebte
kehrt bald zurück,
[6] Neigt sich die Sonne
mit röthlichem Schein,
wiege das Liebchen
in Schlummer ein,
rausche sie murmelnd
in süsse Ruh,
flüstre ihr Träume
der Liebe zu,
[7] flüstre ihr Träume
der Liebe zu.
2. Kriegers Ahnung
BearbeitenLudwig Rellstab
[10] In tiefer Ruh liegt um mich her
der Waffenbrüder Kreis.
Mir ist das Herz so bang und schwer,
so bang so schwer,
von Sehnsucht mir so heiss –
[11] von Sehnsucht mir so heiss.
Wie hab’ ich oft so süss geträumt
an ihrem Busen warm,
wie freundlich schien des Heerdes Gluth,
lag sie in meinem Arm,
lag sie in meinem Arm,
[12] Hier, wo der Flammen düstrer Schein,
ach, nur auf Waffen spielt,
hier fühlt die Brust sich ganz allein,
hier fühlt die Brust sich ganz allein –
der Wehmuth Thräne quillt,
der Wehmuth Thräne quillt.
[13] Herz, dass der Trost dich nicht verlässt,
dass der Trost dich nicht verlässt,
es ruft noch manche Schlacht,
Bald ruh’ ich wohl und schlafe fest,
[14] Herzliebste! gute Nacht!
Herzliebste! gute Nacht!
Herz, dass der Trost dich nicht verlässt,
dass der Trost dich nicht verlässt,
es ruft noch manche Schlacht,
[15] bald ruh ich wohl und schlafe fest –
Herzliebste! gute Nacht!
Herzliebste! gute Nacht!
Herzliebste, gute Nacht!
3. Frühlingssehnsucht
BearbeitenLudwig Rellstab
[18] Säuselnde Lüfte
wehend so mild,
Blumiger Düfte
athmend erfüllt!
säuselnde Lüfte
wehend so mild,
[19] Blumiger Düfte
athmend erfüllt!
Wie haucht ihr mich wonnig begrüssend an!
Wie habt ihr dem pochenden Herzen gethan,
es möchte euch folgen auf luftiger Bahn,
es möchte euch folgen auf luftiger Bahn,
Wohin? wohin?
[20] Bächlein, so munter
rauschend zumahl,
wollen hinunter
silbern ins Thal.
Bächlein, so munter
rauschend zumahl,
wollen hinunter
silbern ins Thal.
Die schwebende Welle, dort eilt sie dahin!
tief spiegeln sich Fluren und Himmel darin,
[21] was ziehst du mich sehnend verlangender Sinn,
was ziehst du mich sehnend verlangender Sinn,
Hinab? Hinab?
Grüssender Sonne
spielendes Gold,
hoffende Wonne
bringest du hold,
Grüssender Sonne
spielendes Gold,
[22] hoffende Wonne
bringest du hold.
Wie labt mich Dein seelig begrüssendes Bild!
Es lächelt am tiefblauen Himmel so mild,
und hat mir das Auge mit Thränen gefüllt,
und hat mir das Auge mit Thränen gefüllt.
Warum? Warum?
[23] Grünend umkränzet
Wälder und Höh,
schimmernd erglänzet
Blüthenschnee!
Grünend umkränzet
Wälder und Höh,
schimmernd erglänzet
Blüthenschnee.
So dränget sich alles zum bräutlichen Licht,
es schwellen die Keime, die Knospe bricht,
[24] Sie haben gefunden was ihnen gebricht,
sie haben gefunden was ihnen gebricht.
Und du? und du?
Rastloses Sehnen,
wünschendes Herz,
immer nur Thränen,
Klage und Schmerz?
Rastloses Sehnen,
wünschendes Herz,
[25] immer nur Thränen,
Klage und Schmerz?
Auch ich bin mir schwellender Triebe bewusst,
Wer stillet mir endlich die drängende Lust?
Nur du befreyst den Lenz in der Brust,
nur du befreyst den Lenz in der Brust,
nur du – nur du!
4. Ständchen
BearbeitenLudwig Rellstab
[28] Leise flehen meine Lieder
durch die Nacht zu dir,
in den stillen Hain hernieder,
Liebchen, komm zu mir.
