Textdaten
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Autor: Unbekannt
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Titel: Schicksal einer Geige
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aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 120
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1853
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[120] Schicksal einer Geige. Im Park des polnischen Grafen P. fand man eines Morgens einen jungen Mann, welcher sich durch einen Pistolenschuß den Kopf zerschmettert hatte, in der krampfhaft geballten Faust hielt er eine blonde Locke, neben ihm lag eine unscheinbare Geige. Die junge Gräfin hatte blondes Haar. Sie ließ den Todten in einem dunklen Eichenwäldchen bestatten, umwand die Geige mit einem schwarzen Flor, und hing sie neben das Bild ihrer verblichenen Mutter. Nach einem Jahre starb die schöne Gräfin, die Geige verlor ihr heimlich stilles Plätzchen, und wurde den jüngern Geschwistern der Gräfin zum Spielwerk überlassen, welche bald Hals und Saitenhalter abbrachen und mit ihr, wie mit einem Schlitten, in der Stube herumfuhren. Ein armer Bettelmusikant, welcher, vor Hunger und Kälte halb erstarrt, eines Abends am Schloßthor seine klägliche Fidel ertönen ließ, erhielt sie von der mitleidigen Kammerzofe, nebst einer kleinen Gabe an Geld, zum Geschenk. In dem benachbarten Städtchen ließ er sie von einem Tischler in Stand setzen und bettelte sich damit bis nach Wien. Hier wurde sie dem armen Teufel für eine kleine Zeche von 40 Kreuzern, die er nicht zu bezahlen im Stande war, abgenommen. Ein Gehülfe des berühmten Geigen- und Lautenmachers St. kaufte sie für diesen Preis, und überließ sie seinem Meister für 5 Gulden. Dieser erkannte sogleich den kostbaren Werth dieses Instruments; es war eine von den berühmtesten Geigenbauern Nikolo und Andrea Amati zu Cremona verfertigte Geige. Durch eine geschickte Reparatur gab er ihr die frühere Gestalt und den alten Ton zurück, und verkaufte sie an den Legationssekretär, Grafen von K.....y, für den Preis von 250 Dukaten. Dieser wurde später bei der österreichischen Gesandtschaft in Madrid angestellt; seine liebe Amati-Geige begleitete ihn. Hier machte er die Bekanntschaft einer italienischen Sängerin, in welche er sich sterblich verliebte, und welche eigensinnig die schöne Amati-Geige als Preis ihrer Gunst verlangte. Der Graf kämpfte lange, doch die Liebe siegte, und eines Morgens sandte er der verführerischen Sängerin die Geige mit einem zärtlichen Billet, worin er sich bei ihr zum Nachtessen einlud. Als er sich um 10 Uhr Abends bei ihr einfand, war diese bereits mit Donelli, einem italienischen Musiker und ihrem heimlichen Liebhaber, abgereist. Donelli hatte die ganze Intrigue eingeleitet. In Neapel wurde Donelli Chef des Musikchores der italienischen Nobelgarde, mit welcher er 1811 nach Rußland ging; hier wurde fast das ganze Regiment aufgerieben, und die Bagagewagen desselben, welche in einem Moraste stecken geblieben waren, von den Russen geplündert. Unsere Amati-Geige fiel in die Hände eines Kosaken, welcher sie mit nach Moskau nahm und hier an einen Tischlergesellen für einen Silberrubel verkaufte. Diesem mochte das abgegriffene Instrument nicht elegant genug aussehen, er nahm dicke rothe Oelfarbe, strich sie damit an, nahm sie mit nach seiner Heimath, Breslau, und verkaufte sie hier aus Noth an einen Geigenmacher für 2 Thaler. Dieser war kein Anderer, als der ehemalige Gehülfe des berühmten St. in Wien; er erkannte auch sofort an einem Reparaturzettel auf der linken Sarge das Instrument, schrieb an St. nach Wien, welcher sie ihm auch für 200 Thaler abnahm. Der Graf K...y war in London. St. bot ihm die Geige zum zweiten Male an, und der Graf K.....y kaufte sie zum zweiten Male für 250 Dukaten. Zwei Jahre später ging er nach Florenz; hier machte er die Bekanntschaft Paganini’s, welchem er seine Amati-Geige zeigte. Paganini bot dem Grafen auf der Stelle 500 Dukaten. Der Graf aber, entzückt und hingerissen von Paganini’s zauberischem Spiel, machte sie ihm großmüthig zum Geschenk. Paganini ward nun mit dem geliebten Instrumente ein Leib und eine Seele, – sie wurde seine schwärmerisch geliebte Braut. Als ihm in London ein reicher Lord 40,000 Frankes dafür bot, – lachte er ihm höhnisch in’s Gesicht.