Schleppschifffahrt an versenktem Drahtseil

Textdaten
Autor: unbekannt
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Titel: Schleppschifffahrt an versenktem Drahtseil
Untertitel:
aus: Gewerbeblatt aus Württemberg, Jahrgang 1869, Nr. 47, S. 465–468
Herausgeber: Königl. Centralstelle für Gewerbe und Handel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: Stuttgart
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
siehe auch: Tauerei
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[465]
Schleppschifffahrt an versenktem Drahtseil.

In Nr. 8 dieses Jahrganges des Gewerbeblattes hat Herr Wasserbau-Inspektor v. Martens eine kurze Beschreibung eines von den Herren de Mesnil und Eyth erfundenen Systems der Flußschifffahrt mit Drahtseil (vergl. auch S. 19 des Gewerbeblatts d. J.) gegeben. Dasselbe hat seither in Belgien Anwendung gefunden. Einer Reihe von Versuchen, welche von den genannten Herrn auf der Maas zwischen Lüttich und Ramur im Monat Juni d. J. vorgenommen wurden, hat im Auftrage des K. Ministeriums des Innern Herr Wasserbau-Inspektor v. Martens beigewohnt. Dem von ihm erstatteten Berichte entnehmen wir die folgenden Mittheilungen, welche für Württemberg von besonderem Interesse sind.

Bei der Erörterung der Frage, ob die Schleppschifffahrt an versenktem Drahtseil auf dem Neckar zwischen Heilbronn und Mannheim, wo in trockenen Jahrgängen die Fahrwassertiefe bis auf 15 Zoll herabsinkt, wohl mit Vortheil eingeführt werden kann, ist vor Allem zu konstatiren, daß schon Tauschlepper von 14 Pferdekräften mit nur 11/2' Tiefgang erbaut und auf der Elbe erprobt worden sind; auch sollen derartige für die obere Donau konstruirt werden. Ich habe übrigens Herrn Eyth, welcher den Neckar ziemlich kennt und dem ich dessen Verhältnisse noch näher beschrieb, hierüber noch besonders um [466] seine Ansicht befragt. Derselbe zweifelt nicht, daß auch bei dem jetzigen Zustande des Stromes Tauschlepper von ca. 12 Pferdekräften und 1,5' Tiefgang mit Vortheil anzuwenden wären; ein solcher könnte 600 Tonnen à 20 Ctr. mit einer Geschwindigkeit von 4 Kilometer per Stunde befördern. Das Tau müßte einen Durchmesser von 3/4" engl. haben.

Zur Bestimmung der ungefähren Anlage und Betriebskosten mögen nachstehende Notizen als Anhaltspunkte dienen.

Der Neckar von Heilbronn nach Mannheim hat nach der neuen Messung eine Länge von 112,4 Kilometer (30,16 Stunden à 13000'). Das Meter Drahtseil kostet sammt Legen 2,1 Frcs., daher das ganze Tau rund 112,400 fl. Da ferner ein Schleppboot bei 4 Kilometer Geschwindigkeit in der Stunde zu einer Reise von Mannheim nach Heilbronn = 28,1 Stunden oder 2 Tage braucht, zur Thalfahrt 1 Tag, Aufenthalt zum Aus- und Einladen etc. ebenfalls ein Tag, so kann es in 300 Tagen 75 Reisen machen; wird im Durchschnitt ein Schiffszug von 400 Tonnen oder 8000 Ctr. Ladung zum Transportiren angenommen, so befördert ein Schleppboot im Jahr 600,000 Centner, oder ungefähr die Hälfte der zu Berg kommenden Güter; es sind deßhalb mit einem Reserveschlepper 3 Schiffe nöthig, wofür aber mit Rücksicht auf den stärkeren Andrang von Gütern zu gewissen Zeiten mindestens 4 anzunehmen sind, und da der Preis eines Schleppschiffes circa 15,000 fl. ist, so würde der Aufwand für deren Anschaffung 60,000 fl. und die Kosten der ganzen Einrichtung ca. 180,000 fl. betragen.

Die Betriebskosten für ein Schleppboot auf der Maas sind per Monat:

1 Kapitän 120 Frcs.
1 Maschinist 100 Frcs.
1 Heizer 90 Frcs.
2 Schiffsleute 180 Frcs.
Kohlen 125 Frcs. (zu 11 Fr. die Tonne.)
Oel, Schmieren etc.    30 Frcs.
Zusammen    645 Frcs.

