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in Renaissance, Rokoko und Barock wird sich überall in gleicher Weise geltend machen und der Austausch der Kräfte ist lebhafter als ehemals. Die ausgewählten „Schriftproben“ werden immerhin eine gewisse Anschauung von diesen Verhältnissen vermitteln, wenn sie auch kein System darstellen.

Wie das i seinen Punkt erhielt, ist vorhin schon dargestellt worden. Aber damit sind die besonderen Schicksale dieses Buchstabens noch nicht erschöpft. Er ist bis in das 17. Jahrhundert Vokal und Konsonant zugleich. Das verlängerte i bleibt nicht auf das Wortende beschränkt; es dringt in den Inlaut und den Anlaut vor. Beide Formen werden anscheinend ganz nach Gefallen des Schreibers und oft abwechselnd mit y verwendet. Erst von der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts an wird i als Vokal von j dem Konsonanten unterschieden, offenbar unter fremdländischem Einfluß.

Schwieriger war die Unterscheidung von u und v, die ursprünglich identisch sind; v ist aus der scharfwinkeligen Form der Kapitalis, u aus der abgerundeten Form der älteren Kursive und der Unciale abgeleitet. Jedes von ihnen kann ebenso den Selbstlauter wie den Mitlauter darstellen. Es gibt Schriftstücke, in denen überhaupt kein v vorkommt, sondern auch für den Mitlauter nur das u gebraucht wird. Seit dem 14. Jahrh. wird gemeinhin der Vokal im Anlaut mit v, im Inlaut mit u wiedergegeben. Im 15., wie die Schreibung des m, n, und u allmählich in die spitzigen Formen der deutschen Kursive übergeht, beginnt man vereinzelt die u durch ein übergesetztes Häckchen vom n zu unterscheiden; nur vom n, nicht vom v. Bis in das 17. Jahrh. hinein bleibt bestehen, das v und u beide zugleich Vokal und Konsonant sind. Das u-Bögchen aber erhält auch das w, wo es für u steht, z. B. in fraw.

Ein eigenes Alphabet von Großbuchstaben hat sich die deutsche Kursivschrift erst im Lauf dieser Jahrhunderte neu geschaffen. Es sind in der Hauptsache gesteigerte Formen der Kleinbuchstaben, z. T. wie etwa das H, in Anlehnung an die Formen der alten Minuskel. Die seltsamsten Formen, die sich z. B. in den „Schriftproben“ finden, sind vielfach

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dadurch hervorgerufen, daß noch keine anerkannte Normalform bestand und man auf die Formen der Minuskel angewiesen war, die uns immer wieder an unsere Druckschrift erinnern müssen.

Von Abkürzungen hat man in deutschen Texten auch früher nicht so reichlich wie in lateinischen Gebrauch gemacht. Lange erhalten hat sich die Gewohnheit, die Silbe er durch ein übergesetztes Häkchen zu ersetzen und das Weglassen von Endsilben en oder em, auch das Fehlen des zweiten m oder n bei Verdoppelung im Inlaut, durch einen übergesetzten Strich anzudeuten. Geblieben ist auch die Ligatur für et oder und: &, und die für etc., die in Mißverständnis der im 15. Jahrh. und in Wiegendrucken gebrauchten Form später und heute noch mit x wiedergegeben wird. Von Ligaturen, wie sie noch die gotische Minuskel und Kursive gebraucht, zeigen die Tafeln mancherlei Beispiele, z. B. T. XVIII, und die „Schriftproben“[1].

Das römische Zahlensystem, wie es das Mittelalter übernommen hat, besteht aus 7 Buchstaben, die zur Bezeichnung von Zahlenwerten verwendet werden: MDCLXVI. Heutzutage gebraucht man diese regelmäßig, so wie der Humanismus sie erneuert hat, in den Formen der alten Monumentalschrift der littera quadrata, die in der Schreibschrift sonst nicht mehr verwendet wird. Sie sind also heute bis zu einem gewissen Grad in bestimmter Form erstarrt und außerhalb des Alphabets getreten, selbständige Zahlzeichen geworden. In älterer Zeit war das nicht der Fall. Sie haben vielmehr früher an den mancherlei Aenderungen der Schrift ihren vollen Anteil genommen, sind nacheinander in Kapitalis, Uncialis oder Minuskel verwendet worden und haben


  1. Wer sich gründlicher mit der Geschichte der Schrift beschäftigen will, dem seien als Wegweiser besonders zwei Werke empfohlen, die auch die Hauptgrundlage der vorstehenden Ausführungen bilden: W. Arndt, Schrifttafeln zur Erlernung der Paläographie. 4 Aufl. besorgt von M. Tangl 1904-6. Franz Steffens, Latein. Paläographie 1903. Dazu kommen noch die mehrfach zitierten Schriftproben aus Urbaren und Lagerbüchern des 14. bis 18. Jahrh. im Württ. Staatsarchiv 1928.
Gebhard Mehring: Schrift und Schrifttum
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