Sagen von Hamburgs Entstehung

Textdaten
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Autor: Otto Beneke
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Titel: Sagen von Hamburgs Entstehung
Untertitel:
aus: Hamburgische Geschichten und Sagen, S. 1–4
Herausgeber:
Auflage: 2. unveränderte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Perthes-Besser & Mauke
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Erscheinungsort: Hamburg
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Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
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[1]
1. Sagen von Hamburgs Entstehung.
(Um 805.)

Als nach der großen Sündfluth Noah’s zweiter Sohn, Ham, mit Weib und Kind in die weite Welt gegangen war, da ist er auf seinen Fahrten auch in diese Gegend der Unterelbe gekommen und hat ein festes Haus gebaut auf der Höhe der Uferberge, und hat es nach seinem Namen Hams Burg oder Hamburg genannt, und einige seiner Söhne nebst ihren Weibern und Kindern darin gelassen. Und diese haben sich rund umher angebaut, und eine Stadt gegründet, und das ist der Ursprung Hamburgs und die Abstammung der Hamburger, – also meinen Einige.


Andere sagen: Als das Griechische Heidenthum im Morgenlande zerstört worden, da ist ein Schwarm Heiden, welche den Jupiter Ammon oder Hammon am höchsten verehrt und nicht von ihm haben lassen wollen, in diese Gegend gekommen allwo sie ihrem Abgotte ein neues Heiligthum erbauet, sich rings umher niedergelassen und befestiget, und diese Stätte Hammonsburg genannt haben. Und davon rührt der noch heut zu Tage übliche Name der Stadt Hammonia her, welcher absonderlich gern von den Poeten gebraucht wird. Als Kaiser Karl der Große aber gekommen ist, da hat er [2] diesen Götzendienst gänzlich abgeschafft, die christliche Lehre eingeführt und einen Dom nebst fester Burg dazu gebauet, den alten Namen aber hat er gelassen.


Wieder Andere sagen: Hier zu Lande haben Deutsche gewohnt aus dem Stamme der Sachsen, die Wald- oder Holt-Sassen, deren Name in Holsten sich verkehrt hat, daraus des Landes Name Holsteen oder Holstein entstanden ist. Das möchte nun so weit ganz richtig sein. Diese alten Sachsen haben (so sagen Jene) unter den vaterländischen Gottheiten hauptsächlich den Thor oder Asathor verehrt, den sie Hamoys genannt haben, welcher an der Stätte, wo jetzt Hamburg steht, sein Heiligthum gehabt hat. Daher ist sie geheißen Hamoysburg oder Hammenburg. Das Karl der Große solch heidnisches Wesen der Sachsen zerstört und sie zum Christenthum geführt, berichtet diese Sage auch. Also ist der Name Hammonia von dem Beinamen des Altgermanischen Gottes Thor entstanden.


Noch Andere sagen: Hier habe ein unmenschlicher Riese und großer Fechter gehaust, mit Namen Ham, welcher von dem gewaltigen Nordlandshelden Starkater (Stark-Attr oder Stark-Ottur) im offenen Kampfe ist erschlagen worden. Und den Ort, da er gewohnet, den habe man Hamburg genannt.


Auch heißt es, die Bewohner dieser Stätte hätten neben dem Fischfange auch viel Viehzucht getrieben, und es verstanden, sonderlich gute Schinken, Rauch- und Pökelfleisch zu bereiten, so daß man ihre Stadt darnach benannt Hammen-Burg, [3] will sagen Schinken-Stadt, da man in damaliger Sprache einen Schinken oder Bug oder Schulterknochen eine Hamme geheißen habe. „Was ich aber mehr aus seinen Unwerth, denn auf seinen Werth beruhen lassen will, obwohl es eine gar feine Erklärung scheint, wenn man an die schönen Stücke Fleisch gedenket, so allerzeit in unsrer guten Stadt geräuchert und von hier in die weite Welt verführet worden sind.“


Wunderlich ist es, daß einige sonderbare Bierfreunde den Namen unsrer Stadt, in der vor Zeiten das beste Bier der Welt gebrauet worden, mit dem fabulosen Biergötzen Gambrinus in Verbindung bringen, und sagen, es habe gehießen Gambrins Burg, woraus Gamsburg und daraus Hamburg geworden. Der Name der Marschlandschaften (Alten- und Neuen-) Gamme hänge damit zusammen, denn von daher sei Hopfen und Malz zum Hamburgischen Brauwerk gekommen. So sinnreich auch diese Etymologia ist und so vielen Beifall sie heut zu Tage in unseren wieder erstandenen Bierhallen finden möchte, so kann man ihr dennoch mit Fug nicht beifallen.


Uebergehend noch viele andere meist unstatthafte oder unwahrscheinliche Sagen über Hamburgs Namen und Ursprung, z. B. von dem Stamme der Gambrivier, die aber hierorts niemals gehauset haben, ist dagegen noch diese anzuführen: In dieser Gegend habe das edle Geschlecht derer von Hamme gehauset, welche in dem jetzigen Dorfe Ham ihren Wohnsitz gehabt; diese Herren hätten vor Karls des Großen Zeiten eine Burg näher der Elbe gebauet, und sie nach ihrem Namen Hamburg genannt, worauf der Kaiser ihnen Burg und Burgfrieden abgekauft habe.

[4] Gewiß ist, daß die alten Sachsen eine große Waldung mit dem Namen Hamm oder Hamme bezeichnet haben, wie auch daß die ganze Gegend längs der Bill-, Alster- und Elb- Niederung eine große Waldung gewesen ist. Gewiß auch ist, daß davon die Ortschaft Hamm ihren Namen trägt, und daß die Herren von Hamme daselbst gelebt haben. Nur so viel später, daß man sie nicht füglich als Gründer der ersten Hammaburg ansehen kann. Diese wird von Karl dem Großen gegründet und nach der umliegenden Hamme (Waldung) also benannt worden sein. Denn noch später hieß man die Holzung, die vor Entstehung des St. Jacobi- und St. Georgs- Kirchspiels auf deren Grund und Boden stand, „die Hamme,“ und nur in dem heutigen Dorf Hamm ist der alte Name für die gesammte große Waldung übrig geblieben.

Es geht hiemit wie mit vielen Dingen menschlichen Wissens, es ist Stückwerk, davon der alte Spruch gilt:

„Ich weiß davon nichts kundhaft Wahres,
Wer’s aber weiß, der offenbar’ es.“

Anmerkungen

[374] Die hier mitgetheilten finden sich unter vielen anderen bei den Geschichtsschreibern Hamburgs: Cranz, Lambeccius, Adelungk, Steltzner u. s. w.