Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Otterwisch

Textdaten
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Autor: Otto Moser
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Titel: Otterwisch
Untertitel:
aus: Leipziger Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band I, Seite 30–32
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
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Otterwisch.


Das Rittergut Otterwisch liegt etwa fünf Stunden von Leipzig entfernt an der Chaussee, welche diese Stadt mit Rochlitz verbindet, und das dazu gehörige Dorf ist eins der bedeutendsten des Leipziger Kreises. Die Gegend beginnt bereits in sanften Hügeln anzusteigen, und die Aue, welche von der Gösel bewässert wird, zeigt wahrhaft reizende Parthien, namentlich hat die Mühle eine sehr hübsche Lage. Der Ort ist in grösserer oder geringerer Entfernung fast nach allen Seiten hin mit vortrefflichen, aus Buchen, Eichen und anderem Laubholze bestehenden Waldungen umgeben, die in der Nähe des Schlosses bis nahe an die Gebäude hervortreten. Das Dorf zählt über 80 Häuser mit mehr als 500 Einwohnern, von denen die meisten Gärtner, Häusler und Tagelöhner sind, oder als Maurer, Zimmerleute und Fabrikarbeiter in den nächsten Städten Beschäftigung finden. Otterwisch hat ein ziemlich städtisches [31] Ansehn und ist auf seiner östlichen Seite sogar theilweise gepflastert; man theilt es ein in Oberdorf und Niederdorf, doch bilden beide Abtheilungen nur eine Gemeinde. Die Fluren, zu welchen nicht unbedeutende Waldstrecken gehören, rainen südlich mit Colditzer und westlich mit Bornaischem Amtsgebiet. In der Waldung des Rittergutes, welche mit den Pomsener und anderen Forstungen grenzt, befindet sich schon seit langen Jahren ein Steinbruch, dessen Steine vielfach in der Umgegend zum Bauen benutzt werden. Otterwisch enthält eine nicht geringe Anzahl recht hübscher städtisch aussehender Wohnhäuser, und im Anfange unseres Jahrhunderts wohnten nicht selten wohlhabende Familien Leipzigs während der Sommermonate in hiesigem Orte. Uebrigens befindet sich hier ein sehr bedeutender Gasthof mit starker Feldwirthschaft, eine herrschaftliche Geleits- und Chausseegeldereinnahme, ein Gemeindehaus, eine Windmühle und die schon genannte Teichmühle, welche zum Rittergute gehört, und ihr Wasser von dem Göselbach empfängt.

Die Gösel hat ihren Ursprung bei Haynichen im Amte Borna, fliesst in östlicher Richtung durch das nach Otterwisch eingepfarrte Dorf Stockheim, und bildet zwischen Otterwisch und Lauterbach die Grenze der Aemter Grimma und Colditz, woselbst sie einen sehr angenehmen von Büschen eingefassten Wiesengrund bewässert, dann nördlich sich wendend, einen ziemlichen Theil des Otterwischer Waldes durchfliesst, und beim Niederdorfe sich nach Osten ziehend die Hälfte von Otterwisch umfasst, die hiesigen bedeutenden Teiche mit ihrem Wasser speist und dann durch die allerliebste Aue unter der Mühle hinab ihren Weg nach Rohrbach nimmt.

Das Schloss zu Otterwisch gehörte in den Zeiten vor der Reformation, als ein Vorwerk mit kleiner Kapelle den Augustinermönchen zu Grimma, doch besass es 1517 bereits Bernhardt von Hirschfeld, der in genanntem Jahr einen Zug nach Jerusalem unternahm und glücklich wieder in die Heimath zurück kehrte. Im Jahre 1537 geschieht urkundlich eines Wolf von Otterwisch Erwähnung, der indessen wahrscheinlich ein Herr von Hirschfeld war, und nach einer, obgleich damals nicht mehr üblichen Sitte des früheren Mittelalters sich nach seinem Schlosse nannte. David von Hirschfeld besass Otterwisch 1581 und dieser verkaufte das Gut an einen Herrn aus dem Winkel, von dem der Rittmeister Ernst aus dem Winkel, ausser mit dem Orte und Rittergute Otterwisch auch noch mit dem wüsten Dorfe Schalbich oder Kleinbuch, dem Colditzer Teiche, dem Dorfe Grethen, dem Vorwerke Hainichen, der Hälfte des wüsten Dorfes Lindhardt bei Kitscher, und der Wüstung Groitzsch, so den Augustinern zu Grimma zuständig gewesen, belehnt wurde, und 1623 mit Tode abging. Um das Jahr 1660 gelängte Otterwisch an die Herren von Metzsch, von denen der erste Besitzer Sebastian Friedrich von Metzsch hiess, und die Güter in Folge des dreissigjährigen Krieges fast durchgängig wüst und zerstört fand. Hans Friedrich von Metzsch erbaute nach noch vorhandenen alten Nachrichten auf dem sogenannten Groitzsch um das Jahr 1694 einen prächtigen Edelsitz, aber schon 1721 gehörte derselbe nicht mehr den Herren von Metzsch, sondern befand sich im Besitz eines Herren von Ponickau, welcher die Steine des verfallenen Herrenhauses auf dem Groitzsch zu der Aufführung der neuen herrschaftlichen Oekonomiegebäude verwendete. Der Herr von Ponickau verkaufte das Gut bereits im Jahre 1727 an eine Gräfin von Vitzthum für 72,000 Gülden, und von dieser Dame wurde das neue schöne, noch jetzt stehende Schloss erbaut. Sie legte auch von 1752 bis 1754 einen vortrefflichen Garten an, und that überhaupt viel zur Verschönerung und Verbesserung des Gutes. Die Gräfin von Vitzthum behielt Otterwisch bis zum Jahre 1779, und verkaufte es dann an den Fürsten von Schwarzburg-Sondershausen, von dem es dessen Gemahlin die Prinzessin, Friederike, Charlotte, Albertine Katharine zu Schwarzburg-Sondershausen an sich brachte, und 1812 ihrer Tochter Güntherine, Friederike Auguste Charlotte, Prinzessin von Schwarzburg-Sondershausen überliess, die es 1852 an den jetzigen Besitzer, Herrn Johann Dietrich Ludwig Bohne verkaufte.

