Textdaten
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Autor: Wilhelm Hertz
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Titel: Schön Heite
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aus: Gedichte, S. 149f.
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Hoffmann und Campe
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Erscheinungsort: Hamburg
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Quelle: Scans auf Commons und Google
Kurzbeschreibung:
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[149]
Schön Heite.

In finstrer Nacht vom Felsenstein
Flimmt blutig trüb ein Feuerschein,
     Und in dem Schimmer sitzet
Ein Bild, nicht Mädchen und nicht Weib,

5
Goldhaar umspinnt den nackten Leib,

     Ihr großes Auge blitzet.

Sie lehnet regungslos am Baum,
Das Haupt nur wiegt sie wie im Traum,
     Die Zauberin Schön Heite.

10
Und wer die öde Straße zieht,

Dem singt ihr Mund ein seltsam Lied,
     Ein Lied zum ew’gen Leide.

Sie lag im Grabe manches Jahr,
Bis daß ihr Zauber fertig war,

15
     Um Grab und Tod zu zwingen.

Doch nur dem Haupt ward Lebenskraft,
Ihr Leib ist noch in Todeshaft,
     Den konnt’ sie nicht entringen.

[150]

Noch prangt der Glieder Marmorpracht,
Die Brüste scheinen durch die Nacht

20
     Wie weiße Todtenrosen.

Doch Alles wär’ des Moders Raub,
Würd’ nicht mit diesem schönen Staub
     Manch warmes Leben kosen.

Denn wer ihr in das Auge sieht,

25
Den bannt ihr süßes Zauberlied,

     Der kommt nicht mehr von hinnen.
Ihr Lächeln flammt ihm durch das Blut,
Er brennt in wilder Wahnsinnsgluth,
     Den todten Leib zu minnen.

30
O sterbensbange Liebeslust!

Wie pressest du des Jünglings Brust
     Im letzten Kampf zusammen!
Schön Heite ist erbarmungslos,
Sie saugt in ihren kühlen Schooß

35
     All seines Lebens Flammen.


Der Mond steigt auf, das Roth verglimmt,
Ein formlos Nebelbild verschwimmt
     Im Tanne trüb’ und trüber.
Der bleiche Buhle regt sich nicht.

40
Wehlächelnd starrt sein Angesicht

     Zum öden Wald hinüber.