Schneewittchen (Meggendorfer)
[U1]
[1]
Es saß einst eine Königin |
Wie sie so saß und für sich sann, |
Das war so schön, daß sie rief aus: |
[2]
Und sieh, es war noch kaum ein Jahr, |
Der König nahm die zweite Frau – |
Sie hat ein Spieglein an der Wand; |
[3]
„Die Schönste, Königin, bist du!“ |
Da hättet ihr sie sollen seh’n; |
Dort stech es ab und bringt mir heim |
[4]
Und wo der Wald gar dunkel war, |
Mit einem Blick, der tief ihm drang |
Er zeigte in den Wald hinein: |
[5]
So läßt er sie und jagt geschwind |
– Schneewittchen sah nach langem Geh’n |
Und innen erst, wie war’s da nett! |
[6]
Sie waren ja so furchtbar klein; |
Sie staunten an, das große Kind, |
Jedoch die böse Stiefmama |
[7]
Schnürriemen zeigte sie der Maid, |
Es schnürte ihren kleinen Leib, |
Doch als die Königin kam heim, |
[8]
Mit einem Apfel, weiß und rot, |
So bot sie ihn Schneewittchen dar; |
„Geh’ Närrchen, schau, ich schenk ihn dir, |
[9]
Und fiel zu Boden steif und stumm. |
Zu Haus, das Spieglein an der Wand, |
Die Zwerge fanden bleich und fahl |
[10]
Doch sah das Kind nicht aus wie tot, |
In einem Sarg aus hellem Glas |
Einst kam ein junger Prinz vorbei |
[11]
Frug sehr erstaunt die Zwerge er, |
Als dieses liebe Kind anschau’n! |
So flehte er die Hüter an, |
[12]
Ein Träger stieß mit seinem Bein |
Nun denkt euch einmal diese Freud’, |
Du wirst mein liebes Weibchen sein, |