Schney, ein Rittergut im Canton Baunach
|
V.
Schney,
ein Rittergut im Canton Baunach.
Schney, ein der unmittelbaren Reichsritterschaft in Franken, Orts an der Baunach, einverleibtes, der Reichsgräfl. Familie von Brockdorf zuständiges Rittergut, liegt nahe an der fürstl. Bambergischen Municipalstadt Lichtenfels, von welcher es bloß durch den Mayn und die daran stossenden dieß- und jenseitigen Änger getrennet wird: drey Stunden von Coburg und vier Meilen von Bamberg. Die Gegend und Lage dieses Orts ist sehr reizend. Wenn| man auf der Anhöhe gegen Mitternacht stehet und mittagwärts siehet: so erblickt man vor sich hin den offenen Mayngrund. Morgenwärts, Trieb und Nosanger, zwey Kloster-Langheim. Höfe, und in der Entfernung die fürstl. Bamberg. Muncipalstadt Burkunstadt. Mittagwärts zeigt sich Lichtenfels mit seiner Brücke über den Mayn, und weiterhin das Domcapitelische Städtchen Staffelstein. Zur Rechten erhebt sich Vierzehnheiligen, die geschmackvolle Kirche eines berühmten Wallfahrtsorts: zur Linken gegen über aber das prächtige Kloster Banz. Wo diese freyen Aussichten aufhören, schliesset sich der Kranz des Waldes an, welcher der Lichtenfelser Forst genennet wird. Das Auge siehet sich kaum satt an den manchfaltigen Abwechselungen von Wiesen, Feldern, Städten, Klostergebäuden, mehrern Dörfern und hohen Tannenwäldern: deren ganzer Prospect der durch weite Bogen und Krümmungen durchhin strömende Mayn verschönert..
Der Ort selbst bestehet, mit Einschluß der gräfl. Schloßgebäude, aus 200 Wohnhäusern. Er dehnet sich in seinen beyden Extremen so in die Länge, daß man von der Seite von Lichtenfels her, von dem ersten| Hause an, eine halbe Stunde zu gehen hat, ehe man die letzteren hart an den Forst anstossenden Häuser erreichet. Der mittlere Theil dieses Orts enthält mehrere regelmäßige Gassen, meistens mit zwey Stockwerk hohen Gebäuden besetzt. Der durchhin fließende, sich in den Mayn ergießende Schney-Bach, theilt den Ort in zwey Hälften, die mit einer steinernen Brücke verbunden sind, von welcher die Gemeinde ein Brückengeld zu erheben berechtigt ist. Dieser Bach treibt drey Mühlen. Eine Mahlmühle mit drey Gängen; eine Schneidmühle an dem Ausfluß dieses Bachs, über welchen daselbst eine zweyte steinerne Brücke gehet; und gleich daneben eine Glasurmühle für die hiesige Porcellanfabrik. Das Gräfl. Schloß ist ein massives antikes Gebäude, auf der Seite gegen den äussern Schloßhof zu mit einem schönen Altan umgeben. An diesen stößet an der Abendseite die Kirche, ein dunkeles Gebäude, das wegen seiner Baufälligkeit sowohl, als wegen des Mangels an Raum, schon seit mehrern Jahren hätte niedergerissen werden und einem neuern und erweiterten Bau Platz machen sollen. Dieser Kirche gegen über, auf einer Anhöhe an der Straße nach Coburg, befindet sich der Gottesacker| nebst einer neuen Begräbnißkirche, in welcher die bey Beerdigungen gewöhnlichen Leichenpredigten gehalten werden. Beydes sind evangelische Kirchen, welcher Religion die gräfliche Herrschaften und der Ort selbst zugethan sind. Doch wohnen auch Katholiken hier, die ihren Gottesdienst zu Lichtenfels abwarten und übrigens alle Toleranz genießen..
Die Zahl der Einwohner erstreckt sich, mit Inbegriff der Kinder, über 500. Sie nähren sich theils vom Feldbau, theils vom Potaschenhandel; theils sind sie Künstler und Handwerker. Letztere haben hier ihre eigenen Innungen. Es finden sich darunter: 8 Schneider-Meister; 8 Schuster; 6 Weber; 1 Beutler; 1 Bordenwirker; 1 Strumpfweber; 2 Becker; 3 Metzger; 1 Müller; 7 Büttner; 2 Wagner; 3 Grobschmide; 2 Nagelschmide; 2 Schlosser; 1 Büchsenmacher; 1 Häfner; 2 Maurer; 2 Zimmerleute; 1 Riemer; 2 Drechsler; 1 Schachtelmacher. Zu den Künstlern gehört 1 Mahler, 1 Chirurgus, nebst dem Personale der hiesigen Porcellanfabrik. Dieses bestehet aus den zwey Eigentümern derselben, deren Einer Arcanist ist, der Andere| aber die Factorey und Handlungsgeschäffte besorget. Zu den Fabrikanten selbst gehören: 6 Dreher; 2 Bunt- und 4 Blaumahler; über dieß noch 1 Capseldreher und 1 Glasurmüller. Das Porcellan selbst gleicht an Güte dem Wallendörfer. Es werden aus demselben alle Arten von Theegut verfertiget: die Hauptproducte aber sind Türkenbecher, von welchen jährlich mehrere Tausende bestellet und versendet werden.
Zur Aufnahme Reisender und Fremden finden sich hier zwey Gasthöfe und ein Wirthshaus: zur Recreation für die Sommermonate aber über dieses noch ein wohl eingerichtetes Gebäude über dem Felsenkeller: welches der vorzüglichste Standpunct der Eingangs geschilderten Aussichten ist. Fuhrleute, mit Gut nach Sachsen beladen, gehen sehr häufig von Bamberg über Lichtenfels durch die Schney, und machen ein ziemliches Ersparniß des Weges, indem sie Coburg und Neustadt an der Heide, wohin die Poststraße nach Sachsen eigentlich führet, seitwärts liegen lassen. Somit zeichnet sich dieser Ort wegen seiner annehmlichen Lage und Lebhaftigkeit, auch Betriebsamkeit und Nahrungsstandes der Einwohner, in der ganzen Nachbarschaft vorzüglich aus.