Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Nischwitz

Textdaten
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Autor: Moritz Grimmel
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Titel: Nischwitz
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aus: Leipziger Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band I, Seite 129–131
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
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Nischwitz.


Das herrliche, prächtige Rittergut und Dorf Nitzschwitz liegt ¾ Stunde nordwestlich von Wurzen, 2 Stunden südöstlich von Eilenburg, nicht weit vom Muldenmühlgraben, ⅓ Stunde vom rechten Ufer der eigentlichen Mulde 350 Pariser Fuss über dem Meere. Durch das Dorf führt die Strasse von Wurzen nach Eilenburg. Zur Hälfte wird es von den schönen weitausgebreiteten Muldenwiesen umgeben. Es hat 40 bis 45 Häuser, wenig Güter, meist Häusler, die Tagelohnarbeit verrichten. Unter den Häusern giebt es einen Gasthof, eine Windmühle und die geistlichen Gebäude. Der Name kommt schon im 12. Jahrhundert vor. Im Jahre 1239 schenkte es Heinrich der Erlauchte dem Kloster Altzelle.

Das Rittergut ist das Stammhaus des Geschlechtes derer von Nitzschwitz. Dazu gehören Bennewitz, Grubnitz, Nepperwitz, Dehnitz, die Hälfte von Röcknitz und das damit verbundene Rittergut und Dorf Pönitz. Die Herren von Nitzschwitz sind von den Bischöffen der Wurzener Domkirche mit dem Orte beliehen worden und nach den Herren von Nitzschwitz kam die Familie von Gundilitz in Besitz dieses Gutes, ebenfalls durch Belehnung von dem Bischoff zu Wurzen. Die folgenden Besitzer waren die Herren Bex, Becker, von Rosenfeld, von Racknitz, Frau von Wend. Von dieser acquirirte es Sachsens früherer Premierminister von Brühl, welcher das Schloss kurz vor dem 7jährigen Kriege neu erbaute. Ehe wir aber in der Beschreibung des Schlosses selbst weiter vorgehen, sei es uns vergönnt, einige Augenblicke bei der Persönlichkeit dieses Mannes zu verweilen.

Sachsens allgewaltiger Premierminister von Brühl, Heinrich von Brühl war der jüngste Sohn des geheimen Raths von Brühl am Hofe zu Weissenfels und der Erdmuthe von Brühl, der Tochter des kurpfälzischen Kammerherrn Petri von der Heide. Er selbst Heinrich von Brühl war vermählt mit der Gräfin Kollowrath Krakowski, welche eine Wohlthäterin der Armen war und jeden Tag mit einer besondern Wohlthat bezeichnete. Ganz in ihrem Geiste erzog sie ihre 4 Söhne und ihre einzige Tochter, so dass alle durch gründliche und vielseitige Kenntnisse, wie durch Herzensgüte und Menschenfreundlichkeit sich auszeichneten.

Herr Premierminister von Brühl war auch ein anscheinend aufrichtiger und ehrlicher Mann. Gegen Personen hohen und niedern Standes war er gleich höflich und dienstfertig. Sein ganzes Wesen war aber nicht Wahrheit, sondern zur andern Natur gewordene Hofmanier. Er war ein Schauspieler in der vollsten Bedeutung dieses Wortes. Sein Wahlspruch lautete auch: „Wir sind alle Schauspieler; es kommt nur darauf an seine Rolle gut zu spielen.“ Um seine Rolle gut und glücklich zu Ende zu führen, sah er hauptsächlich darauf, dass in Schulen und auf Universitäten die Wahrheit als die herrlichste Tugend gelehrt werde, während bei ihm und in seinen Geschäften, Wahrheit nicht zu finden, ja sogar solche als Verbrechen verpönt war. Alles war Schein und Trug und sein ganzes Dichten und Trachten nur auf Befriedigung der Sinnlichkeit gerichtet. Dennoch wollte er über fromme, mässige und genügsame Menschen regieren, daher auch seine Glaubensvorschriften, [130] seine selbst heuchelnde Frömmigkeit: Wohlwissend, dass ein frommes Volk auch ein gutes, friedfertiges Volk ist. Um aller Frechheit die Krone aufzusetzen, hat sogar dieser Mann sich in seinem Testamente für den frömmsten, redlichsten und unbescholtensten Menschen erklärt, der alles mit Gott that, und nur durch seinen Beistand vollbrachte; indem er nicht bedachte, dass Thaten lauter sprechen, wie Versicherungen.

Ein Verdienst hat sich der Minister Graf Brühl um Sachsen erworben, Geschmack und Kunstsinn befördert zu haben, das beweisen seine Bauten und seine eigenen Anordnungen. Auch der Erbau von Nitzschwitz ist ein sprechendes Zeugniss von des Grafen von Brühl Schönheits-Sinn im Baustyle. Von den drei Flügeln, welche drei Etagen haben, ist der mittlere 15 Fenster breit und macht Front gegen die Oeconomiegebäude. Am Schlosse gegen Westen dehnt sich der im halb englischen und halb im französischen Geschmack angelegte Garten aus. Vom sogenannten Audienzsaal, der im 7jährigen Kriege durch die Preussen sehr gelitten hat, sind noch schöne Trümmer übrig geblieben. Hier erblickt man in den Wänden die feinste Frescomalerei italienischer Meister. Die Göttin der Jagd erscheint hier unter verschiedenen Gestalten. Sie ist in Lebensgrösse gezeichnet und die Farben erscheinen so frisch, als wäre der Maler nur erst fertig damit geworden. Die brennenden Farben der Gewänder von Göttern und Göttinnen verbreiten ein herrliches Licht. Das Deckengemälde ist ohne Zweifel das Meisterstück. Es stellt den Wagensturz des Phaeton vor. Die stürzenden Pferde sind so täuschend, als fielen sie durch die Luft herab. Schöne Stuccaturarbeiten an den Wänden der übrigen Zimmer, ächt vergoldet, sind noch trotz der Zerstörung zu schauen. Aus alter Zeit, dem Palais gegenüber, hat sich eine Nische mit Thürmchen erhalten, worauf früher eine Uhr schlug. In der Nische befindet sich ein Gemälde, die Verbindung der Flora mit Zephir. Vermuthlich von Oeser gemalt.