Flüsternd schlanke Wipfel rauschen
in des Mondes Licht,
[29] in des Mondes Licht,
des Verräthers feindlich Lauschen
fürchte, Holde, nicht,
fürchte, Holde, nicht.
Hörst die Nachtigallen schlagen?
ach sie flehen dich,
[30] mit der Töne süssen Klagen
flehen sie für mich.
Sie verstehn des Busens Sehnen,
kennen Liebesschmerz,
kennen Liebesschmerz,
rühren mit den Silbertönen
jedes weiche Herz,
jedes weiche Herz.
Lass auch dir die Brust bewegen,
[31] Liebchen, höre mich,
Bebend harr’ ich dir entgegen,
komm, beglücke mich!
komm, beglücke mich –
beglücke mich.
5. Aufenthalt
BearbeitenLudwig Rellstab
[34] Rauschender Strom,
brausender Wald,
starrender Fels,
mein Aufenthalt,
rauschender Strom,
brausender Wald,
starrender Fels,
mein Aufenthalt.
[35] Wie sich die Welle
an Welle reiht,
fliessen die Thränen
mir ewig erneut,
fliessen die Thränen
mir ewig erneut,
fliessen die Thränen
mir ewig erneut.
[36] Hoch in den Kronen
wogend sichs regt,
So unaufhörlich
mein Herze schlägt,
hoch in den Kronen
wogend sichs regt,
So unaufhörlich
mein Herze schlägt.
Und wie des Felsen
uraltes Erz
[37] ewig derselbe
bleibet mein Schmerz,
ewig derselbe
bleibet bleibet mein Schmerz,
ewig derselbe
bleibet mein Schmerz.
[38] Rauschender Strom,
brausender Wald,
starrender Fels
mein Aufenthalt,
rauschender Strom,
brausender Wald,
starrender Fels,
rauschender Strom,
brausender Wald,
mein Aufenthalt,
6. In der Ferne
BearbeitenLudwig Rellstab
[40] Wehe dem fliehenden
Welt hinaus Ziehenden!
Fremde Durchmessenden,
Heimath Vergessenden,
Mutterhaus Hassenden,
Freunde Verlassenden
folget kein Segen, ach,
auf ihren Wegen nach,
auf ihren Wegen nach!
[41] Herze! das sehnende,
Auge, das thränende,
Sehnsucht nie endende,
Heimwärts sich wendende,
Busen der wallende,
Klage, verhallende,
Abendstern blinkender,
hoffnungslos sinkender
hoffnungslos sinkender –
[42] Lüfte, ihr säuselnden,
Wellen sanft kräuselnden,
Sonnenstrahl, eilender
nirgend verweilender:
die mir mit Schmerze, ach!
dies treue Herze brach,
[43] grüsst von der Fliehenden,
Welt hinaus Ziehenden,
Welt hinaus Ziehenden.
Lüfte, ihr säuselnden,
Wellen sanft kräuselnden,
Sonnenstrahl, eilender
nirgend verweilender:
[44] Die mir mit Schmerze ach,
dies treue Herze brach,
grüsst von der Fliehenden,
Welt hinaus Ziehenden,
Welt hinaus Ziehenden.
2te Abtheilung
Bearbeiten7. Abschied
BearbeitenLudwig Rellstab
[46] Ade! du muntre, du fröhliche Stadt, Ade!
Schon scharret mein Rösslein mit lustigen Fuss,
jetzt nimm meinen letzten, den scheidenden Gruss,
[47] du hast mich wohl niemals noch traurig gesehn,
so kann es auch jetzt nicht beym Abschied geschehn.
so kann es auch jetzt nicht beym Abschied geschehn.
Ade! du muntre, du fröhliche Stadt, Ade!
[48] Ade! ihr Bäume, ihr Gärten so grün, Ade!
Nun reit’ ich am silbernen Strome entlang,
weit schallend ertönet mein Abschiedsgesang,
nie habt ihr ein trauriges Lied gehört,
so wird euch auch keines beym Scheiden bescheert,
[49] so wird euch auch keines beym Scheiden bescheert,
Ade! Ihr Bäume, ihr Gärten so grün, Ade!