Die Fracht bei Bergfahrten wird von Mannheim nach Heilbronn mit ca. 6 kr. per Centner berechnet oder 0,04 Fr. pro Tonne und Kilometer, während nach dem Tarif der Société de touage auf der Maas die Fracht per Tonne und Kilometer 0,0085 Fr. bei aufgerichteten Wehren und 0,028 Fr. bei niedergelegten Wehren kostet; sie ist also um die Hälfte höher als nach dem Tarif für die Maas bei niedergelegten Wehren und beinahe 5 mal so hoch als bei eingesetzten Wehren. [467] Angesichts dieses so überaus günstigen Einflusses, welchen die Kanalisirung eines Flusses auf die Billigkeit der Frachten für Güter ausübt, liegt die Frage nahe, ob die Beschaffenheit des Neckars, wenigstens in seinem untern Theile von Heilbronn an, der Kanalisirung übermäßige Schwierigkeiten in den Weg legen würde oder nicht?

Das Flußbett selbst muß als in jeder Beziehung sehr geeignet hiezu bezeichnet werden, denn es ist weder in Arme gespalten, noch sind solche Krümmungen vorhanden, welche der Schifffahrt ernstliche Hindernisse bereiten; die Ufer sind nirgends seicht und Mühlwehre existiren unterhalb von Heilbronn nicht mehr; es sind zwar noch einige Neckarmühlen vorhanden, welche aber nicht als ein wesentliches Hinderniß zu betrachten sind, vielmehr könnte möglicherweise die Wasserkraft derselben noch vermehrt werden.

Größer sind die Schwierigkeiten, welche das starke Gefäll des Neckars seiner Kanalisirung entgegensetzt, denn während das Durchschnittsgefäll der Seine zwischen Paris und Montereau 0,02 Proz. und das der Maas zwischen Lüttich und Ramur 0,02 bis 0,03 Proz. beträgt, ist das des Neckars von Heilbronn (466 Par. F.) bis Heidelberg (302') bei einer Länge von 23 Stunden à 13,000' – 0,063 Proz. (zwischen Heilbronn und Böttingen 0,056 Prozent).

Auf die Erhaltung einer Minimalwassertiefe von 1,2 Meter bis 1,8 Meter, wie bei obigen Flüssen wird man daher verzichten und sich mit 0,8 Meter (2,8') begnügen müssen, was aber gegenüber den bestehenden Verhältnissen, bei welchen der Wasserstand des Flusses oft gerade zur Zeit des stärksten Verkehrs auf 1,8', ja bis 1,5' herabsinkt, immerhin ein außerordentlicher Gewinn wäre. In diesem Fall würden die Wehre, wenn ein Aufstau von 7' über den ursprünglichen (6' über den neuen) Niederwasserspiegel angenommen wird, eine durchschnittliche Entfernung von 13,000' oder 1 Stunde von einander erhalten, und wären bis Heidelberg deren 23 erforderlich.

Nach den Mittheilungen in den „Annales des ponts et chaussées“ über die Anlagekosten der Wehre und Schleußen an der obern Seine, wird ein Neckarwehr mit Berücksichtigung seiner geringeren Länge, sammt Schleuße für einen ganzen Schiffszug auf ca. 250,000 fl. anzuschlagen sein und die Kanalisirung des Neckars bis Heidelberg daher einen Aufwand von ca. 6 Millionen Gulden erfordern, wovon ca. 11/4–11/2 Millionen für 5 oder 6 Wehre und Schleußen auf die Strecke von Heilbronn bis zur Landesgrenze bei Böttingen träfen.

So sehr bedeutend dieser Aufwand auch ist, so erscheint er doch nach den oben gegebenen Nachweisungen über die dadurch zu erzielenden volkswirthschaftlichen Vortheile nicht unverhältnißmäßig, wie ja auch für manche Eisenbahn [468] in gleicher Berücksichtigung ebenso große und selbst größere Opfer gebracht worden sind und noch gebracht werden, obgleich auf ihre direkte Rentabilität nicht gerechnet werden kann; überdieß könnte die Ausführung auf eine längere Reihe von Jahren vertheilt und dadurch die Beschaffung der Mittel erleichtert werden. Jedenfalls dürfte es sich lohnen, diese wichtige Frage eingehenderen Studien zu unterziehen, umsomehr als bei dem neuen Aufschwung, den die Flußschifffahrt überall zu nehmen beginnt, ohne Zweifel bald auch Anforderungen an eine durchgreifende Verbesserung der Neckarwasserstraße sich erheben werden.

Nicht minder wird die Einführung der Dampfschleppschifffahrt mit versenkter Kette oder Drahtseil auf der Donau bis Donauwörth voraussichtlich Veranlassung geben, ihre Weiterführung bis Ulm in's Auge zu fassen und auch diesem Handelsplatze die Vortheile einer geregelten Schifffahrt mit billiger Fracht zuzuwenden.