Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: San Lazzaro
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 5, S. 84
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1897
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[81]

Die Klosterinsel San Lazzaro bei Venedig.
Nach dem Gemälde von H. Corrodi.

[84] San Lazzaro. (Zu dem Bilde S.77.) In der Lagune, deren Flut die zahllosen Kanäle Venedigs durchströmt, liegt in der Richtung nach dem offenen Meer, eine Reihe größerer und kleinerer Inseln verstreut, die von alters her zum Besitze der stolzen „Königin der Meere“ gehört haben. Die Geschichte Venedigs hat ihnen eine sehr verschiedene Bestimmung gegeben. Auf Murano erhielt die von der Stadt selbst betriebene Glasindustrie ihr Heim, nach San Michele verlegten die Venetianer ihren Friedhof, andere Inseln wurden mit Hospitälern und Klöstern besiedelt. Das kleine San Lazzaro hat im Laufe der Zeiten sowohl das eine wie das andere erfahren; als es seinen Namen erhielt, ward auf demselben ein Spital für Aussätzige errichtet, später trat das noch heute bestehende armenische Mechitaristenkloster an dessen Stelle. Armenische Mönche hausen dort in völliger Abgeschiedenheit von der Welt; aber für die armenische Welt, die noch heute wie vor Jahrhunderten ihr Christentum in den Ländern des Orients gegen den Islam in schweren Kämpfen behaupten muß, ist dieses stille Heiligtum ein Bollwerk von hoher Bedeutung, eine Art nationaler Akademie für die Pflege ihrer Religion, für die Herstellung ihrer Bibeln und Andachtsbücher in armenischer Schrift und Sprache. „Armenische Greuel“, grausame Verfolgungen der Armenier durch die Türken, wie sie auch gegenwärtig wieder die mitleidvolle Teilnahme Europas herausfordern, waren es, die zur Gründung dieses Asyls führten. Der Stifter desselben, Mechitar, stand seit 1702 an der Spitze eines armenischen Klosters auf Morea, als dort die Kämpfe der Türken gegen die Herrschaft der Venetianer ausbrachen, die für die ersteren siegreich verliefen. Nach der Zerstörung dieses Klosters durch die Türken im Jahre 1716 suchte er mit den Brüdern in Venedig Zuflucht und erhielt vom Senat die Insel San Lazzaro zur Errichtung eines neuen Klosters überwiesen. Was hier dann jene Flüchtlinge und ihre Nachfolger ins Leben gerufen haben, nötigt dem Besucher die höchste Achtung ab. Mit Staunen sieht man beim Durchschreiten der Bibliothek, welche Schätze christlicher Bildung dieses uns fremde Volk des Orients besitzt, erblickt man in der Buchdruckerei des Klosters die Mechitaristenbrüder bei der Arbeit am Setzkasten, um in den ihrem Volke verständlichen Lettern nicht nur Bibelausgaben und Gebetbücher, sondern auch Uebersetzungen klassischer Werke der ersten Dichter und Denker Europas herzustellen. Schlicht, freundlich und gewinnend ist das Wesen der Mönche, von denen einer immer bereit ist, fremde Besucher durch die Räume der Bibliothek, der Kirche und der Buchdruckerei zu geleiten und ihm einen Blick in den herrlichen Garten zu gewähren, der die anspruchslosen Gebäude umhegt. Die ganze Pracht der Vegetation des Südens findet sich hier entfaltet, üppiger Rosenflor rankt sich an riesenhaften Cypressen empor und der berauschende Duft blühender Orangen und Magnolien dringt über die Mauern, die nach dem Meer zu dies stille Heiligtum umgeben, in welchem die armenische Kirche im Schutze Venedigs wie Europas eine ungefährdete Zufluchtsstätte besitzt.