Ade! ihr freundlichen Mägdlein dort, Ade!
Was schaut Ihr aus Blumen umduftetem Haus
[50] mit schelmischen, lockenden Blicken heraus!
Wie sonst, so grüss ich und schaue mich um,
doch nimmer wend’ ich mein Rösselein um,
doch nimmer wend’ ich mein Rösselein um,
Ade! ihr freundlichen Mägdlein dort, Ade!
[51] Ade! Liebe Sonne, so gehst du zur Ruh! Ade!
Nun schimmert der blinkenden Sterne Gold,
wie bin ich euch Sternlein am Himmel so hold,
durchziehn wir die Welt wir auch weit und breit,
ihr gebt überall uns das treue Geleit,
[52] ihr gebt überall uns das treue Geleit,
Ade! Liebe Sonne, so gehst du zur Ruh! Ade!
Ade! du schimmerndes Fensterlein hell, Ade!
Du glänzest so traulich mit dämmerndem Schein,
und ladest so freundlich ins Hüttchen uns ein.
[53] Vorüber, ach, ritt ich so manches mahl,
und wär es denn heute zum letzten mahl
und wär es denn heute zum letzten mahl,
Ade! du schimmerndes Fensterlein hell, Ade!
[54] Ade! Ihr Sterne, verhüllet Euch grau! Ade!
des Fensterlein trübes verschimmerndes Licht
ersetzt ihr unzähligen Sterne mir nicht;
Darf ich hier nicht weilen, muss hier vorbey,
was hilft es, folgt ihr mir noch so treu,
darf ich hier nicht weilen, muss hier vorbey,
[55] was hilft es, folgt ihr mir noch so treu?
Ade! Ihr Sterne verhüllet Euch grau, Ade!
8. Der Atlas
BearbeitenHeinrich Heine
[58] Ich unglücksel’ger Atlas,
ich unglücksel’ger Atlas! eine Welt,
die ganze Welt der Schmerzen muss ich tragen,
die ganze Welt muss ich tragen,
Ich trage Unerträgliches, und brechen
[59] will mir das Herz im Leibe.
Du stolzes Herz, du hast es ja gewollt,
du wolltest glücklich seyn, unendlich glücklich,
oder unendlich elend, unendlich elend,
[60] stolzes Herz,
und jetzo bist du elend,
Ich unglücksel’ger Atlas,
ich unglücksel’ger Atlas, eine Welt,
die ganze Welt der Schmerzen muss ich tragen,
die ganze Welt muss ich tragen.
9. Ihr Bild
BearbeitenHeinrich Heine
[62] Ich stand in dunkeln Träumen
und starrt ihr Bildniss an,
Und das geliebte Antlitz
heimlich zu leben begann.
Um ihre Lippen zog sich
ein Lächeln, wunderbar,
[63] und wie von Wehmuthsthränen
erglänzte ihr Augenpaar.
Auch meine Thränen flossen
mir von den Wangen herab –
und ach, ich kann es nicht glauben,
dass ich dich verloren hab.
10. Das Fischermädchen
BearbeitenHeinrich Heine
[66] Du schönes Fischermädchen,
treibe den Kahn ans Land
Komm zu mir und setze dich nieder,
wir kosen Hand in Hand,
komm zu mir und setze dich nieder,
[67] wir kosen Hand in Hand,
wir kosen Hand in Hand.
Leg’ an mein Herz dein Köpfchen
und fürchte dich nicht zu sehr.
Vertraust du dich doch sorglos
[68] täglich dem wilden Meer,
vertraust du dich doch sorglos
täglich dem wilden Meer.
Mein Herz gleicht ganz dem Meere,
hat Sturm und Ebb’ und Fluth,
[69] und manche schöne Perle
in seiner Tiefe ruht,
und manche schöne Perle
in seiner Tiefe ruht,
in seiner Tiefe ruht.
11. Die Stadt
BearbeitenHeinrich Heine
[72] Am fernen Horizonte
erscheint, wie ein Nebelbild,
die Stadt mit ihren Thürmen,
in Abenddämmrung gehüllt.
[73] Ein feuchter Windzug kräuselt
die graue Wasserbahn,
mit traurigem Takte rudert
der Schiffer in meinem Kahn.
