Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Schönau

Textdaten
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Autor: Otto Moser
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Titel: Schönau
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aus: Erzgebirgischer Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 4, Seite 45–46
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: [1856]
Verlag: Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
Kurzbeschreibung:
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Schönau
bei Chemnitz.


Alle die zahlreichen Orte dieses Namens sind durchgängig, trotz des scheinbar deutschen Namens, wendischen Ursprungs und bedeuten eine fruchtbare zum Gebrauch der Sichel (Schuna) geeignete Gegend. Somit gehört unser Schönau zu den ältesten Dörfern des Landes und ist wahrscheinlich zu gleicher Zeit mit Chemnitz oder doch sehr bald nachher entstanden. Chemnitz soll die früheste Ansiedelung in der Supanie Chutzizi, wozu die hiesige Gegend gehörte, gewesen sein, und als nach Unterjochung der Ureinwohner nordöstlich von Altchemnitz eine berühmte Wallfahrtskapelle entstand (939) begann auch der Ort sich zu heben, jedoch nicht so schnell als Zwickau, das schon im zehnten Jahrhundert zu einer bedeutenden Stadt geworden war. Otto der Grosse gründete im Jahre 954 bei der vielbesuchten Wallfahrtskirche vor Chemnitz ein Marienkloster das er mit Kanonikern oder Geistlichen besetzte die nach einer bestimmten Klosterregel lebten. Aber das kleine Kloster war ein ärmlicher schon 1127 dem Einsturze naher Holzbau, so dass Kaiser Lothar und seine fromme Gemahlin Reichenza sich entschlossen vor der Stadt ein Benediktinerkloster zu gründen. Dieses Kloster brannte zwar im Jahre 1236 nieder und sollte wegen gänzlicher Mittellosigkeit eingehen, doch die Mönche sammelten eine Collekte und konnten 1274 einen Neubau vornehmen. Seit dieser Zeit gelangte das Benediktinerkloster, auch Bergkloster genannt, durch Schenkungen und Vermächtnisse zu bedeutendem Vermögen, so dass im funfzehnten Jahrhundert bereits ausser verschiedenen Lehnsrechten‚ Zehnten, Mühlen‚ Höfen und Grundstücken es gegen dreissig Dörfer besass und ein Mönch des Klosters sagen konnte „die ganze Umgegend des Klosters, so weit das Auge reiche, sei mit Ausnahme der Stadt Chemnitz dessen Eigenthum“. Durch diesen Reichthum wurden nun aber die Aebte bald so stolz und übermüthig, dass sie sich nicht nur von der Aufsicht des Bischofs von Meissen‚ sondern sogar von der Hoheit des Landesherrn freizumachen suchten und sich „von Gottes Gnaden“ nannten. Da sie endlich verwegen genug waren, sich die Obergerichte über die Stadt und das Patronatrecht darin anmassen zu wollen geriethen sie mit den Chemnitzern und benachbarten Edelleuten in Fehde (1293, 1388 und 1413) die indessen zu Gunsten des Klosters ausfiel, indem die erste Streitigkeit durch Vermittelung des Bischofs von Meissen beseitigt wurde, die zweite den Kirchenbann für die Edelleute nach sich zog, so dass sie beim römischen Stuhle um Gnade bitten mussten, und die dritte der Landesherr verglich.

Im Jahre 1515 legte der Abt Johann von Schleinitz den Grund zu einer neuen Klosterkirche und 1522 war hier der katholische Gottesdienst noch allgemein üblich, indem der Landesherr Herzog Georg der Bärtige die gemessensten Befehle ertheilt hatte die Verbreitung der lutherischen Lehren zu verhindern und die Widersetzlichen zu bestrafen. Als aber am 17. April 1539 Herzog Georg auf dem Schlosse zu Dresden mit Tode abging und die Reformation mit Macht um sich griff, ordnete der neue Landesherr, Heinrich der Fromme, trotz der Drohungen Kaiser Ferdinands und der Vorstellungen des Bischofs von Meissen überall den protestantischen Cultus an, und bildete zu dem Behufe sogar eine besondere mit gehöriger Vollmacht versehene Commission. Den Klöstern zu Chemnitz, – es befand sich in der Stadt noch ein 1481 entstandenes Franziskanerkloster – wurde vorläufig untersagt Novizen anzunehmen und Beichte zu hören, auch sollte der Gebrauch der Monstranz und das Horasingen bei offenen Thüren unterbleiben. Erst im Jahre 1540 erfolgte die vollständige Aufhebung der Klöster. Der Abt des Benediktinerklosters Hilarius Rehfeld fügte sich ziemlich willig der hohen Verordnung und zog nach Chemnitz wo er mit einer anständigen Pension sich am Rossmarkt einmiethete und auch daselbst starb. Die Mönche wanderten theils nach Böhmen‚ theils begnügten sie sich mit Abfindungssummen oder Pensionen und blieben in Chemnitz. Ueber das Eigenthum des Benediktinerklosters verfügte späterhin Herzog Moritz.

