Rosen-Monate heiliger Frauen/Adelheid
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LIX.
16. Dezember.
Adelheid.
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Als dieser Otto II. elf Jahre alt war, dachte sein Vater daran, auch ihm die Kaiserkrone zuzuwenden und führte ihn daher mit großer Pracht nach Rom,| woselbst er vom Papst Johann XIII. die Krone empfieng. Hernachmals vermählte ihn sein Vater mit der Tochter des griechischen Kaisers Theophania, und es schien nun, als hätte der erste Otto nicht blos selbst die höchste Stufe des Glücks erreicht, sondern auch seinem Sohne und Nachfolger die schönste Zukunft eingeleitet. Im Jahre 973 starb er zu großem Leidwesen Adelheids, denn obgleich er in ihr einen großen Schatz beseßen hatte, und sein gestrenger Sinn von ihr gar oft zur Milde und Güte gelenkt worden war, so hatte sie doch in ihm nicht blos den Gemahl, sondern auch den theuren Retter und einen väterlichen Freund verloren. Schon bei Lebzeiten ihres Gemahls hatte sie bei seinen Zügen nach Welschland das Regiment geführt, und zwar zu allgemeiner Zufriedenheit mit unvermutheter Kraft, ohne deshalb den weiblichen Sinn zu verleugnen. Als nun Otto gestorben war, führte sie anstatt des noch jungen Sohnes das Ruder. Es geschah ihr jedoch, was sie vorausgesehen, denn beim Tode ihres Gemahls war es ihr völlig klar, daß sie nie wieder so glücklich werden würde, als sie gewesen war. Ihre Schwiegertochter, eine Fürstin von großen Vorzügen, ließ nichtsdestoweniger die Schwiegermutter| ihren Stolz fühlen; andere aber nahmen von ihrer großen Wohlthätigkeit Anlaß, sie bei ihrem Sohne in übles Licht zu stellen. Der leicht erregte junge Herr vergaß des Dankes, und war all zu offen gegen den Einfluß der Feinde seiner Mutter, so daß er ihr all sein Vertrauen entzog, und mit Theophania kalt und lieblos gegen sie wurde. So wie ihr früherhin ein Stiefsohn schweren Gram und Harm bereitet hatte, so that es nunmehr der Sohn, und die fromme Wittwe, die ihr Herz mit leichtem Muthe von allen Gütern der Erde bereits losgemacht hatte, und klösterlich in einem Leben der Aufopferung für andere dahin lebte, hatte ein Leid gefunden, das ihr zu schwer wurde und sie aus dem Lande trieb. Nach vergeblicher Anwendung aller Liebe und Geduld, den Sinn ihrer Kinder zu ändern, gieng sie nach Italien und von da zu ihrem Bruder Conrad, dem Könige von Burgund. Durch ihren Weggang entstand aber in Deutschland eine große Lücke und dem jungen Kaiser gieng es so vielfach in die Hand, wie wenig er noch reif war, ohne ihren Rath das Reich zu regieren, daß er die Vermittlung seines Oheims von Burgund, sowie des frommen Abtes von Clugny, Majolus, gerne annahm, um die Verzeihung| seiner Mutter zu erlangen. Er eilte nach Pavia und warf sich seiner Mutter mit Thränen zu Füßen, sie aber verzieh ihm gerne, und von da an war der Sohn ihr mit unverbrüchlicher Treue ergeben. Indes gieng es auch nun wieder, wie in ihrem Leben so oft: das Glück dauerte nicht lange, und es stellte sich ein baldiger Wechsel ein. Bereits nach drei Jahren starb Otto mitten in der Fülle und Kraft der Jugend, und hinterließ einen Sohn von drei Jahren, Otto III., diesem aber das Reich unter der Vormundschaft seiner Mutter Theophania und seiner Großmutter Adelheid. Da nun der König ein Kind, und Deutschland ein Wahlreich war, so entstanden eine Menge von Verwirrungen; Parteien widerstrebten sich, und Theophania, vielleicht von Höflingen aus Constantinopel aufgereizt, stellte sich gegen ihre treffliche Schwieger wieder in harten Gegensatz. Ihr Sinn war, Adelheid „auch nicht einen Zoll Erde zu laßen, den sie beherrschen könnte.“ Allein ehe das Jahr vergieng, das sich Theophania zur Ausführung ihres Zieles bestimmt hatte, wurde sie krank und starb, so daß nun die hochbetagte alte Kaiserin, statt ihre Tage in stiller Abgeschiedenheit zu schließen, wie sie begehrt hatte, nach| Deutschland zurückgehen und auf allgemeinen Wunsch sich des Reiches und seines jungen Kaisers annehmen mußte. Wenn irgend wer geeignet war, einen Kaiser zu erziehen, so war sie es, eine Frau, hochgeboren, milden Sinnes, im Unglück vielfach erprobt, die bewährte Gemahlin eines Kaisers, die Mutter eines zweiten, und selbst vielfach erprobte Regentin großer Lande in schweren Zeiten. Ihr zur Seite stand der Mönch Gerbert als Erzieher und Lehrer des Enkels, und dieser selbst, Otto III., begegnete seiner Großmutter mit ehrfurchtsvollem Gehorsam, so daß er bei seinen reichen Gaben zur Begeisterung der Zeitgenoßen und fast als ein Wunder der Welt heranreifte. Obwohl noch ein sehr jugendlicher Jüngling, gelang es ihm mit dem Regimente dennoch so, daß seine Großmutter nun glaubte, ihren alten Entschluß ausführen, sich zurückziehen, und ihre Zeit rein dem Heile ihrer Seele und der Förderung ihrer Zeitgenoßen widmen zu können. Voll Liebe und Andenken gegen Gatten und Kinder pilgerte sie zu ihren Grabstätten und erbaute daselbst Klöster zum Andenken, also z. B. zu Palermo, Pavia und Magdeburg, wo die Gebeine ihrer Mutter und ihrer Gatten, Lothar und Otto ruhten. Besonderen Fleiß| aber wendete sie auf das Kloster zu Seltz am Rhein, wie wenn sie geahnt hätte, daß sie selbst dort ruhen sollte. Bei diesem Leben der Wohlthätigkeit und des dankbaren Andenkens an vergangene Zeiten blieb sie ihres eigenen Heiles eingedenk und der Umgang mit dem unsichtbaren Freunde der Seelen, dem HErrn, gab ihr, einer Martha von ausgezeichneter Tugend, die Innigkeit und die Gnade einer Marienseele. Zuweilen wurde es ihr auch gegeben, zukünftiges vorher zu sehen. Als sie einsmals mit vielen Gästen zu Tische saß, und alle ihr bescheidenes und zurückhaltendes Schweigen bewunderten, rief sie plötzlich mit Bestürzung aus: „Bald werden viele sterben, auch Otto wird unter ihnen sein! O Herr wende von mir ab die Schmerzen dieses Lebens!“.