Zu beiden Seiten des Palais befinden sich Bogengänge und enden mit einem kleinen Gebäude, um den Halbzirkel zu bilden. Auf der Rückseite des Palais ist der Untergarten befindlich, eben so malerisch, als auf der Vorderseite. Die Fronte der Fenster und Arcaden gewähren einen reizenden Anblick. Vor denselben liegt eine grüne Wiese rund herum mit Anpflanzungen und Blumenstücken begränzt. Hier fliesst ein Arm der Mulde und jenseits sieht man herrliche Triften für die herrschaftlichen Schaafherden. Die Seitengänge des Untergartens dehnen sich weiter aus und enthalten noch viele schöne Anlagen. Im Obergarten sind die herrlichsten Anlagen zu finden mit dem Gewächshaus und einem Saal am Ende des Gartens, in welchem ein von Oeser restaurirtes Deckengemälde zu finden ist. Dieser Saal, noch das Palais sind jedoch Fremden mehr zugänglich. Zwei Statuen am Eingange des Saals stellen Gärtner und Gärtnerin vor. Die Kirche ist 1752 restaurirt. Hier ist das Altarbild eine Sehenswürdigkeit. Es ist eine Verkündigung Maria. Sowohl die Maria, als der Engel finden ihre Bewunderer und Lobredner bei Kennern und Verehrern dieser Kunst. Es ist ein Geschenk des Herrn Premierminister von Brühl. Unbekannt ist der Verfertiger, und ob es Original oder Copie ist. Eine sehr gut gelungene Abbildung desselben, von einem gewissen Blanchard, findet sich in der Gottesackerkirche zu Plauen. Ausser diesem herrlichen Geschenke erinnert noch das Familienwappen an der herrschaftlichen Emporkirche und in einem Kirchhoffenster an den Grafen von Brühl. Die Kirche hat 3 Glocken von keiner besondern Stärke. Auf der grössten steht:

Martin Heinze in Leipzig umgegossen
Anno 1741.

Im Jahre 1817 wurde das Gut subhastirt (nachdem es bis dahin ein gewisser Lastroth besessen hatte) und auf 217,217 Thlr. taxirt und vom Herrn von Ritzenberg erstanden, von welchem es dessen Herr Sohn übernommen und nach dessen Tode die Frau Gemahlin des letzteren ererbt und noch als Besitzerin darauf lebt. Der Herr Schwiegervater der jetzigen Besitzerin, Herr Präsident von Ritzenberg hat ein Erbbegräbniss hier angelegt, und seine verstorbene Gemahlin, nebst Sohn, als Leichen aus Gross-Oschersleben hieher bringen und beisetzen lassen. Es besteht aus einem grünen Rasenhügel, innerhalb gewölbt, mit einem eisernem Kreuz auf der Hügelspitze, rund herum mit Cedern und andern dunkeln Baumgruppen umpflanzt, die das Grabmal verstecken.

Der Kirchhof von sehr mittelmässiger Grösse ist neuerlich durch einen schmalen Streif vergrössert worden. Auf der Dorfseite ist er mit einer hohen Mauer, auf der entgegengesetzten Seite, wo er an den herrschaftlichen Garten stösst, theils mit einer Mauer, theils mit einer Hecke eingeschlossen.

[131] Eingepfarrt in die dasige Kirche ist das ¾ Stunde entfernte Dorf und Rittergut Lossa, welches dem früheren Herrn Justizminister von Könneritz gehört.

Auch das Erbbegräbniss der Familie von Könneritz befindet sich an einer Wand der Kirchhofsmauer.

Uebrigens scheint sich das Kirchenvermögen, welches früher gering war, zu vermehren.

Die frühere Schulpatronin Frau D. Lastropie hat ein Legat von 6000. Thlr. dazu bestimmt, dass die Kirche, der Pfarrer, der Schullmeister den dritten Theil der jährlichen Zinsen bekommen sollen.

Das Schulgebäude des Orts ist erst 1829 ganz neugebaut und hat eine grosse und helle Schulstube und 2 Wohnstuben.

Ackerbau und Viehzucht ist die Hauptbeschäftigung der Ortsbewohner und berühmt weit und breit sind die Nitzschwitzer Schaafe, in Rücksicht ihrer feinen und guten Wolle.

Bei grossen anhaltenden Regengüssen, besonders im Erzgebirge und bei Eisfahrten ist das niedere Thal des Orts wie das am Ufer liegende Land, sehr der Ueberschwemmung ausgesetzt.

Moritz Grimmel.