Das Schloss, welches nicht weit von der Kirche, und nur einige Hundert Schritte vom Walde aufgebaut ist, gehört unter die schönsten und ansehnlichsten des Leipziger Kreises, und besteht aus drei Flügeln zu zwei Etagen nebst Souterrains, wovon das elf Fenster breite Corps de Logis gegen den Garten zeigt, und die kleineren Flügel einen Hof umgeben, der an den Wirthschaftshof stösst. Der Letztere wird von fünf massiven, symetrisch gestellten und höchst geschmackvoll erbauten Flügeln gebildet, von denen der eine parallel mit der Strasse läuft. Oestlich von dem wahrhaft reizenden und in höchst edlem Style gebauten Schlosse befindet sich der Garten, welcher allerdings nach dem Geschmacke seiner Entstehungszeit eine etwas altfranzösische Steifheit zeigt, dabei aber recht hübsche Rasenplätze und höchst angenehme Spaziergänge nach dem Walde und am Ufer des Göselflusses bietet, so wie mit einigen Springwässern und brav gearbeiteten Statuen geschmückt ist. Am südöstlichen Rande des Gartens befindet sich ein Pavillon, von dem man hübsche Aussichten nach der Richtung von Stockheim und Hainichen geniesst. Die Schäferei steht am nördlichen Ende des Dorfes auf einem Hügel über dem oberen Teiche, und fällt durch ihre eigenthümliche Bauart nicht wenig ins Auge. Man hatte nämlich ursprünglich den Plan, auf dieser Stätte das Schloss und die Oekonomiegebäude zu erbauen; als aber von ersterem bereits zwei Flügel aufgebaut waren, fasste man einen anderen Entschluss, und die bereits stehenden Theile des neuen Schlosses verwandelten sich in einen Schafstall mit zwei kleinen angelehnten Flügeln, welche Scheunen und Vorratskammern enthalten. So hat Otterwisch wohl im ganzen Königreiche Sachsen die einzige mit Arkaden und trefflicher Stuckaturarbeit geschmückte Schäferei.

Das Rittergut Otterwisch hat eine sehr umfangreiche, namentlich nach Pomsen hin weit ausgedehnte Flur und beträchtliche Fischerei; auch zeichnet sich der sogenannte untere Mühlteich aus, welcher über tausend Schritte im Umfang hält. Im Jahre 1555 traf der Rittergutsbesitzer von Otterwisch mit dem Stadtrathe zu Grimma ein Uebereinkommen, dass das Wirthshaus in Otterwisch zwar malzen und brauen, jedoch nur mit denen zu Grimma anfangen und aufhören, und deshalb jedesmal von Grimma ein Bierzeichen einholen sollte. Dabei durfte das Wirthshaus das Bier nicht in grossen Quantitäten verkaufen oder verführen, sondern nur im Schankzimmer abgeben; fremde Biere sollte es dagegen nur von Johannis bis zu Mariä Geburt einlegen. Ebenso durfte auch die Stadt Grimma damals dem Rittergutsbesitzer von Otterwisch die Zumuthung stellen, ausser einem Schmiede, einem Leinweber, zwei Schneidern und einem Zimmermanne im Orte keine weiteren Handwerker zu dulden.

Die Kirche zu Otterwisch, ein schönes Gebäude mit einem stattlichen 57 Ellen hohen Thurme, steht mitten auf dem Gottesacker und wurde zu [32] gleicher Zeit mit dem neuen Schlosse erbaut. Früher besass Otterwisch blos eine Kapelle, an der im Jahre 1523 ein päpstlicher Pleban, Oswald von Bamberg, fungirte, welcher sich durch seinen Eifer gegen die Reformation bekannt machte, und zwei vom Bischof von Merseburg wegen ihrer Hinneigung zum Lutherthum citirte Geistliche an den entrüsteten Oberhirten auslieferte. Die Kirche steht ungefähr 520 Pariser Fuss über dem Meere, und ihr Filial Stockheim ist eine halbe Stunde südwestlich von Otterwisch entlegen. Die Parochie steht unter Grimmaischer Inspection; die Kirche und Schule zu Otterwisch unter Collatur des Rittergutsbesitzers, die Schule zu Stockheim aber unter dem Rittergute Pomsen. Unter den in Otterwisch angestellten Pfarrherren machte sich in den Jahren 1664 bis 1685 Magister Salomo Liskovius als Dichter und Schriftsteller rühmlichst bekannt. Als gekrönter kaiserlicher Poet schrieb er eine grosse Anzahl Lieder und Abhandlungen und ist auch der Verfasser des bekannten Kirchenliedes „Schatz über alle Schätze.“ Als in der Kirche zu Stockheim wegen des daselbst fehlenden Priesterrocks der Pfarrer vergeblich bemüht gewesen war, zu seiner Bequemlichkeit einen solchen von der Gemeinde zu erlangen, schrieb er 1679 ein ebenso launiges als treffliches Gedicht an den Kirchenpatron, und bat darin um ein heiliges Kleid für den armen Stockheimer Pfarrherrn. Die Bitte wurde erhört und seit jener Zeit muss die Kirche zu Stockheim für einen Priesterrock sorgen. – Die Parochie besteht aus etwa 700 Seelen.

Otto Moser, Redact.