Zu den dreissig Dörfern, welche das Benediktinerkloster vor Chemnitz in weitem Umkreise besass, gehörte auch Schönau, das Herzog Moritz im Jahre 1544 für die geringe Summe von 500 Gülden an Peter Büttner in Chemnitz verkaufte, mit welcher er ihn an den Pfarrer zu Schellenberg wies, der besser dotirt werden sollte. Büttner starb erst 1611, und vermöge seines darauf haftenden Vorkaufsrechtes erwarb es 1623 der Oberlandjägermeister und Herr auf Oberrabenstein Hans Georg von Carlowitz von dem Obersten Gabriel Pechmann, und zwar für 4800 Thaler. Nach dem Oberlandjägermeister besass Schönau der Hauptmann Wolf Georg von Carlowitz dem auch Stein und Zschöppernitz gehörte. Von ihm gelangte der Ort an den Obristen von Tuppau (1668) und dann an einen Herrn von Rödebeck, später einen Herrn von Günther, alsdann einen Herrn von Bretschneider und zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts an die Familie von Schönberg. Der kaiserlich Oestreichische Oberst Anton von Schönberg besass Schönau bis 1727 und nach ihm die Gräfin von Schönberg zu Limbach; von 1754 bis 1767 aber der königl. Würtembergische Hofrath von Ziegesar und bis um 1814 ein Herr Jauch zu Leipzig. Im Jahre 1819 gehörte Schönau dem Edlen Carl Gottlob von der Planitz, 1823 einem Major von Weissenbach und 1833 einem Herrn Meyer. Der jetzige Eigenthümer des Gutes ist der Freiherr Herr C. von Uckemann. [46] Schönau ist ein schönes starkbevölkertes Fabrikdorf, gehört zu der grossen Dörferreihe des Cappelgrundes, ist eine Viertelstunde lang, ziemlich breit, stösst oberwärts an Neustadt, unten an Cappel, und liegt sehr angenehm in kaum halbstündiger Entfernung von Chemnitz an der Zwickauer und Hohnsteiner Strasse. Gegen Nordwest erhebt sich das Gebirge ziemlich steil und trägt das einst viel ausgedehntere, wahrscheinlich von der Klostermühle sogenannte Mühlenholz, an welchem die grosse Ziegelei des Rittergutes steht. Die Cappel vereinigt sich hier mit der von Süden kommenden einen seichten Grund bildenden Stelzenbach und beide Flüsschen sind von grossen fruchtbaren Wiesen umgeben. Schönau enthält über hundertzwanzig Häuser mit mehr als tausend Einwohnern, doch sind im Orte nur fünf Bauergüter, und hat derselbe in neuerer Zeit erst sich durch viele Anbaue zu seiner Bedeutung aufgeschwungen, auch hat er mehr das Ansehen einer Vorstadt als eines Dorfes. Die Einwohner Schönaus treiben hauptsächlich Strumpfwirkerei, Weberei, und Spinnerei und ein grosser Theil ist in den Chemmnitzer Fabriken beschäftigt, doch befinden sich auch in Schönau Fabriken. Ausserdem besitzt der Ort einen Gasthof und zwei Mühlen, darunter eine sehr schöne, welche 1817 in der Nähe des Rittergutes auf der Stelle der abgebrannten erbaut wurde. – Das Rittergut hat ein hübsches Herrenhaus, schöne grosse Wirthschaftsgebäude, eine starke Brauerei, wo ein sehr beliebtes Bier bereitet wird, mehrere Teiche, gute Waldung, Schäferei und die bereits erwähnte Ziegelei. Bemerkenswerth für die Geologen ist der auf hiesigen Fluren vorkommende rothe oder auch bunte Thonstein und der rothe bolusähnliche Thon.

Schönau ist mit der Amtsvorstadt Niklasgasse und den Dörfern Cappel Helbersdorf Altendorf und Höckericht in die Nikolaikirche zu Chemnitz eingepfarrt. Noch vor Erbauung dieser Kirche hatte das Kloster dem heiligen Nikolaus, ehemaligen Bischof von Myra in Lydien, zu Ehren eine Capelle errichtet, wodurch das Dorf Cappel entstand. Die jetzige Nikolaikirche wurde im Jahre 1487 vom Churfürsten Friedrich dem Weisen gegründet, brannte jedoch schon 1519 wieder ab, ein Schicksal das ihr auch 1532 wiederfuhr. Im Jahre 1547 riss man sie nebst den übrigen geistlichen Gebäuden der Vorstädte nieder, und als 1632 der berüchtigte Holke Chemmnitz heimsuchte, ging sie sammt dem Schulhause abermals in Flammen auf. Sie wurde 1634 wieder erbaut und hat seit jener Zeit keine Veränderungen erlitten. Ausser einem guten Altargemälde enthält die Nikolaikirche auch noch einige alte Grabmäler. Die Pfarrstelle besetzt das Cultusministerium.

O. Moser.