[74] Die Sonne hebt sich noch einmahl
leuchtend vom Boden empor
und zeigt mir jene Stelle,
wo ich das Liebste verlor.
12. Am Meer
BearbeitenHeinrich Heine
[76] Das Meer erglänzte weit hinaus
im letzten Abendscheine,
wir sassen am einsamen Fischerhaus,
wir sassen stumm und alleine.
Der Nebel stieg, das Wasser schwoll,
[77] die Möve flog hin und wieder;
Aus deinen Augen, liebevoll,
fielen die Thränen nieder.
Ich sah sie fallen auf deine Hand,
und bin aufs Knie gesunken;
ich hab’ von deiner weissen Hand
die Thränen fortgetrunken.
[78] Seit jener Stunde verzehrt sich mein Leib,
die Seele stirbt vor Sehnen;
mich hat das unglücksel’ge Weib
vergiftet mit ihren Thränen.
13. Der Doppelgänger
BearbeitenHeinrich Heine
[80] Still ist die Nacht, es ruhen die Gassen,
in diesem Hause wohnte mein Schatz,
sie hat schon längst die Stadt verlassen,
doch steht noch das Haus auf demselben Platz.
[81] da steht auch ein Mensch, und starrt in die Höhe,
und ringt die Hände vor Schmerzensgewalt;
mir graust es, wenn ich sein Antlitz sehe,
der Mond zeigt mir meine eigne Gestalt,
Du Doppelgänger, du bleicher Geselle,
[81] was äffst du nach mein Liebesleid,
das mich gequält auf dieser Stelle,
so manche Nacht, in alter Zeit?
14. Die Taubenpost
BearbeitenJohann Gabriel Seidl
[84] Ich hab’ eine Brieftaub’ in meinem Sold,
die ist gar ergeben und treu;
sie nimmt mir nie das Ziel zu kurz,
und fliegt auch nie vorbey.
Ich sende sie vieltausendmahl
[85] auf Kundschaft täglich hinaus,
vorbey an manchem lieben Ort,
bis zu der Liebsten Haus,
bis zu der Liebsten Haus.
Dort schaut sie zum Fenster heimlich hinein,
belauscht ihren Blick und Schritt,
gibt meine Grüsse scherzend ab,
[86] und nimmt die ihren mit.
Kein Briefchen brauch’ ich zu schreiben mehr,
die Thräne selbst geb ich ihr,
o, sie verträgt sie sicher nicht,
gar eifrig dient sie mir,
gar eifrig dient sie mir.
Bey Tag, bey Nacht, im Wachen und Traum,
[87] ihr gilt das Alles gleich,
wenn sie nur wandern wandern kann,
dann ist sie überreich.
Sie wird nicht müd, sie wird nicht matt,
der Weg ist stets ihr neu,
sie braucht nicht Lockung, braucht nicht Lohn,
die Taub’ ist so mir treu,
die Taub’ ist so mir treu.
[88] Drum heg’ ich sie auch so treu an der Brust,
versichert des schönsten Gewinns;
sie heisst: die Sehnsucht – kennt ihr sie? –
kennt ihr sie?
die Bothinn treuen Sinn’s,
die Bothinn treuen Sinn’s.
[89] Drum heg’ ich sie auch so treu an der Brust,
versichert des schönsten Gewinns,
sie heisst: die Sehnsucht – kennt ihr sie?
kennt ihr sie?
die Bothinn treuen Sinn’s,
die Bothinn treuen Sinn’s.
Anmerkungen (Wikisource)
Bearbeiten- zur Zusammenstellung und Reihenfolge der Lieder siehe: www.gopera.com
- Textvorlagen:
- Ludwig Rellstab: Gedichte von Ludwig Rellstab. Erstes Bändchen. Berlin bei Friedrich Laue 1827. ULB Düsseldorf
- Heinrich Heine: Buch der Lieder. Hamburg, bei Hoffmann & Campe, 1827. Commons
- Joh. Gabr. Seidl's gesammelte Schriften Band IV, S. 338-39. Mit einer Einleitung von Julius von der Traun, Hg. Hans Max. Wien: Braunmüller 1877. Internet Archive