Und siehe da, wie der HErr ihr die Bitte erhörte, die Schmerzen, die neuen drohenden Schmerzen dieses Lebens nicht mehr erfahren zu müßen, so gieng auch ihre Voraussage hinaus, denn ihren Enkel rafften zwei Jahre nach ihrem Tode in Italien auf der Heimkehr von seinem Römerzuge tödtliche Schmerzen dahin, da er erst 22 Jahre alt war. Adelheid, so selbständig sie war, hatte dennoch eine herzliche Begier, namentlich| auf dem Wege zum ewigen Leben und der Vollendung unterwiesen zu werden. Der Erzbischof Adalbert von Magdeburg, die Aebte von Clugny, Majolus und hernach Odilo genoßen ihr ganzes Vertrauen. In der Leitung dieser Männer entwickelten sich je länger je mehr die glänzenden Tugenden der alten Kaiserin. Einmal, als Odilo bei ihr war, erhub sie ihre Augen mit Thränen zu ihm, neigte sich vor ihm, küßte sein Kleid und rief innerlichst bewegt: „Bete für mich, mein Sohn, und laß mich dem Gebete deiner Brüder empfohlen sein, denn wir sehen uns zum letztenmale.“ – Ehe sie von hinnen schied, löste sie noch eine große Aufgabe eines friedfertigen Gotteskindes. Sie reiste zu ihrem Neffen Rudolf von Burgund, und die Ehrwürdigkeit ihres greisen Alters in Verbindung mit der hohen Weisheit der alten Regentin stillte ihm die Stürme des Aufruhrs, welche sich wider ihn erhoben hatten. Allein die Mühseligkeit und Anstrengungen der Reise und des Geschäftes nahmen ihre letzten Kräfte dahin. Als sie am Todestage ihres Sohnes den Armen und Hilfsbedürftigen nach Gewohnheit eigenhändig Almosen austheilen wollte, fühlte sie sich so schwach, daß sie ihr Ende vermuthete.| Ihre letzten Stunden waren so ruhig, wie der Einbruch der ersehnten ruhebringenden Nacht nach einem heißen ermüdenden Tage. Inbrünstig nahm sie die Sakramente ihrer Kirche, betete ohne Unterlaß und seufzte mit dem Apostel: Ich habe Lust abzuscheiden, und bei Christo zu sein. Sie hoffte am Weihnachtsfeste sterben zu dürfen, aber ihre Stunde schlug früher, bereits am 16. Dezember des Jahres 999 in ihrem Kloster zu Seltz am Rhein, woselbst sie auch bestattet wurde..
Sieh da, ein kurzer Abriß eines Frauenlebens! Was für eine Frau war das! Was für ein Wechsel, welch große Mannigfaltigkeit ist in ihrem Leben! Groß und gut, so möchte man ihren Lebenslauf nennen. Adelheid trug ihre Kronen als eine geborne, ja als eine wiedergeborne und wahrhaft hochgeborne Königin. Ein Mann, ein Sohn, ein Enkel gehen mit und neben ihr durchs Leben, wie nicht leicht neben einem andern Weibe der Geschichte. Aber auch was für Unglück hat sie in ihrer ersten Ehe, und in ihrer zweiten als Gattin, als Mutter, als Großmutter, als Schwiegermutter! Was für Noth theilt sie mit Bruder und Neffen! Und doch ist sie ungebrochen an Kraft, unermüdlich| im langen Leben, bis sie nach erreichten 68 Jahren, in der Nähe des menschlichen Lebenszieles ihr Auge voll Hoffnung schließt, und ihre zeitlichen Kronen und Ehren alle gern und schmerzlos gegen einen Blick der ewigen Gnade aus JEsu Angesicht eintauscht. Bei einem so großen Beispiel paßt es beßer zur Bewunderung aufzufordern, als zur Nachahmung.
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